Gerichtsurteil

Unangenehme Überraschung für die Allianz bei Streit um Rentenfaktoren

Der Streit um gekürzte Rentenfaktoren in fondsgebundenen Rentenversicherungen ist um ein Kapitel reicher. Nachdem die Allianz im vergangenen Jahr noch einen juristischen Sieg verbuchte, gibt es nun Gegenwind. Weitere Urteile dürften folgen.

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14:08 Uhr | 07. August | 2024
Fahnen der Allianz Versicherung

Im Streit um gekürzte Rentenfaktoren in einer fondsgebundenen Rentenversicherung kassierte die Allianz vor dem Amtsgericht Reinsbek nun eine Niederlage.

| Quelle: Allianz

Die Allianz hat im Streit um gesenkte Rentenfaktoren eine Niederlage einstecken müssen. So entschied im Juli das Amtsgericht Reinbek (Az: 14 C 473/23, Urteil vom 10. Juli 2024) jüngst gegen den Versicherungsriesen und zu Gunsten des klagenden Versicherungsnehmers.

Dieser hatte beklagt, dass die Allianz bei seinem fondsgebundenen Riester-Vertrag während der Vertragslaufzeit im Jahr 2017 den sogenannten Rentenfaktor abgesenkt hatte. Dieser sagt vereinfacht aus, wie viel Geld der Versicherungsnehmer aus seinem angesparten Vertragsguthaben erhält.

Rentenfaktor zweimal gesenkt

Im vorliegenden Fall lag der Rentenfaktor bei Vertragsschluss bei 35,76. Je 10.000 Euro Vertragsguthaben ergibt sich für den Kunden somit eine Rente in Höhe von 35,76 Euro. Im April 2017 teilte die Allianz ihrem Kunden allerdings mit, dass der Rentenfaktor auf 30,44 gesenkt werde. Vier Jahre später, im Januar 2021, erfolgte eine abermalige Absenkung des Rentenfaktors auf 27,93. Die Allianz begründete diese Schritte damit, dass die Bundesregierung den Höchstrechnungszins ebenfalls zweimal abgesenkt hatte. Gleichzeitig kündigte sie an, den Rentenfaktor gegebenenfalls wieder zu erhöhen, sofern sich dieser bei Rentenbeginn aus den maßgeblichen Rechnungsgrundlagen ergebe.

Der Kunde klagte jedoch gegen die Absenkungen und bekam vor dem Amtsgericht Reinbek schließlich auch Recht. Dieses befand die Vertragsbedingungen, die eine Absenkung des Rentenfaktors unter bestimmten Voraussetzungen vorsahen, als unwirksam, da diese den Kunden unangemessen benachteiligen.

Die Klausel, so das Gericht, regele nämlich nur die Herabsenkung des Rentenfaktors, nicht aber die Erhöhung. „Anpassungsklauseln dürfen nicht nur bei Äquivalenzstörungen zulasten des Versicherers eine Anpassung vorsehen. Vielmehr müssen sie das vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in beide Richtungen wahren“, befand das Gericht.

Zwar habe der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, einmal im Jahr eine Zuzahlung zu leisten und damit auch für die künftigen Jahre den vereinbarten Beitrag erhöhen konnte. Dies wertete das Amtsgericht Reinbek jedoch nicht als ausreichende Kompensation zu Gunsten des Versicherungsnehmers.

Dies ist interessant, da das Landgericht Stuttgart (Az: 53 O 214/22) im vergangenen Jahr diesen Punkt anders beurteilt. Damals hatte die Allianz juristisch den Sieg davongetragen, da das Landgericht unter anderem die Möglichkeit zur Zuzahlung als ausreichende Kompensation beurteilte. Der Kunde sei somit, auch wenn der Versicherer den Rentenfaktor senken konnte, nicht unangemessen benachteiligt.

Keine einheitliche Rechtssprechung

 Das Urteil aus Reinbek unterstreicht, wie umstritten die Absenkung der Rentenfaktoren durch die Lebensversicherer ist. Eine einheitliche Rechtsprechung zeichnet sich bislang nicht ab. So hatte zunächst das Landgericht Köln im Streit eines Kunden mit der Zurich Versicherung zu Gunsten des Versicherungsnehmers entschieden. Der Kunde war in dem Verfahren von der Bürgerbewegung Finanzwende unterstützt worden.  Die Zurich hatte sich schließlich dem Urteil gefügt und eine Berufung hiergegen zurückgezogen.

Die Allianz, die ebenfalls entsprechende Klauseln zur Rentenfaktor-Senkung in vielen ihrer Verträge aufweist, siegte im Anschluss jedoch wie erwähnt vor dem Landgericht Stuttgart. Mit dem Urteil aus Reinbek wird nun aber noch einmal deutlich, wie unterschiedlich die umstrittenen Klauseln seitens der Gerichte beurteilt werden.

Weitere Urteile werden folgen. So berichtet die Rechtsanwaltskanzlei Stoll & Sauer, die auch das Reinbeker Urteil erstritten hat, von einem weiteren anhängigen Verfahren, das im November am Berliner Landgericht verhandelt werden wird. Zudem sei ein drittes Verfahren – ebenfalls gegen die Allianz – in Vorbereitung.

Berufung eingelegt

Der Versicherer selbst will das Reinbeker Urteil nicht akzeptieren und kündigte gegenüber procontra an, bereits Berufung hiergegen eingelegt zu haben. Das Urteil ändere nichts an der seitens der Allianz Lebensversicherung vertretenen Rechtsauffassung, die auch seitens des Stuttgarter Landgerichts geteilt worden sei, teilte ein Sprecherin mit.

Doch auch in Stuttgart ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die hier als Kläger auftritt, hat ebenfalls Berufung gegen das Urteil eingelegt. Nun wird sich das Oberlandesgericht Stuttgart mit der Frage befassen müssen, ob und wann Lebensversicherer die Rentenfaktoren während der Vertragslaufzeit anpassen dürfen. Die mündliche Verhandlung ist dabei für den 16. Januar 2025 terminiert.