Übernahme-Welle

Makler-Konsolidierung: Es zählt nicht nur die Größe, oder?

In diesem Jahr hat die Konsolidierung im Maklermarkt im Industrie- und Gewerbesegment so richtig Fahrt aufgenommen. Dennoch sind Experten sich einig: Die Konsolidierungswelle hat gerade erst angefangen zu rollen. Was das für Makler bedeutet.

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14:11 Uhr | 26. November | 2024
Ralph Rockel

MRH-Trowe-Vorstandssprecher Ralph Rockel. MRH Trowe hat in den letzten 10 Jahren 50 Unternehmen aufgekauft – 40 davon in den vergangenen 4 Jahren.

| Quelle: MRH Trowe

Die Konsolidierungswelle rollt unermüdlich weiter. Gerade erst hat die Aventus Maklergruppe ihren neuesten Coup verkündet: Den Kauf von NVM Niddaer Versicherungsmakler GmbH – einem regional etablierten Versicherungsmakler mit über 25 Jahren Markterfahrung.

Schon 2023 verging kein Monat ohne die Übernahme eines Maklerhauses durch eine der großen Gruppen wie GGW, MRH Trowe, Global, Summitas oder die Helmsauer Gruppe. Die Schlagzahl hat sich 2024 noch einmal erhöht. Inzwischen greifen die „Konsolidierer“ fast wöchentlich zu. Seit internationale Private Equity Unternehmen den deutschen Maklermarkt für sich entdeckt haben, verfügen die Maklergruppen über das ausreichende Kleingeld für das enorme anorganische Wachstum. Im Gespräch mit den Treibern der Konsolidierung wird deutlich, dass das Tempo im nächsten Jahr nochmal anziehen wird: Bernd Helmsauer ist entschlossen, in diesem Jahr noch drei und im nächsten 17 weitere Broker zu kaufen. „Es gibt 48.000 Broker, davon sind vielleicht 300 verkauft – es gibt also noch viel Potenzial für Übernahmen“, erläutert Helmsauer. Damit steht er nicht allein da.

GGW mit steilem Wachstumskurs

Die Gruppe GGW hat bereits mehr als 50 Makler aufgekauft und wurde bei der Übernahme durch Investor Permira Ende 2023 auf 2 Milliarden Euro Unternehmenswert geschätzt. Mit einem ebenfalls geschätzten Umsatzwachstum in diesem Jahr von etwa 40 Millionen Euro auf 450 Millionen Euro 2024 (Quelle: Versicherungsmonitor Maklerranking) schiebt sich GGW immer weiter an die Spitze.

Was passiert mit den Einzelkämpfern?

Doch all diese Übernahmen spielen sich in einem Umfeld von Industrie- und Gewerbemaklern ab, von dem 80 Prozent der 180.000 Versicherungsvermittler (Quelle DIHK) in Deutschland scheinbar sehr weit weg sind. Scheinbar. Denn die Gründe dafür sein gesamtes Unternehmen (Share  Deal) oder – wie bei Einzelkämpfern eher üblich – seinen Bestand zu verkaufen (Asset Deal), treffen auf den Versicherungsmakler im Privatkundengeschäft genauso wie auf das Gewerbe-Maklerhaus mit 50 Mitarbeitern zu. Denn das Investorengeld zeichnet nicht allein verantwortlich für die Konzentration.

Nachfolgeprobleme und Digitalisierungsnöte

Laut einer BVK-Strukturanalyse sind mehr als ein Drittel der Versicherungsvermittler über 55 Jahre alt. Schätzungsweise werden 40 Prozent der gesamten Versicherungsbestände und Betriebe in den kommenden Jahren altersbedingt übergeben. Nur wenige Makler haben einen Nachfolger im Rücken, der das unternehmerische Risiko mit allem, was dazu gehört, auf sich zu nehmen bereit ist.

„Eine gute Nachfolgeregelung für Maklerhäuser zu finden, wird immer schwerer. Auch die Regulatorik, die in der Zukunft zuzunehmen droht - stellt viele Unternehmer vor Herausforderungen. Gleichzeitig sind signifikante Investitionen nötig, um die Vorteile des technischen Fortschritts nutzen zu können und gleichzeitig cybersicher zu sein“, fasst der GDV auf Nachfrage zusammen. Als kleineres Maklerhaus fällt es zudem deutlich schwerer, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und sich als Arbeitgeber-Marke zu positionieren.

Strategien der Makler-Konsolidierer

procontra stellt die Strategien von besonders dynamisch wachsenden Maklerhäusern im Markt vor.

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Der familiäre Gegenentwurf

Für Bernd Helmsauer ist seine Gruppe auch nach den zahlreichen Zukäufen ein Familienunternehmen. Der Einstieg des schwedischen Investor Nordic Capital 2023 soll daran nichts ändern, sondern 5 bis 7 Jahre an Bord bleiben und dann wieder rausgehen. Die Exit-Strategie soll anders aussehen als üblich bei Private Equity „Wir haben ein Versprechen: Ich verkaufe nie weitere Anteile und wir bleiben auf Dauer ein eigentümergeführtes Unternehmen, welches langfristig an meine beiden Söhne als dritte Generation übergeben wird“, sagt Helmsauer. Doch man darf sich durch den familiären Ansatz nicht täuschen lassen. Helmsauer ist IT- und Prozess-Profi und hat die Integration der Unternehmen in die Helmsauer-Familie mit einem Plan aus 175 Punkten professionalisiert. Das zeigt auch die Übernahme von Getsurance, die mit ihrer digitalen Antragsstrecke und dem Customer Care Center jetzt das Privatkundengeschäft wuppen. Helmsauer liebt es aufgeräumt und arbeitet nur mit 6/7 strategischen Versicherern zusammen. Der Umsatz wird aller Voraussicht nach 2025 auf 72 Millionen Euro klettern von 52 Millionen 2024.

Versicherer treiben ebenfalls  

Doch die Versicherer tragen ebenfalls ihren Teil zur Konsolidierung bei: Sie haben nach einer starken Wachstumsphase das Sparprogramm eingeschaltet und überall wird auf die Kosten geschaut. Die Vertriebswege werden auf den Prüfstand gestellt, Bestände werden nach Profitabilität umgeschichtet und die Zeichnungsbereitschaft sinkt. Gerade im Bereich der Industrie- und Gewerbemakler wird auf die großen Volumina, die „Wallets“, geschielt, von denen sich die Versicherer einen großen Teil sichern wollen. „Ein mittelständischer Makler mit zehn bis 15 Angestellten hat unternehmerisch wirklich etwas auf die Beine gestellt und kann stolz sein, und wird doch derzeit von den Versicherungsunternehmen kaum mehr wahrgenommen“, sagt Bernd Helmsauer im Interview. Die unbearbeiteten Schadenfälle häufen sich in Größenordnungen, die bei einigen Versicherern sogar die Finanzaufsicht auf den Plan rufen könnten. Den kleineren Maklerhäusern fehlen die richtigen Ansprechpartner und Eskalationsmöglichkeiten bei den Versicherungsunternehmen. Laut Bernd Helmsauer gibt es inzwischen jüngere Makler, die aus Perspektivlosigkeit verkaufen wollen.

 Sparpolitik hat Folgen

Die Sparpolitik der Versicherer bleibt nicht folgenlos: Die großen Maklerhäuser formieren sich, bauen durch die Zukäufe ihre Marktmacht aus und versuchen sich beispielsweise durch die Übernahme von Assekuradeuren „unabhängiger von dem derzeitigen Appetit der Versicherer zu machen“, wie es Aventus-Chef Ernesto Knein ausdrückt. MRH Trowe hat sich im Touristik-Segment bereits mit zwei Assekuradeuren ausgestattet und will diesen Kurs im kommenden Jahr fortsetzen.

Bei kleineren Maklern ist Spezialisierung gefragt

Einig sind sich die Experten darin, dass die Konsolidierung in Deutschland erst am Anfang steht. Doch auch in Zukunft wird und kann es nicht nur auf die Größe ankommen: Laut einer Studie von Bearingpoint wird erwartet, dass sich kleinere Maklerhäuser künftig stark spezialisieren werden. Der kleine Generalist dagegen würde aussterben. Die Digitalisierung spiele dabei eine wichtige Rolle. Doch auch Bearingpoint kommt zu dem Ergebnis, dass Größe nicht alles ist. In Deutschland sei der persönliche Kontakt und der regionale Einfluss weiterhin von Bedeutung und wird es bleiben.