PKV oder GKV? Politik erlaubt weitere Alternative

Solidargemeinschaften versprechen solidarische Hilfe im Krankheitsfall und werden durch ein neues Gesetz gestärkt. Der PKV-Verband kritisierte die Entscheidung als unverantwortlich.

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12:06 Uhr | 04. Juni | 2021
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Seit dem 1. Januar 2009 gilt in Deutschland die allgemeine Krankenversicherungspflicht: Jeder Mensch, der in Deutschland seinen Wohnsitz hat, muss krankenversichert sein – gesetzlich, privat oder anderweitig. Was unter anderweitig zu subsumieren war, blieb über die vergangenen Jahre strittig. Bis Anfang Mai, als der Bundestag zum Digitale-Versorgung-und-Pflegegesetz seine Zustimmung erteilte und damit sogenannte Solidargemeinschaften als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall anerkannte. Dies berichtet die Ärzte-Zeitung. Laut der Börsen-Zeitung hat mittlerweile auch der Bundesrat den Gesetzentwurf abgesegnet.

Die Idee, sich per Solidargemeinschaft zu versichern, ist nicht neu und geht bis zur Gründung der ersten berufsständischen Unterstützungskassen in die 1920er und 30er-Jahre zurück. Die Gemeinschaften verstehen sich dabei als solidarische Alternative zu privaten und gesetzlichen Krankenversicherern, bei der die Mitglieder die jeweils die für sie am geeignetsten erscheinende Behandlungsform wählen können. Ein klar definierter Leistungskatalog, der beispielsweise homöopathische Gesundheitsleistungen ausschließt, besteht folglich nicht.  

Beiträge nach Einkommen und Kinderzahl gestaffelt

Die zu zahlenden Beiträge werden dabei nach Einkommen und Kinderzahl gestaffelt – keine Rolle spielen hingegen Alter und Gesundheitszustand der Versicherten. Bei einem Einkommen zwischen 2.500 und 3.000 Euro zahlt ein Erwachsener ohne Kinder bei der Bremer Solidargemeinschaft „Samarita“ beispielsweise 440 Euro an Beiträgen, mit bis zu 3 Kindern werden 500 Euro im Monat aufgerufen. Höchstgrenze bei der Einkommensberechnung sind 8.000 Euro: Ab diesem Monatseinkommen werden für einen einzelnen Erwachsenen 500 Euro fällig. Eine Familie, bestehend aus zwei Erwachsenen und mehr als zwei Kindern, zahlt 1.100 Euro – der maximale Beitragssatz.  

Die Hälfte des Beitrags wandert dabei auf ein persönliches Individualkonto, aus dem die Regelausgaben für Behandlungen bezahlt werden. Die andere Hälfte wandert auf ein Solidarkonto, von dem aufwendigere Therapien bezahlt werden. Da die Zahl der in den einzelnen Solidargenossenschaften Versicherten zumeist relativ gering ist – deutschlandweit sollen gerade einmal 20.000 Menschen Mitglied einer Solidargenossenschaft sein – drohen aufwendige und langfristige Therapien dennoch, die finanziellen Möglichkeiten der Genossenschaften zu übersteigen. Für diese Fälle sei man rückversichert, gibt beispielsweise die „Samarita“ an.  

„In jedem Fall gewährleistet die Samarita mindestens das Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenkassen“, verspricht die Gemeinschaft auf ihrer Webseite. Dazu ist sie laut des jüngst beschlossenen Digitale-Versorgung-und-Pflegegesetz auch verpflichtet, will sie als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des Paragraphen 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V anerkannt werden.

„Die in Absatz 1 genannten Solidargemeinschaften sind ihren Mitgliedern zur Gewährung von Leistungen verpflichtet, die der Art, dem Umfang und der Höhe nach den Leistungen dieses Buches entsprechen“, heißt es hier. Zudem müssen die Solidargenossenschaften alle fünf Jahre ein versicherungsmathematisches Gutachten beim Bundesgesundheitsministerium einreichen, um ihre dauerhafte Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.  

Kritik vom PKV-Verband

Trotz der geringen Mitgliederzahl der Gemeinschaften kritisiert der PKV-Verband laut Ärztezeitung den politischen Beschluss als unverantwortlich. „Die Versichertengemeinschaften der GKV und der PKV tragen jetzt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit einer Solidargemeinschaft.“ Sollte eine dieser Gemeinschaften finanziellen Schiffbruch erleiden, müssten deren Mitglieder von den privaten Versicherern und den gesetzlichen Kassen aufgenommen werden – obwohl sie niemals Beiträge gezahlt hätten.  

Allerdings dürften die Kassen auch die unliebsame Konkurrenz fürchten. Insbesondere ältere Versicherte könnten ihre steigenden PKV-Beiträge zum Anlass nehmen, in eine Solidargemeinschaft zu wechseln. Urban Vogel, Vorsitzender des Dachverbands der Solidargemeinschaften, sprach gegenüber der Ärzte-Zeitung von einem zuletzt spürbar steigenden Interesse – von einem Mitgliederboom könne hingegen keine Rede sein. Den beabsichtige man aber auch gar nicht, erklärte Vogel. Schließlich gehe es darum, die gegenseitige Sichtbarkeit innerhalb der Gemeinschaften zu erhalten.