Anstieg der Insolvenzen um 40 Prozent

Vor allem bei großen Unternehmen kreist der Pleitegeier

Um alarmierende 40 Prozent ist die Zahl der Pleiten großer Firmen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Was den Unternehmen das Genick bricht und welche Branchen betroffen sind.

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12:07 Uhr | 09. Juli | 2024
An einem Schaufenster steht "Wir schliessen"

Geschäftsaufgabe: Die Zahl der Insolvenzen ist in Deutschland im ersten Halbjahr stark angestiegen.

| Quelle: Heiko119

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist noch stärker gestiegen als von Experten befürchtet. Im ersten Halbjahr gerieten 162 Unternehmen mit mehr als zehn Millionen Euro Umsatz in finanzielle Schieflage – ein Plus von 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das zeigt eine Analyse der Restrukturierungsberatung Falkensteg für das Handelsblatt. Unter den insolventen Firmen sind prominente Namen wie der Reiseveranstalter FTI, die Warenhauskette Galeria oder die Modefirma Esprit.

Höchster Stand seit fast 10 Jahren

Nimmt man nicht nur wie das Handelsblatt die großen Firmen ins Visier, sondern betrachtet – wie die Auskunftei Creditreform – die Entwicklung über alle Unternehmensgrößen hinweg, fällt der Anstieg der Insolvenzen mit fast 30 Prozent (11.000 Fälle) etwas moderater aus. An der grundsätzlichen Bewertung ändert das freilich wenig.

"Die Insolvenzen in Deutschland haben den höchsten Stand seit fast zehn Jahren erreicht. Die Unternehmen kämpfen weiter gegen die Auswirkungen der Rezession, anhaltende Krisen und die kraftlose konjunkturelle Entwicklung", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. „Das alles zusammengenommen bricht vielen Betrieben das Genick.“

Blickt man auf die einzelnen Branchen, zeigt sich, dass in allen wichtigen Hauptwirtschaftszweigen die Insolvenzzahlen im zweistelligen Bereich gestiegen sind. Der Anstieg reicht laut Creditreform von 20,4 Prozent im Handel bis zu 34,9 Prozent im Dienstleistungssektor. Im Baugewerbe stieg das Insolvenzaufkommen um 27,5 Prozent, was ein deutlich stärkeres Plus als im Vorjahr war und von der Baukrise beeinflusst worden sein dürfte.

Die überwiegende Mehrzahl der Insolvenzfälle gehört jedoch zum Dienstleistungssektor, zu dem auch die Versicherungsbranche zählt. Allerdings lässt das nur bedingt Rückschlüsse zu, denn dieser Sektor ist sehr groß und heterogen und umfasst zum Beispiel auch alle körpernahen Dienstleistungen wie etwa Friseure.

Keine Trendwende in Sicht

Eine Trendwende zeichnet sich derzeit noch nicht ab. Im Gegenteil: Die aktuellen Analysen von Creditreform und Handelsblatt zeigen vor allem im Segment der größeren Unternehmen ein besorgniserregendes Insolvenzgeschehen, das weit über dem normal üblichen Niveau der vergangenen Jahre liegt. 

"Zusammen mit den immer noch hohen Zinsen bleibt die Unternehmensfinanzierung eine echte Herausforderung. Selbst nachdem die Europäische Zentralbank Anfang Juni die angekündigte Zinswende vollzogen hat, dürften die Unternehmensinsolvenzen noch bis Jahresende zunehmen", glaubt Hantzsch. „Die Unternehmensstabilität in Deutschland ist derzeit so wacklig wie seit vielen Jahren nicht mehr.“