„Kunden sind bereit für nachhaltige Produkte mehr zu zahlen“

Hausrat, Wohngebäude, Kfz. Wie grün soll die Police sein? Und wo fängt Greenwashing an? Beratungsmarathon für Makler, aber auch eine Langstrecke für die Assekuranz. Das Nachhaltigkeitsrating der Greensurance Stiftung versteht sich hier als Kompass. Mitinitiatorin Anna Schirpke dazu im Interview.

09:05 Uhr | 20. Mai | 2022

procontra: Keiner der 19 analysierten Sachversicherer hat die Greensurance-Vorgaben zur Nachhaltigkeit erfüllt. Nicht einmal zur Hälfte. Hatten Sie das so erwartet?

Anna Schirpke: Anders als viele andere Branchen hat sich die Assekuranz in den vergangenen Jahrzehnten nicht mit ihrer Nachhaltigkeit beschäftigt und war auch sehr lange nicht dazu bereit. Einen Marathon läuft man auch nicht aus dem Stehgreif. Insofern überrascht es nicht, dass keine 80 oder 90 Prozent erreicht wurden. Zugleich zeigt sich eine große Spreizung: Der Erstplatzierte kam auf über 40 Prozent, der Letzte auf zehn Prozent.

procontra: Haben Sie schon eine Resonanz – auch von solchen Gesellschaften, die im Rating nicht vertreten waren?

Schirpke: Es gab ein positives Echo von verschiedener Seite – durchaus mit dem Wunsch, demnächst dabei zu sein. Aber auch weil Versicherer durch diesen Blick von außen lernen können und für ihr Nachhaltigkeitsstreben intern nun mehr Gehör finden. Wir haben uns beim Rating ihre Webseiten angeschaut sowie Berichte und weitere Infos, auf die man als Kunde oder Makler stößt – wenn man nach der Gesellschaft und ihrer Nachhaltigkeit googelt: Was findet man da schnell und gut aufbereitet? Grüne Produkte sind dort oftmals nicht so präsent, wie man es sich wünscht. Nachholbedarf besteht auch bei der Produktpalette selbst.

procontra: Welche Anforderungen stellen Sie an grüne Produkte und wie stellt sich das in den insgesamt rund 300 Nachhaltigkeitskriterien dar?

Schirpke: Wichtig waren uns Mehrleistungen für nachhaltigen Schadenersatz. Das heißt die Anwendung des Prinzips: Ersatz durch Geräte „nachhaltig besserer Art und Güte“ statt bisher „gleicher Art und Güte“. Das können etwa Kühlschrank oder Waschmaschine sein, die nach einem Brand in der höchsten Effizienzklasse ersetzt werden. Neben der Mehrkostenübernahme für klimafreundliche Ersatzgeräte haben wir auch solche Indikatoren abgefragt wie die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitssiegeln. Oder die Möglichkeit der Reparatur statt Neuanschaffung und daraus resultierende Ökorabatte für nachhaltiges Handeln. In der Wohngebäudeversicherung kommen Hochwasserpass und Energieberatung dazu.

procontra: Hochwasserpass?

Schirpke: Wenn der Versicherer sich hier an den Kosten beteiligt, wäre das eine Win-Win-Situation. Für den Kunden, weil der Pass ja aussagt: Wie gefährdet ist sein Haus? Und welche Schutzmaßnahmen kann er ergreifen? Für den Versicherer, weil der Kunde sein Risiko mindert. Die andere Möglichkeit: Rabatt für Präventionsmaßnahmen.

procontra: Inwiefern hat Greenwashing beim Rating eine Rolle gespielt?

Schirpke: Lediglich ein grünes Produkt herausbringen, aber sonst nichts ändern an der Strategie des Unternehmens oder auch bei der Kapitalanlage und dem Umgang mit den Mitarbeitern: Das wäre nicht im Sinne des Erfinders. Solche Unwuchten kann unsere Analyse sehr gut aufzeigen und von daher auch, inwiefern Nachhaltigkeit eben noch nicht ganz verstanden wurde.

Mit unseren 315 Einzelindikatoren beugen wir Greenwashing auch ganz bewusst vor. Wir prüfen Nachhaltigkeitsmerkmale entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

procontra: Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Öko-Add-Ons wie Spenden für einen grünen Zweck oder einen Baum pflanzen?

Schirpke: Einen Baum pflanzen ist nett, aber bei Weitem nicht ausreichend. Die Assekuranz wird schnell lernen, dass zu einem nachhaltigen Versicherungsprodukt deutlich mehr gehört. An den 43 Milliarden Euro Schadenzahlungen der deutschen Versicherer, allein in 2020, sieht man, welche Hebel sich auch in der Produktgestaltung beziehungsweise Schadenregulierung noch aktivieren lassen.

procontra: Der Idealfall wäre, das topgrüne Produkt wäre auch top vom Preis-Leistungs-Verhältnis her. Ob sich beides deckt wurde aber im aktuellen Rating nicht überprüft?

Schirpke: Das wäre dann ein Produktrating. Wir haben ein Unternehmens-Rating für Sachversicherungen gemacht. Grundsätzlich würde ich schon davon ausgehen, dass Kunden durchaus bereit sind, für ein nachhaltiges Produkt, das ihren Werten entspricht, auch etwas mehr zu zahlen. Das ist bekanntlich auch die Erfahrung bei Biolebensmitteln.

procontra: Wie können Makler in der Beratung mit dem Rating arbeiten?

Schirpke: Für eine schnellen Überblick zur Nachhaltigkeit von Versicherungen, auch in Teilbereichen, ist die frei verfügbare Version gedacht. Ähnlich einem „Wetterbericht“ sind dort viele Infos eingeflossen und in einem Ranking auf den Punkt gebracht. Die tiefergehende Variante ist kostenpflichtig und zeigt Maklern grüne Produktgeber auf. Über Filteroptionen lassen sich die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden unkompliziert in das Beratungsgespräch einbeziehen.

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