Nachhaltigkeit: „Makler müssen ihre eigene Hemmschwelle überwinden“
procontra: Vor rund zwei Jahren sind Sie mit Ihren ‚bessergrün‘-Versicherungen gestartet: Klimaneutrale Schadenregulierung, dafür etwas höhere Prämien. Kann man das so zusammenfassen?
Henning Bernau: Tatsächlich kosten die ‚bessergrün‘-Tarife ein bis zwei Prozent mehr als unsere normalen Tarife. Aber mit diesem Aufpreis finanzieren wir einfach den Baum quer, den wir für jeden Vertragsabschluss pflanzen. Im allgemeinen Zug der steigenden Rohstoffpreise sind auch unsere Kosten für die Bäume gestiegen. Außerdem reicht es nicht, sie nur zu pflanzen. Das machen wir übrigens unter anderem mit den Landesforsten der einzelnen Bundesländer zusammen. Dort hat man das Wissen, worauf es ankommt, damit der Baum nicht nach zwei Jahren schon hinüber ist. Es braucht eine Nachpflanzgarantie, Einzäunungen, Verbissschutz und ein wirtschaftliches Verwertungsverbot für mindestens 50 Jahre. Wenn wir Ihnen erzählen, wir pflanzen Bäume zur CO2-Kompensation und schon nach 30 Jahren machen wir daraus Möbelholz, dann ist das Greenwashing.
procontra: Wie stark beeinflussen Bewegungen wie Fridays for Future und das allgemeine Interesse der Jugend an Klimaschutzthemen Ihr Geschäft bei ‚bessergrün‘? Oder ist das eher nicht Ihre Zielgruppe?
Bernau: Wir bemerken auf jeden Fall eine geringere Stornoquote unter den ‚bessergrün‘-Kunden. Ich schätze, das liegt einfach daran, dass diese Menschen unsere nachhaltigen Versicherungen aus Überzeugung abgeschlossen haben und eben nicht zur nächsten Hauptfälligkeit wechseln, weil sie dann zwei Euro sparen können. Aber wir sehen es auch am Alter der Kunden: Es sind viele Studenten dabei. Wir haben aber genauso viele 40- und 60-Jährige, die von der Bewegung mitgenommen werden und in einem Folgeschritt unsere Policen abschließen.
procontra: Wirken sich Ereignisse, die auf den Klimawandel aufmerksam machen, zum Beispiel ein Dürresommer oder die kürzliche Flutkatastrophe, direkt auf die Nachfrage nach Ihren ‚bessergrün‘-Policen aus oder sorgen solche Ereignisse eher für einen langfristigen Effekt?
Bernau: Sicherlich kann man nach Katastrophen einen kleinen Effekt sehen. Das ist aktuell sehr stark in der Elementarnachfrage zu erkennen. Gleiches gilt in geringerem Ausmaß auch bei unseren nachhaltigen Produkten. Das ist aber im Grunde ein anderer Effekt: Durch die Katastrophe informieren sich die Kunden dann über Nachhaltigkeit und erkennen plötzlich die Möglichkeit, sich nachhaltig zu versichern. Also eine eher mittelbare Verknüpfung. Daher geht es doch durchaus mehr um den langfristigen Effekt. Es bedarf einer langfristigen Informationskampagne. Aktuell ist die Verknüpfung zwischen Versicherung und Nachhaltigkeit noch relativ gering. Anders beispielsweise bei Ökogas oder Ökostrom. Dort war noch vor circa 15 Jahren das Wissen über solche Möglichkeiten gering. Diesen Effekt verspreche ich mir auch beim Thema Nachhaltigkeit im Bereich der Sachversicherungen. Sind wir 2014 noch belächelt worden, werden wir nunmehr innerhalb von circa zwei Jahren bereits den 100.000. Baum überschreiten und wir sind noch am Anfang.
2.000 Euro extra bei Totalschaden
procontra: Neben dem Zusatzbaustein Elementar – welche Policen werden bei Ihnen am stärksten als ‚bessergrün‘-Varianten nachgefragt?
Bernau: Besonders der Bereich Hausrat zieht im grünen Bereich an. Dort sind neben den Themen ökologischer Beitrag und nachhaltige Kapitalanlage insbesondere die Mehrleistungen im Schadenfall von großer Bedeutung. Der Kunde kann an plakativen Beispielen erkennen, wie er sogar im Schadenfall von der nachhaltigen Variante profitiert.
procontra: Bitte nennen Sie mal ein paar dieser Beispiele.
Bernau: In der Kfz-Versicherung erhält der Kunde im Falle eines Totalschadens noch 2.000 Euro extra, wenn er sich anschließend ein Elektro- oder Wasserstofffahrzeug anschafft. In Hausrat und Wohngebäude: Wenn der Kunde sich anschließend besserstellt und sich die beschädigten Geräte in der höchsten Energieeffizienzklasse anschafft, übernehmen wir bis zu 60 Prozent der Mehrkosten. Das kann auch eine ganz neue Heizungsanlage sein, bei der durch die Mehrleistungen schnell einige tausend Euro zusammenkommen.
procontra: Wie läuft denn der Absatz Ihrer grünen Policen über Makler?
Bernau: Sehr, sehr gut. Es gibt natürlich auch welche, die das gar nicht ansprechen. Das sieht man sofort an den Zahlen. Aber bei Maklern, die einmal den Zugang zu diesen Produkten gefunden haben, geht der grüne Anteil an den vermittelten Policen ganz stark nach oben.
procontra: Wie können Makler ‚bessergrün‘-affine Kunden ausfindig machen und am besten ansprechen?
Bernau: Einfach mal nur kurz antesten und nachfragen. Hier gilt es, die eigene Hemmschwelle dieses vermeintlich politischen Themas zu überwinden. Eigentlich ist es meistens sinnvoll, den Kunden in der Beratung nicht auf Politik anzusprechen. Aber das Thema Umweltschutz ist gar kein politisches, sondern ganz allgemein ein gesellschaftliches. Jedenfalls kann man als Berater sehr schnell feststellen, ob der Kunde von diesem Thema nichts wissen will oder ob er interessiert ist. Und das werden immer mehr. Wenn wir diese ‚grünen‘ Versicherungen zukünftig auch noch zum gleichen Preis anbieten können, dann haben alle gewonnen. Da wollen wir hinkommen.
procontra: Was haben Sie vor, um den Absatz von ‚bessergrün‘-Policen über Makler und Maklerpools noch auszubauen?
Bernau: Wir müssen die Makler und Pools insbesondere bei der Ansprache der Kunden unterstützen. Wir müssen Ihnen die Materialen von Pflanzungen, Informationen zu den Wäldern et cetera einfach und direkt zur Verfügung stellen, damit diese an die Kunden weitergeleitet werden. Damit entsteht die Bindung des Kunden zu den jeweiligen Projekten. Es ist das eine, dem Kunden eine nachhaltige Versicherung näher zu bringen. Aber den Kunden abzuholen und ihn in regelmäßigen Abständen zu informieren, was genau er mit dieser Versicherung bereits bewirkt hat, das muss das Ziel sein. Darüber hinaus sind wir für zahlreiche Projekte direkt mit Maklern und Pools offen. Sei es, eigene Wälder oder Projekte zu initiieren. Solange es wirklich nachhaltig ist, können wir uns alles vorstellen.
procontra: Hypothetisch gefragt: Klimaneutrale Schadenregulierung, Bäume pflanzen, Kapitalanlagen nach ESG-Kriterien – ist damit das Ende der Fahnenstange schon erreicht oder können Versicherungen noch nachhaltiger werden? Etwa durch harte Regeln, wie einen Zeichnungsstopp für SUVs in Kfz oder neue Gebäudeversicherungen nur noch für Energiesparhäuser?
Bernau: Wir wollen mit ‚bessergrün‘ niemandem etwas verbieten, sondern die Möglichkeit schaffen, sich in dem jeweiligen Rahmen ökologisch zu engagieren. Wenn jeder nur das ihm mögliche angeht, wären wir schon extrem weit. Es wird aber auch eine stetige Entwicklung sein. Wer sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt, entsprechende Produkte entwickelt und sagt ‚Das wars‘ handelt nicht wirklich nachhaltig. Es geht darum, stetig seine ökologische Anstrengung zu hinterfragen. Das ist auch das Spannende an bessergrün: Wir entwickeln uns von Jahr zu Jahr weiter. Das beginnt schon bei den jeweiligen Versicherungssparten. Bei jeder Neuauflage überprüfen wir unseren aktuellen Stand und gehen mit unseren Vertriebspartnern in den Austausch, was wir besser und nachhaltiger gestalten können. Weiter geht es über den eigenen ökologischen Fußabdruck und den des Unternehmens bis zu jedem einzelnen ökologischen und sozialen Projekt. Wie schon gesagt: Wir stehen aus meiner Sicht erst am Anfang. In zehn Jahren wird ‚bessergrün‘ mit der heutigen Marke nicht mehr zu vergleichen sein.
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