Private Markets

Verzweifelt gesucht: Mehr privates Geld für die öffentliche Hand

Die Bundesregierung will mehr privates Geld in die Modernisierung des Landes lenken. Für Finanzberater entsteht hier ein neues Geschäftsfeld. Erste Produkte kommen auf den Markt.

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10:10 Uhr | 08. Oktober | 2024
Ein Windpark im Nebel

Privates Kapital soll auch in Deutschland verstärkt dazu beitragen, öffentliche Ziele zu finanzieren. Das eröffnet auch Beratern ein interessantes neues Geschäftsfeld.

| Quelle: Justin Paget

Die FDP droht in die Bedeutungslosigkeit abzusacken. Darauf deutet das Abschneiden bei den jüngsten Wahlen hin. Doch was das FDP-geführte Bundesfinanzministerium an Gesetzen ganz oder teilweise auf den Weg gebracht hat, hat das Potenzial die Republik nachhaltig voranzubringen. Die Stichworte lauten: Fondsstandortgesetz, Wachstumschancengesetz, Infrastrukturfördergesetz, Fondsmarktstärkungsgesetz sowie Zukunftsfinanzierungsgesetz I und II. Alle Regelwerke zielen mehr oder weniger darauf ab, privates Kapital für alternative Investments zu mobilisieren. Darunter fallen insbesondere die Sachwerte Infrastruktur, Private Equity und Immobilien.

Erleichterter Zugang für Privatkunden

Allianz Leben liefert Beratern mit ihrer neuartigen Private-Markets-Police eine Lösung für deren Kunden. Dabei handelt es sich um eine lebenslange Risikoversicherung mit einer Kapitalzahlung bei Tod. Für die Anlage stehen fünf alternative Investmentstrategien zur Verfügung: Infrastruktur, Erneuerbare Energien, Private Debt (eine Form der Kreditfinanzierung von Unternehmen), Private Equity (Beteiligung an nicht-börsennotierten Firmen) und Future-Focused Strategy. Pro Vertrag kann der Kunde eine Anlagestrategie für die Vertragsdauer wählen.

Auch wenn Allianz Leben eigenen Angaben zufolge selbst in die alternativen Anlagen in ihrem Sicherungsvermögen investiert, so muss ein Makler die einzelnen Strategien seinem Kunden erklären können. Die Future-Focused Strategy zum Beispiel setzt laut Faktenblatt primär auf Private Equity, Infrastruktur/Erneuerbare Energien und Wald. Handelbare Anlagen werden beigemischt. Zielgruppe sind risikobewusste Anleger. Die Kapitalanlagekosten betragen 3,2 Prozent p.a. Darin enthalten ist eine Erfolgskomponente von 0,39 Prozent. Den Adressatenkreis beschreibt Katja de la Viña, Chefin der Allianz Leben, so: Wir richten uns an Kunden, die „mit alternativen Investments höhere Stabilität und attraktive Renditechancen suchen.“

Bisher dominieren AIFs

Im Versicherungssegment sind solche Angebote noch rar. Am ehesten vergleichbar ist die PrivateMarket-Police mit Blue Invest von der Bayerischen und Exklusive Fonds von Generali. Ansonsten gibt es bisher vor allem Alternative Investmentfonds (AIFs), die in Private Equity, Infrastruktur, Immobilien und alle möglichen anderen Sachwerte investieren. Ein AIF wirbt Eigenkapital ein, der Fonds wird dann geschlossen und das Kapital mit oder ohne zusätzliche Kredite investiert. Laut Scope wurden im ersten Halbjahr elf Publikums-AIFs zum Vertrieb zugelassen. Erstmals wollten Private-Equity-Fonds mehr Eigenkapital einsammeln als Immobilienfonds. Beispiele für erstere seien jetzt investierbare Vehikel von Wealthcap, MIG Capital und RWB PrivatCapital.

Zudem gehen im Investmentsegment aktuell weitere Retail-Private-Markets-Produkte an den Start. Dafür steht das Akronym ELTIF, also European Long-Term Investment Fund. Diese kürzlich für Privatanleger geöffnete Fondsstruktur bietet die Möglichkeit, geschlossene Privatmarktfonds in der EU zu vertreiben, ohne zusätzliche nationale Vorschriften erfüllen zu müssen. Auch hier mehren sich die Angebote. Anfang September legte das Fondshaus Allianz GI den ersten ELTIF auf, der bei einer Mindestanlage von 10.000 Euro in die Schwerpunkte Energiewende, Infrastruktur und Private Debt investiert.

Deutschland hat Potenzial

Der Datenanbieter Preqin berichtet aktuell vom „Aufstieg des Privat Kapital“. Vor allem Deutschland mit seinem Nachholbedarf sei „der Schlüssel zum weltweiten Wachstum der Branche“. Hierzulande würden etliche Firmen keinen Nachfolger finden, was vor allem Private Equity Schub verleihe. Anderen Fachleuten zufolge hellen auch die bevorstehenden Zinssenkungen der EZB das Umfeld auf, denn Kredite würden günstiger. Hinzu kämen neue Gesetze.

Wie erwähnt, steht privates Kapital mittlerweile auch in Berlin oben auf der Agenda. „Die Bundesregierung hat erkannt, welche wichtige Rolle die Fondsindustrie spielt und dass der Fondsstandort Deutschland substanziellen Aufholbedarf hat“, lobt Frank Dornseifer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Alternativer Investments (BAI).  Und weiter: „So sehr man die Ampel in verschiedenen Bereichen kritisieren kann und darf, bei der Fondsregulierung leistet sie derzeit gute Arbeit“. Indes hätte die Politik zuvor viele Jahre die Bedeutung von geschlossenen und offenen Fonds für den Finanzmarkt „sträflich ignoriert“.

Verbände freuen sich

Neben dem BAI freut sich auch der Fondsverband BVI über mehr Freiheiten. So sehe der Ende August vorgelegte Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes II vor, dass Immobilienfonds künftig Photovoltaikanlagen auf Dächern erreichten und betreiben können, ohne dabei Einnahmegrenzen beachten zu müssen. Auch sollen Immobilienfonds in Beteiligungen an Infrastruktur-Projektgesellschaften investieren können, die sich auf erneuerbare Energien beschränken.

„Der Gesetzentwurf ebnet den Weg für mehr private Finanzierungen der Transformation in Deutschland“, meint BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. Auch Joachim Lohse, Geschäftsführer des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA), des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft, spricht von einem „starken Impuls“ und einem „Ruck beim Ausbau erneuerbarer Energien“. Es sei höchste Zeit, dass das Recht ausgestaltet werde, „um die Erzeugung sowie die Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudebereich über Fonds zu ermöglichen.“

Aus der Not geboren

Die neue Zuneigung von Politikern zur Fondsbranche mit ihren großen Investoren wie Versicherern, Altersvorsorgeeinrichtungen, Banken und Family Offices sowie zig Millionen Privatanlegern ist freilich aus der Not geboren. Sie haben erkannt: Ohne Privatkapital lässt sich der grüne und digitale Umbau der Wirtschaft nicht finanzieren. Fachleuten zufolge geht es jedes Jahr um mehrere hundert Milliarden Euro. Zum Beispiel betont Adam Farkas, Chef der Organisation Association for Financial Markets in Europe (AFME): „Deutschland steht vor der enormen Herausforderung, bis 2030 jedes Jahr einen externen Finanzbedarf von rund 175 Milliarden Euro zu stemmen – nur um die Dekarbonisierung voranzutreiben.“ Ausgaben für Rüstung und Digitalisierung kämen noch obendrauf. Über öffentliche Haushalte ließen sich solche Beträge nicht mobilisieren. Daher: Notwendig ist eine Belebung der Kapitalmärkte. Die genannten Gesetze der Ampel zielen darauf ab. Für Finanzberater eröffnet sich ein attraktives neues Geschäftsfeld.