Grüne Transparenz – Was jetzt zu tun ist

Seit dem 10. März muss die Finanzbranche offenlegen, wie sich ihr Geschäft mit der Nachhaltigkeit verträgt. Auch Vermittler von Fonds und Fondspolicen müssen sich nun klar positionieren. Ein Überblick über die neuen Anforderungen

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13:03 Uhr | 11. März | 2021

Am 10. März trat die EU-Offenlegungsverordnung in Kraft. Auch viele Versicherungsvermittler und alle Finanzanlagevermittler sind betroffen. procontra gibt einen Überblick, welche Anforderungen die Finanzbranche erfüllen muss und wie Vermittler sie umsetzen können.  

Darum geht's  

Die Offenlegungsverordnung – in Englisch: Sustainable Finance Disclosure Regulation – zwingt die Finanzbranche zu mehr Transparenz rund um das Thema Nachhaltigkeit. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ darf nicht mehr nach Belieben verwendet werden, um zum Beispiel „grüne“ Investmentfonds oder „grüne“ Fondspolicen werbewirksam vermitteln zu können.  

Die Verordnung ist Teil des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen. Im Zusammenspiel mit dem Klassifizierungssystem für nachhaltige Geschäftsaktivitäten, der sogenannten Taxonomie-Verordnung, ist das Regelwerk ein gigantisches Regulierungsprojekt. Die Idee dahinter: In der Annahme, dass viele Anleger ein nachhaltiges Produkt einem nichtnachhaltigen Produkt vorziehen, soll reichlich Kapital in ökologische und soziale Investments fließen.  

Diese Produkte werden reguliert  

Die Verordnung bezieht sich nur auf Anlageprodukte, also insbesondere auf Investmentfonds und Versicherungsanlageprodukte, aber auch auf die betriebliche Altersvorsorge und die neue „Europarente“ (Pan-European Personal Pension Product, PEPP).  

Betroffene Vermittler und Unternehmen  

Das Regelwerk unterscheidet zwischen Finanzmarktteilnehmern und Finanzberatern. Zu ersteren gehören Lebensversicherer, Fondsverwalter und Portfolioverwalter. Zu den Beratern zählt die EU-Banken, Wertpapierfirmen und Versicherungsvermittler. Letztere sind nur betroffen, wenn sie Versicherungsanlageprodukte, wie zum Beispiel Fondspolicen, vermitteln.  

Noch nicht klar ist, ob das Regelwerk auch für Finanzanlagenberater mit 34f-Zulassung gilt. In Deutschland sind 34f-ler vom Status einer Wertpapierfirma ausgenommen. Der von der EU verwendete Begriff Finanzberater sowie der Zweck der gesamten Verordnung sprechen jedoch für eine gewollte Einbeziehung. Die Finanzdienstleisterverbände AfW und Votum empfehlen daher „mit Nachdruck“ auch 34f-Vermittlern die Anwendung. Ausgenommen sind nur Büros mit weniger als drei Beschäftigten.  

Beratungsprozess erst 2022 reguliert  

Die Offenlegungsverordnung hat auch Auswirkungen auf die MiFID II-Durchführungsverordnung und damit den Anlageberatungsprozess. Noch wird an einer „grünen“ Ergänzung der Finanzmarktrichtlinie gearbeitet. Aber wohl erst im Verlauf des Jahres 2022 müssen in der Anlageberatung die Nachhaltigkeitswünsche des Kunden abgefragt werden.  

Neue Systematik für Nachhaltigkeit  

Prinzipiell definiert die Offenlegungsverordnung zwei verschiedene nachhaltige Produkte. Nach Artikel 8 gibt es hellgrüne Produkte, die ökologische und soziale Merkmale sowie eine gute Unternehmensführung (ESG) berücksichtigen. Die dunkelgrünen Impact-Produkte nach Artikel 9 verfolgen ganz konkret ein Nachhaltigkeitsziel wie etwa die Reduktion von CO2-Emissionen. Außerhalb dieser beiden Kategorien ist es nicht mehr zulässig, ein Finanzprodukt als nachhaltig zu bewerben.  

Das muss offengelegt werden  

Neu ist auch die Verpflichtung für Vermittler, ihren Kunden mitzuteilen, wenn Investitionsentscheidungen nachteilige Auswirkungen für die Umwelt haben – und damit auf die Rendite.  

Konkret unterscheidet Brüssel zwischen Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren. Ein Nachhaltigkeitsrisiko ist laut Verordnung „ein Ereignis (…) in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, dessen (…) Eintreten tatsächlich oder potenziell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition könnte.“ Beispiele: Extremwetter infolge des Klimawandels erschwert den Transport von Waren. Das drückt die Rendite.  

Unter Nachhaltigkeitsfaktoren sind „Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung“ zu verstehen. Offenzulegen sind die negativen Auswirkungen auf diese Faktoren.  

Ferner müssen die Kunden darüber informiert werden, wie das Thema Nachhaltigkeit in den Vergütungssystemen berücksichtigt wird.  

So soll Transparenz erreicht werden  

Lebensversicherer, Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter müssen in vorvertraglichen Informationen, Produktprospekten, Jahresberichten und auf ihrer Homepage erklären, wie sie auf Unternehmens- und auf Produktebene mit Umwelt-, Sozial- und Führungsthemen umgehen. In der Praxis bedeutet das, dass zum Beispiel jeder Verkaufsprospekt aktualisiert werden muss – egal, ob es sich um ein nachhaltiges Produkt handelt oder nicht.

Finanzberater müssen auf ihrer Internetseite für Transparenz bei den Nachhaltigkeitsrisiken, den Nachhaltigkeitsfaktoren und der Vergütung für die Vermittlung von Anlageprodukten angeben. Daraus folgern AfW und Votum: Wer keine Internetseite hat, ist auch nicht in der Pflicht. Wichtig: Sofern ein Vermittler irgendwo Marketingaussagen tätigt, dürfen diese nicht im Widerspruch zu den verwandten Informationstexten stehen. Ein Vermittler darf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit ablehnen, muss dies aber transparent machen und begründen.

Praktische Hilfe für Vermittler

Die folgenden Formulierungsvorschläge zur Umsetzung der Pflichten aus der Offenlegungsverordnung gelten für Vermittler von Versicherungsanlagenprodukten und/oder Versicherungsanlageprodukten und folgen den Empfehlungen von AfW und Votum. Den ausführlichen Leitfaden finden Sie hier.

Um Vermittlern eine Orientierung zu geben, hat auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) zusammen mit Matthias Beenken, Professor für Versicherungswirtschaft an der Fachhochschule Dortmund, eine Checkliste erarbeitet. Interessierte finden Sie hier.