Ist der Welt-ETF MSCI World noch eine gute Wahl für Anleger?
Für mich ist und bleibt der MSCI World ein BasisinvestmentJessica Schwarzer
Börsenexpertin, Finanzjournalistin, Moderatorin und Buchautorin
Zu tech-lastig, zu us-lastig und eigentlich auch kein Weltaktienindex - Kritik am MSCI World gibt es reichlich. Aber ich bin überzeugt: Der MSCI World ist und bleibt ein gutes Basisinvestment für ETF-Anleger. Auch nach dem jüngsten Kursrutsch!
Es stimmt natürlich, dass der Anteil amerikanischer Aktien, der Technologiebranche und vor allem der „Magnificent Seven“ sehr hoch ist. Deshalb hat den Index das schwache erste Quartal an der Wall Street auch stark getroffen, die deutlich bessere Performance europäischer und vor allem deutscher Aktien hat das nicht abfedern können. Zu groß ist das Gewicht der US-Aktien, zu gering das der europäischen.
Aber das ist den Regeln für die Zusammensetzung des Indizes geschuldet. Die Aktien mit dem größten Börsengewicht haben, wie übrigens in den meisten Indizes, den größten Anteil. Dadurch können Klumpenrisiken entstehen, aber auch das ist ein weit verbreitetes Problem. Man denke nur an SAP im Dax.
Von der Rally der Tech-Aktien haben Anleger profitiert
Mit der Rally der Tech-Aktien in den vergangenen Jahren ist deren Anteil nicht nur im MSCI World immer größer geworden. Davon habe ich als Anlegerin dann aber auch profitiert. Der Index mag Schwächen haben, und natürlich muss ich genau wissen, was ich da tue, muss mir die Zusammensetzung anschauen. Ist mir das zu viel USA? Dann mische ich eben einen Europa-ETF bei. Damit sinkt dann unweigerlich auch der Anteil der Technologieaktien. Fehlen mir die Nebenwerte? Dann lege ich mir einen entsprechenden ETF ins Depot.
Und natürlich ist nicht die ganze Welt im angeblichen Weltaktienindex vertreten. Es sind „nur“ die Aktien aus den Industrienationen. Die Schwellenländer fehlen. Das ist übrigens der Historie geschuldet. Als der MSCI World aus der Taufe gehoben wurde, waren viele Schwellenländer schlicht noch nicht investierbar.
Schwächen durch Beimischungen korrigieren
Das hat sich geändert und mittlerweile gibt es ja auch den MSCI Emerging Markets und den MSCI All Country World (ACWI), den wahren Weltaktienindex. Der US-Anteil bleibt aber hoch, wenn auch etwas niedriger. Denn auch hier gilt die Marktkapitalisierung bei der Zusammensetzung. Und auch deshalb fehlen dann die Nebenwerte. Aber das kann jeder Anleger doch selbst korrigieren und andere ETFs beimischen. Für mich ist und bleibt der MSCI World aber ein Basisinvestment.
Aber der MSCI World ist noch keine Strategie. Dieses Argument teile ich. Deshalb mische ich persönlich auch andere Indizes bei. Dass man mit dem MSCI World in den teuersten Markt der Welt investiert, stimmt im Grunde auch. Aber auch das ist den Regeln für die Zusammensetzung des Indizes geschuldet. Und noch einmal: In den vergangenen Jahren war das nicht die schlechteste Idee. Der MSCI World lief übrigens besser als der MSCI World ACWI oder die Variante mit den Nebenwerten (IMI).
Lieber investieren als sparen
Der MSCI World als Basisinvestment sollte um weitere Bausteine ergänzt werden, keine Frage. Nur, ist das nicht Börse für Fortgeschrittene? Wer gerade erst anfängt, an der Börse zu investieren, ist mit dem MSCI World erst einmal gut aufgestellt und partizipiert an der Entwicklung der weltweiten Aktienmärkte (ex Schwellenländer). Das würde vielen Sparern gut tun. Dass es immer noch „besser“ oder ausgefeilter geht, natürlich… Aber ich bleibe dabei: Lieber einen ETF auf dem MSCI World, als gar keinen ETF. Lieber Investieren als Sparen. Der MSCI World ist und bleibt ein guter Einstieg.
Der MSCI World ist kein zeitgemäßes Anlageuniversum mehrAli Masarwah
Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de
Der MSCI World ist kein zeitgemäßes Anlageuniversum mehr. Deshalb sollten Anlegende MSCI-World-ETFs nicht als einzige Komponente ihres Aktienportfolios verwenden. Die Konzentration auf US-Aktien mit über 70 Prozent und Technologiewerte mit mehr als 30 Prozent führt zu einem erheblichen Klumpenrisiko, das eine echte Diversifikation verhindert.
Anleger, die in den MSCI World investieren, entscheiden sich – bewusst oder unbewusst – für den teuersten Markt der Welt und vernachlässigen dabei Europa weitgehend, Schwellenländer und Nebenwerte sogar vollständig. Die weit verbreitete Ansicht, der MSCI World sei ein „perfektes Investment“, ist also ein Trugschluss.
Verbraucherschützer verbreiten Durchhalteparolen
Interessant ist, dass viele Anleger in einer Art Nibelungentreue zu MSCI-World-ETFs stehen, jetzt, wo die Performance grottig ist. Sie erkennen dabei durchaus Defizite, weigern sich jedoch, die Konsequenzen zu ziehen. Dabei werden sie von Verbraucherschützern und Plattformen wie Finanztip unterstützt, die Durchhalteparolen verbreiten. Diese nehmen mitunter absurde Züge an: Langfristig habe der MSCI World überzeugt – selbst diverse Krisen hätten ihm nicht geschadet. Wirklich? Eine interessante Beobachtung aus dem Munde vermeintlicher Verfechter diversifizierter Portfolios!
Anleger, die 1990 die Grundsätze der Diversifikation beherzigten, haben mutmaßlich nicht 40 Prozent ihres Aktienportfolios in Japan-Aktien investiert. Europa hätten diese Anlegenden Anfang 2025 nicht mit 15 Prozent, sondern vielleicht mit 35 Prozent oder mehr im Aktienportfolio gewichtet? Auch eine naive Diversifikation hätte Verluste besser begrenzt als ein MSCI World ETF.
Alle Ein-Produkt-Portfolios weisen Mängel auf
Wer die Nachteile des MSCI World adressieren möchte, sollte übrigens nicht nach dem „perfekten Ersatz“ suchen. Alle Ein-Produkt-Portfolios weisen aus Diversifikationssicht Mängel auf. ETFs auf andere globale Aktien-Indizes sind weitgehend identisch mit dem MSCI World. BIP-gewichtete Portfolios setzen sehr stark auf China, während gleichgewichtete Portfolios hohe Umschichtungskosten verursachen können.
Stattdessen empfiehlt sich ein modular aufgebautes Portfolio aus mehreren ETFs, das die Schwächen des MSCI World gezielt adressiert und langfristig robustere Renditen ermöglicht. Ein solches Portfolio könnte Emerging Markets und Small Caps berücksichtigen sowie regionale Schwerpunkte wie Europa oder Asien anders setzen als im MSCI World.
Mischen ist erwünscht
Es gibt keinen Grund für die Fixierung auf ein Ein-Produkt-Portfolio – zumal Sparpläne heute nichts kosten und Handelsgebühren überall sinken. Die einfachste Alternative wäre ein ETF auf den MSCI World ex USA mit einem zweiten ETF für US-Aktien zu kombinieren. Egal wofür sich Anlegende entscheiden: Mischen ist nicht nur possible, sondern auch erwünscht!