Lebensversicherer auf dem Prüfstand

AfW zur Bafin-Kritik: Nicht die ganze Branche an den Pranger stellen

Nach der Bafin-Kritik an einzelnen Lebensversicherern warnt AfW-Vorstand Norman Wirth davor, die ganz Branche an den Pranger zu stellen. Es gehe nicht um strukturelle Probleme, sondern um Einzelfälle, so Wirth gegenüber procontra.

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14:08 Uhr | 29. August | 2024
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW

Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW wehrt sich gegen pauschale Kritik.

| Quelle: AfW / Pressefoto

Zu hohe Kosten und zweifelhafter Kundennutzen: Die neue Bafin-Versicherungsaufseherin Julia Wiens hat auf einem Strategiemeeting des Handelsblatts in Düsseldorf deutliche Kritik an einigen Lebensversicherern geübt (wir berichteten).

Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, kann diese Kritik in Teilen zwar nachvollziehen, möchte damit aber nicht die gesamte Branche an den Pranger gestellt wissen. „Das ist keinesfalls eine Bankrotterklärung für die Branche“, so Wirth gegenüber procontra. „Es ist eine klare Ansage an einzelne Unternehmen.“

Frau Wiens habe in ihrer Rede auf dem Strategiemeeting ausdrücklich von krassen Einzelfällen gesprochen. Es sei deshalb ärgerlich, dass in der Öffentlichkeit nun wieder ein negatives Bild der gesamten Branche gezeichnet werde.

Wirth: „Wir reden hier ja nicht von grundsätzlich strukturellen Problemen. Aber klar ist, die Bafin muss einschreiten, wenn Missstände vorliegen. Das begrüßen wir auch ausdrücklich. Hätte die Bafin das auch in der Vergangenheit konsequenter getan, dann hätten wir vielleicht die eine oder andere Diskussion und regulatorische Bemühung um Provisionsdeckel oder -verbot nicht erlebt.“

Das Produkt Lebensversicherung wird durch die Bafin-Rüge nach Ansicht Wirths nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Aber es zeige sich hier einmal mehr, wie wichtig qualifizierte, unabhängige Beratung durch Maklerinnen und Makler sei.

Zu Hohe Kosten, zu viele Stornos

Die Kritik basiert auf einer Prüfung von 13 der rund 90 deutschen Lebensversicherer. „Was wir da bislang herausgefunden haben, gefällt uns überhaupt nicht“, stellte Versicherungsaufseherin Julia Wiens in ihrer Rede klar.

Bemängelt werden von ihr zum Beispiel zu hohe Effektivkosten. Bei den Produkten mehrerer Unternehmen hätten die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der Kunden ihre Verträge vorzeitig gekündigt hatten, vier Prozent oder mehr betragen.

Auch die zum Teil sehr hohen Stornoquoten – speziell in den ersten Jahren nach Vertragsabschluss, in denen ein großer Teil der Kosten anfällt – sind Wiens ein Dorn im Auge. So betrage die jährliche Stornoquote der Versicherer 3,14 Prozent. Bei einer Ansparphase von 40 Jahren bedeutete dies, dass sich über 70 Prozent der Kunden bereits vorzeitig von ihren Verträgen verabschiedet hätten.

Vorzeitige Vertragsbeendigungen erhöhten aber wiederum die Effektivkosten und verringerten die jährliche Rendite, weil die Anbieter gerade in den ersten Vertragsjahren einen überproportional großen Teil der Beiträge zur Kostendeckung einbehielten und diese somit nicht in das Vertragsguthaben der Kunden flössen.

Bafin droht mit Konsequenzen – GDV kontert

Am Ende ihrer Rede drohte Wiens mit Konsequenzen, sollten die Missstände nicht beseitigt werden. „Wir haben verschiedene Möglichkeiten einzugreifen“, sagte sie. „Wir können beispielsweise den Vertrieb von Produkten oder den Vertrieb über bestimmte Vertriebsgesellschaften untersagen. Wir können aber auch Maßnahmen gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern verhängen, wenn deren fachliche Eignung angesichts von Missständen in Frage steht.“

Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), hält Wiens Kritik an einer Besserstellung von Storno-Kunden indes für nicht gerechtfertigt. „Versicherungen funktionieren im Kollektiv“, so Asmussen in einer Stellungnahme gegenüber procontra. „Abschläge für frühe Kündigungen bewahren das Versichertenkollektiv davor, die Rechnung dafür zu zahlen. Nicht unter den Tisch fallen darf auch, dass die deutsche Lebensversicherungsbranche die Versicherten angemessen an den Überschüssen beteiligt und dies auch in Zukunft tun wird. Im Mittel erfolgt eine Beteiligung von 95 Prozent an den Kapitalerträgen, Risiko- und Kostenüberschüssen.“