Öko-Rating: Schadenversicherer haben großen Nachholbedarf
Der Anspruch, nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu konsumieren und zu erschaffen, steigt rasant. Das gilt für Verbraucher als auch für Gewerbetreibende. Immer mehr Privat- und Firmenkunden ist es deshalb wichtig, dass auch ihr Versicherungsschutz nach ESG-Kriterien funktioniert.
„Bei Versicherern wird bei der Bewertung ihrer Nachhaltigkeit häufig auf die enormen Kapitalanlagen geblickt, aber kaum auf die zig-Milliarden-schwere Schadenregulierung“, sagte am Mittwoch Marcus Reichenberg auf einer Online-Pressekonferenz. In deren Rahmen stellte der Geschäftsführer der Greensurance-Stiftung die Ergebnisse eines neuen Ratings vor, dass zusammen mit der Hochschule für Technik Stuttgart (HFTS) und dem Zentrum für Nachhaltiges Wirtschaften und Management erstellt wurde. Das Ziel des sogenannten NATIVE-Ratings: Die nachhaltigsten Schadenversicherer bestimmen.
So wurde bewertet
Dafür untersuchte das Team insgesamt 19 deutsche Schadenversicherer (explizit nicht die gesamten Konzerne, also ohne die Sparten Leben und Kranken). Die relativ geringe Teilnehmerzahl war durch das Projektbudget bedingt. Finanziell gefördert wurde NATIVE die letzten zwei Jahre lang von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). „Mit der DBU war im Rahmen des Budgets vereinbart, zehn bis 20 Schadenversicherer ins Rating mit einzubeziehen“, sagte Projektleiter Robin Geisler während der Online-Präsentation. Dabei wollten die Studienautoren für eine Mischung aus Klima-Vorreitern, großen Konzernen und kleinen Versicherern sorgen.
Bewertet wurden die Schadenversicherer in sieben Kategorien, die wie folgt gewichtet wurden: Klima (25 Prozent), Produkt und Schaden (25 Prozent), Kapitalanlage (15 Prozent), gute Unternehmensführung (Governance, 15 Prozent), Soziales (7,5 Prozent), Ökonomie (7,5 Prozent) und Umweltressourcen (5 Prozent). Über 300 Einzelindikatoren seien dabei in das Rating eingeflossen, heißt es. Beispielsweise wurde bewertet, ob und in welchem Ausmaß Versicherte etwa bei einem Hausratschaden ein klimafreundlicheres Ersatzgerät erhalten oder ob die Produkte generell dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu verringern. Als Datenbasis dienten sowohl frei zugängliche Informationen über die Unternehmen als auch eine Online-Befragung.
Kein Versicherer schafft 50 Prozent der Vorgaben
Umweltfreundliches Handeln und nachhaltige Schadenregulierung seien nicht nur von den Kunden gewünscht, sondern auch im Eigeninteresse der Versicherer, sagte der am Projekt beteiligte Prof. Dr. Tobias Popovic von der HFTS. Schließlich müssten die Versicherer durch die Wetterextreme und Naturkatastrophen zunehmend höhere Leistungen erstatten.
Am besten macht das aus Sicht der Studienautoren die Ostangler Versicherung. Sie erreichte 42,17 Prozent der Rating-Punkte. Mit der Bekanntgabe konstatierte NATIVE, dass sie bei der Bewertung der Versicherer ehrgeizige, aber machbare Ziele definiert hätten. Dennoch konnte keines der 19 Unternehmen diese auch nur zur Hälfte erfüllen. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Schwarzwälder Versicherung (38,72 Prozent) und die Waldenburger Versicherung (37,81 Prozent). Die weiteren Plätze belegten:
Barmenia (36,59 Prozent)
R+V (35,45 Prozent)
Allianz (33,93 Prozent)
Axa (30,50 Prozent)
Zurich (28,37 Prozent)
Generali (27,19 Prozent)
Huk-Coburg (26,07 Prozent)
Ergo (25,38 Prozent)
Württembergische (25,26 Prozent)
Itzehoer (23,59 Prozent)
Bayerische Allgemeine (20,20 Prozent)
VRK Sachversicherung (18,52 Prozent)
NV Versicherung (17,19 Prozent)
GVO Oldenburg (13,92 Prozent)
Versicherungskammer Bayern (12,60 Prozent)
VHV (10,15 Prozent)
Die schwache Platzierung der NV Versicherungen überrascht, da sich das Unternehmen mit seinen „bessergrün“-Tarifen seit Jahren als sehr umweltfreundlicher Produktgeber präsentiert. Diesen Aspekt hätten die Studienautoren zwar berücksichtigt, die NV hätten aber zum Beispiel keinen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, erklärte man auf procontra-Nachfrage. NATIVE wolle die Versicherer dazu ermuntern, „Gutes zu tun und darüber zu reden“, so Projektleiter Geisler. Das Rating soll in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Weitere Informationen dazu finden sich unter nativerating.de.
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