pro&contra

Sollte die Versicherungsbranche selbst einen Provisionsdeckel vorschlagen?

Nachdem nun auf politischer Ebene ein Verbot oder ein Deckel für Provisionen vom Tisch war, machte der BDVM das Fass wieder auf. Seine Idee für einen Provisionsdeckel schlägt jetzt auch bei LinkedIn hohe Wellen. Martin Klein von Votum hält in unserem Format Pro&Contra dagegen.

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14:06 Uhr | 11. Juni | 2024
Martin Klein, Votum, antwortet auf den Vorschlag zum Provisionsdeckel von Thomas Billerbeck, BDVM.

Martin Klein (links), Votum, antwortet auf den Vorschlag zum Provisionsdeckel von Thomas Billerbeck, BDVM.

| Quelle: Votum, BDVM

Kaum war das Provisionsverbot auf EU-Ebene gekippt, kommt das Thema aus ungeahnter Ecke wieder auf den Tisch: Thomas Billerbeck, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM), forderte auf einer Makler-Fachtagung vor etwa einer Woche für Lebensversicherungsprodukte eine Begrenzung der Abschlussprovision bei zusätzlich höheren laufenden Vergütungen. Diese Initiative hat seitdem hohe Wellen in der Versicherungsbranche geschlagen und viel Gegenwind geerntet - unter anderem auch auf LinkedIn, wo Billerbeck sich am Dienstag erneut zu dem Thema geäußert hat. In unserem Pro&Contra stellt er seinen Standpunkt nochmal dar. Votum-Präsident Martin Klein hält dagegen.

pro: "Die Branche ist selbst schuld, wenn ihr Vergütungssystem immer wieder zu einer ideologischen Debatte um ein Provisionsverbot wird."

Thomas Billerbeck, BDVM

Für die Abschlüsse bei Versicherungsverträgen wünschen wir uns als BDVM eine Begrenzung auf 25 Promille. Gleichzeitig sprechen wir uns für eine höhere laufende Vergütung aus. Für diese Forderung haben wir die Mehrheit unserer im Lebensversicherungsbereich tätigen Versicherungsmakler hinter uns. Bei einer Mitgliederbefragung zu dem Thema sprachen sich 54 Prozent der 160 Umfrageteilnehmenden für diesen Provisionsdeckel bei 25 Promille und der gleichzeitig höheren laufenden Vergütung aus.

Die Courtage bleibt die Leitvergütung des Versicherungsmaklers. Daher muss die Arbeit eines Versicherungsmaklers, die Beratung der Kunden, angemessen vergütet werden. Allerdings sehen wir auch, dass Übertreibungen und Fehlanreize zum Wohl der Versicherungsnehmer sowie zum Schutz der ordentlich arbeitenden Makler vermieden werden müssen. Mit einem Provisionsmodell, wie wir es jetzt vorschlagen, können beide Ziele erreicht werden.

Die Branche ist selbst schuld, wenn ihr Vergütungssystem immer wieder zu einer ideologischen Debatte um ein Provisionsverbot wird. Nur eine Kehrtwende in dieser Frage ermöglicht es der gesamten Branche, wieder selbst aktiv werden zu können und mitzuwirken. Auch angesichts der europäischen Diskussion im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie und der BaFin- Kritik führt kein Weg daran vorbei, dass die Vermittlerverbände eine gestaltende Rolle einnehmen. Der BDVM wird deshalb auf die anderen Vermittlerverbände zugehen und für eine gemeinsame Positionierung werben.

Es ist unsere Aufgabe, den Berufsstand der Makler und deren Reputation zu schützen. Leider sind es immer wieder die Abschlussprovisionen in der Altersversorgung, die unsere Branche in Verruf bringen. Mit Betreuungsübernahme neuer Mandanten durch unsere Mitglieder wird oft auch die Betreuung bestehender Altersversorgungsverträge übernommen, die ebenfalls neue Geschäftsvorfälle auslösen (AG-Wechsel, Arbeitslosigkeit, Scheidung, Wertmitteilung uvm.). Der neue betreuende Makler erhält aber oft keine laufende Vergütung – was aus unserer Sicht nicht gerecht ist.

Berufsstartende Makler haben in der Regel keinen Bestand. Sie können diesen aus zwei Arten der Courtage aufbauen – einerseits aus einer Abschlusscourtage von max. 25 Promille und andererseits aus laufender, stabiler Vergütung für die Bestandspflege. Dieses Splitting erhöht die Attraktivität des Berufes für junge Makler. Denn mit 25 Promille sind in der Regel die Einrichtungskosten gedeckt und langfristige Erträge können für das junge Unternehmen aufgebaut werden, die wiederum für die Betreuung der Kunden erforderlich sind.

Anstelle eines gesetzgeberischen Handelns werben wir für Eigeninitiative in der Branche. Sollte unser Vorschlag fruchten, würde die Versicherungsvermittlung nachhaltiger.

contra: „Die Forderung nach einem gesetzlichen Provisionsdeckel bleibt ein Irrweg!“

Martin Klein, Votum

Der Ruf des BDVM nach einem Provisionsdeckel erfolgt nicht nur zu Unzeit, er ist auch unnötig und bleibt ein ordnungspolitischer Irrweg. Es gibt tatsächlich nicht den einen Deckel, der für alle Vertriebswege passend ist. Gerade auch der BDVM hat in der letzten Deckeldiskussion vor fünf Jahren festgestellt, dass ein solcher Deckel gerade Versicherungsmakler und insbesondere die Gruppe der jungen Makler und Berufseinsteiger benachteiligt und für diese Markteintrittsbarrieren schafft. Die Politik hat damals bekanntlich auch aufgrund der gutachterlich bestätigten Verfassungsverstöße die Einführung eines Provisionsdeckels verworfen. Auch in der EU spielen solche Erwägungen keine Rolle und die scheidende EU-Kommissarin McGuinness hat früh erkannt, dass es für grundsätzliche Eingriffe in das bewährte Marktmodell der provisionsbasierten Vermittlung keine Mehrheiten gibt.

Es existieren inzwischen aufsichtsrechtliche Instrumente von EIOPA und BaFin im Rahmen der Wohlverhaltensaufsicht bei der Produktgestaltung von Lebensversicherungen. Diese befassen sich richtigerweise mit der Gesamtkostensituation und nicht lediglich isoliert mit der Regelung von Abschlussprovisionen. Warum dann ein Maklerverband nach einem Eingriff ruft, der sich ausschließlich auf Provisionsregelungen begrenzt, ist rätselhaft.

Staatliche Eingriffe in die Preisbildung sind bekanntlich nur dann verfassungsrechtlich begründbar, wenn ein allgemeiner Missstand gegeben ist. Von diesem kann tatsächlich nicht die Rede sein. Das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften hat bereits im Jahr 2018 festgestellt, dass die Provisionserlöse der Versicherungsvermittler unter Berücksichtigung des von ihnen zu erbringenden Aufwandes die Stundesätze einer Kfz-Fachwerkstatt nicht überschreiten. Der im Dezember 2023 veröffentlichte Cost‘s and Past Performance Report der EIOPA zeigt eindeutig, dass in der Lebensversicherung keine steigenden Produktkosten zu beobachten sind und Deutschland im europäischen Vergleich keineswegs mit einer hohen Kostenbelastung auffällig ist. Es braucht daher keinen Deutschen Sonderweg der Deckelung.

BDVM-Präsident Thomas Billerbeck hat seine Forderung über die Presse verkündet und mitgeteilt, dass er jetzt die anderen Vermittlerverbände fragt, was bis heute nicht geschehen ist. Wenn man kurz nach Amtsübernahme das Gefühl hat, man sei bei einem lang diskutierten Thema auf den Stein der Weisen gestoßen, empfiehlt es sich - bevor man diese Erkenntnis verkündet - die Echokammer der eigenen Wähler zu verlassen. Dann kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass die Auffassung von 87 saturierten Maklern bei über 184.000 registrierten Versicherungsvermittlern keine Mehrheit darstellt. Auch hier gilt die afrikanische Weisheit: Wenn Du schnell gehen willst, dann geh allein, wenn Du aber weit kommen möchtest, dann musst Du mit anderen zusammen gehen. Seine Weggefährten sollte man zudem nicht erst über die Presse suchen, wenn man schon losgelaufen ist.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser unnütze Vorstoß nunmehr schnell im Sande verläuft.