Kfz-Versicherung

Wann verstößt ein Versicherer gegen seine Beratungspflichten?

Auch in der Kfz-Versicherung kann es zu kostspieligen Missverständnissen kommen, wie ein Urteil aus dem Saarland zeigt. Vor Gericht ging es um die fehlende Neupreisentschädigung und vermeintliche Verstöße gegen die Beratungspflichten.

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11:10 Uhr | 14. Oktober | 2024
Ein zerstörtes Auto steht auf der Straße, zusammen mit Rettungs- und Polizeiwagen

Nach einem Totalschaden (Beispielbild) verlangte ein Kunde Entschädigung von seiner Kaskoversicherung. Über die ausbleibende Neupreisentschädigung gerieten beide Parteien schließlich in Streit.

| Quelle: Arctic-Images

Die Kfz-Versicherung ist ein Produkt von der Stange, bei dem man nicht viel falsch machen kann? Ein Urteil aus dem Saarland zeigt nun, wie wichtig Beratung auch beim Abschluss einer Kaskoversicherung sein kann. In diesem ging es auch um die Frage, wie weit die Beratungspflicht des Versicherers reicht.

Doch von Anfang an: Ein Vater hatte einen Renault Twingo erworben, den er im April 2019 auf sich zuließ. Die zunächst abgeschlossene Versicherung der Produktlinie „Vollkasko Premium“ war jedoch für die Zwecke der Familie nicht passend, da Fahrer unter 24 Jahren vom Versicherungsschutz ausgenommen sind, die knapp 20 Jahre alte Tochter das Fahrzeug ab Oktober jedoch mitbenutzen sollte.

Der Vater entschloss sich, die bestehende Versicherung zu kündigen und einen neuen Vertrag der Produktlinie „Comfortschutz“ abzuschließen. Der Vertragsabschluss erfolgte dabei online im September, ohne jegliche Beratung.

Der Vater übersah allerdings beim Abschluss den folgenden Passus zur Neupreiserstattung: 

„Wir erstatten den Neupreis des Fahrzeugs, wenn bei vereinbartem Comfortschutz innerhalb von 24 Monaten nach Vertragsbeginn eine Zerstörung, ein Totalschaden oder ein Verlust eintritt und der Zeitraum zwischen Erstzulassung des Fahrzeugs und Vertragsbeginn nicht mehr als einen Monat beträgt.“

Als das Fahrzeug ein Jahr später einen Totalschaden erlitt, zahlte der Versicherer entsprechend nicht den Neuwert von 13.670 Euro, sondern nur den Zeitwert – dies entsprach einer Differenz von rund 5.650 Euro.

Versicherungsnehmer reicht Klage ein

Daraufhin klagte der Versicherungsnehmer. Er erklärte, er sei davon ausgegangen, dass der Versicherungsschutz des „Comfortschutzes“ dem der „Vollkasko Premium“ entsprach. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen seien auf der Homepage zudem nicht einsehbar gewesen.

Zudem befand der Mann, dass die vorhandene Klausel zur Neupreisentschädigung gegen das Transparenzgebot verstoße und sich von den Bedingungen anderer Kfz-Versicherer unterscheide. Dem Internetauftritt des Versicherers sei zudem nicht zu entnehmen, dass sich der angegebene Zeitraum auf den Vertragsbeginn und nicht auf das Fahrzeugalter beziehe. Der Versicherungsnehmer war der Meinung, er sei folglich nicht hinreichend über die Abweichung von üblichen Neupreisentschädigungsklauseln informiert worden. Folglich habe der Versicherer gegen seine Beratungspflicht verstoßen.  

Der Versicherer hielt dagegen, dass der Hinweis zur Neupreisentschädigung dem Mann während seines Online-Antrags gleich zweimal zur Verfügung gestellt wurde – einmal über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und einmal über ein Merkblatt „Versicherungsschutz im Überblick“. Man sei also seiner Beratungspflicht nachgekommen.

Beratungspflicht auch im Fernabsatz

Dieser Auffassung folgte auch das OLG Saarbrücken (Az: 5 U 91/23, Urteil vom 4. September 2024). Zwar hat der Versicherer auch im Fernabsatz eine Beratungspflicht – allerdings nur, wenn es dafür einen konkreten Anlass gibt.

Ein solcher Anlass kann bestehen, wenn der Versicherungsnehmer offensichtlich falsche Vorstellungen vom Versicherungsschutz hat. Dafür hatte der Versicherer jedoch keine Anzeichen, stellte das Gericht fest – obwohl der Mann einen Tarif auswählte, bei dem die Neuwertentschädigung für das versicherte Fahrzeug ausfiel. Dass sich der Mann jedoch für den besagten Tarif entschied, habe aus Sicht des Versicherers mannigfaltige Gründe haben können. Dass die Neuwertentschädigung seine Motivation war, war aus Sicht des Versicherers nicht ersichtlich.

Da aus den Vertragsbedingungen klar die Bedingungen für die Neuwertentschädigung hervorgingen, hat der Versicherer seine Beratungspflichten nicht verletzt.

Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.