In einem Online-Seminar sollten teilnehmende Ärzte angeblich lernen, wie sie bei Privatpatienten "eine Menge mehr abrechnen können" - so drückte es der Mitgründer und Ärztliche Direktor der Augenarztkette Artemis Kaweh Schayan-Araghi wohl an einer Stelle aus. Schayan-Araghi sitzt auch im Vorstand des Berufsverbandes der Augenärzte (BVA).
Ausgestattet mit Kapital von Finanzinvestoren verfügt die Artemis-Kette inzwischen über mehr als hundert Standorte in Deutschland und über 300 angestellte Ärzte. Kaweh Schayan-Araghi, erklärte bei Gründung in einem Interview, keiner sei darauf aus, "schnelles Geld" zu machen. Liest man jedoch die Recherchen von Panorama kommen Zweifel an dieser Aussage auf.
Als "eine Fortbildung zur Gewinnmaximierung" bezeichnet es der renommierte Medizinrechtler Prof. Andreas Spickhoff von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München im Panorama-Interview. "Das ist keine Ausreizung der Gebührenordnung, sondern eine Überreizung." Der Seminarleiter und die teilnehmenden Ärzte, die sich an solche Anweisungen hielten, würden aus seiner Sicht gegen die Berufsordnung verstoßen und könnten sogar ihre Approbation verlieren.
Artemis-Ärzte behandeln zehntausende Privatpatienten jedes Jahr. Kaweh Schayan-Araghi und eine Abrechnungsexpertin sollen in einem Online-Seminar eine Reihe von Möglichkeiten vorgestellt haben, wie die Einnahmen gesteigert werden können - etwa mit Operationen am Grauen Star. Die Ärzte sollen nach den Recherchen jeden dieser Eingriffe als überdurchschnittlich schwierig oder zeitaufwändig darstellen - und dafür eine entsprechende Begründung finden. Denn dann könne man fast 250 Euro mehr abrechnen als im Regelfall. Zudem sollen die Ärzte angeblich durch Sammlungen von möglichen Gründen für höhere Gebühren unterstützt worden sein. Es geht auch um überflüssige Untersuchungen bei Privatpatienten wie unnötige Sehtests oder Tests der Pupillenreaktion. Manchmal geht es nur um kleine Beträge von 15 oder 20 Euro. Bei anderen "Tipps" für die richtigen Wörter im Behandlungsbericht können es laut Panorama-Bericht auf mal 1000 Euro oder mehr sein. Das sei ein Weg wie man sich so ein bisschen den Inflationsausgleich wiederholen könne, heißt es laut Panorama in dem Seminar.
Führungskraft bereits von Aufgaben entbunden - Aufarbeitung im Gange
Artemis und die betroffene Führungskraft haben sich darauf verständigt, dass diese mit sofortiger Wirkung von allen Aufgaben innerhalb der Artemis-Gruppe entbunden ist. "Sollten sich im Beitrag erhobene Vorwürfe als zutreffend erweisen, werden wir erforderliche Konsequenzen ziehen", heißt es von Seiten des Unternehmens. Eine Anfrage von procontra, ob es sich bei der betroffenen Führungskraft um Schayan-Araghi handelt, blieb bislang noch unbeantwortet.
Die Artemis-Gruppe äußert sich zu den Vorwürfen aus der Panorama-Sendung folgendermaßen: Artemis habe keine Kenntnis von etwaigen Unregelmäßigkeiten bei der Erbringung, Dokumentation oder Abrechnung von medizinischen Leistungen.
"Für Artemis haben höchste Qualität und Patientensicherheit bei Diagnostik und Behandlung oberste Priorität. Bei der Auswahl einer Behandlungsmethodik steht die effizienteste und wirksamste Methode für eine bestmögliche Patientenversorgung an erster Stelle. Für die Auswahl einer Behandlung ist allein die medizinische Indikation maßgeblich. Die Entscheidung darüber obliegt alleinig der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt in Abstimmung mit der Patientin/dem Patienten. Wir setzen alles daran, das Vertrauen in die exzellente Arbeit unserer Ärztinnen und Ärzte zu wahren, die täglich ihr Bestes für das Wohl unserer Patientinnen und Patienten geben. Die in dem Beitrag dargestellten Anhaltspunkte für mögliches individuelles Fehlverhalten nehmen wir sehr ernst. Artemis wird die im Raum stehenden Vorwürfe unverzüglich und vollumfänglich aufklären. Dazu hat das Unternehmen eine unabhängige und umfassende Untersuchung durch eine spezialisierte externe Kanzlei beauftragt. Die Kanzlei hat bereits mit der Aufarbeitung von Sachverhalten begonnen."
Die Artemis-Gruppe handele in Übereinstimmung mit geltenden Gesetzen und habe strikte Compliance-Standards, um einwandfreie Abrechnungen sicherzustellen. Alle Mitarbeitenden seien über den Verhaltenskodex und die Compliance-Richtlinie der Gruppe verpflichtet, die darin enthaltenen Regelungen zu befolgen. "In unserer Compliance-Richtlinie ist unter anderem die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen, einwandfreien Abrechnung enthalten. Das Unternehmen toleriere keine Verstöße gegen Vorgaben und gegen seine Unternehmenswerte."