Kolumne

Was bedeutet eine starke AfD für die Versicherungs- und Finanzwirtschaft?

Angesichts der Ergebnisse der Landtagswahlen Sachsen und Thüringen zeichnet Versicherungsmakler Gorden Isler ein Bild der Auswirkungen einer starken AfD auf die Versicherungs- und Finanzbranche.

09:09 Uhr | 03. September | 2024
Gorden Isler, Gründer und Geschäftsführer Fairvendo Hamburg

Gorden Isler ist Gründer und Geschäftsführer des nachhaltigen Maklerbüros Fairvendo in Hamburg.

| Quelle: Fairvendo

Am 1. September 2024, exakt 85 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, erreicht die AfD in den Landtagswahlen von Thüringen und Sachsen jeweils über 30 Prozent der Stimmen. Im neuen Thüringer Landesparlament wird die AfD sogar stärkste Kraft und sichert sich mit einer parlamentarischen Sperrminorität eine besonders bedenkliche Rolle. Diese Entwicklung wirft auch die Frage auf, welche langfristigen Auswirkungen eine solche politische Verschiebung auf die deutsche Versicherungs- und Finanzindustrie haben könnte. 

In erster Linie kann eine erstarkende AfD Einfluss auf die Stabilität politischer Institutionen in Deutschland haben. Wenn die AfD in Thüringen mit ihrer Sperrminorität im Parlament wesentliche Entscheidungen blockieren kann, könnte dies zu politischen Stagnationen führen und noch mehr Unzufriedenheit in der Bevölkerung verursachen. Wenn Regierungen häufiger und dauerhaft handlungsunfähig werden oder nur sehr schwache Kompromisse finden, könnten langfristige Reformen, wie in der Renten-, Gesundheits- oder Sozialpolitik, auf der Strecke bleiben. Auch für die Versicherungswirtschaft bedeutet das vor allem Unsicherheit: Ohne klare politische Richtlinien oder Reformpläne ist es sehr viel schwieriger, Strategien zu entwickeln, und sich beispielsweise den zunehmenden Gefahren des Klimawandels auf der Risikoseite wirksam zu stellen.

Unklare Rahmenbedingungen erschweren es, zukünftige Risiken und Anforderungen treffsicher zu kalkulieren. Ein weiterer Punkt betrifft das Vertrauen internationaler Investoren. Versicherungen und Banken sind stark mit internationalen Kapitalmärkten vernetzt. Eine größere politische Polarisierung, wie sie durch das Erstarken rechtsextremer Parteien entsteht, führt zu politischen Unsicherheiten, die das Vertrauen der Investoren schmälern. Sollten ausländische Kapitalgeber beginnen, ihre Investitionen in Deutschland zu reduzieren oder umzuverteilen, könnte dies die deutschen Banken und auch die Versicherungsbranche treffen. Da viele Versicherer in Deutschland selbst als Kapitalanleger agieren, etwa im Immobilien- oder Aktienbereich, wären sie von einer solchen Entwicklung doppelt betroffen. 

AfD macht viele Versprechungen, die als Vorteil erscheinen

Irrtümlicherweise zeichnen sich Politiker der AfD oft durch das Versprechen aus, den „kleinen Mann“ zu unterstützen, und Bürokratie abbauen zu wollen. Dies könnte Akteuren der Branche kurzfristig als Vorteil erscheinen, wenn etwa eine Deregulierung angestrebt wird. Doch hier lauern erhebliche Risiken, die wir bereits aus der Vergangenheit kennen. Eine zu stark deregulierte Branche könnte bei den Kunden an Vertrauen verlieren. Insbesondere in der Finanzbranche ist der Vertrauensverlust sehr schwer zu reparieren. Der Rückbau von Aufsichtsmechanismen könnte das Risiko von Fehlverhalten oder Insolvenzen erhöhen, was wiederum das gesamte System destabilisieren könnte.

Skandale rund um Wirecard, die MEG AG, Sigma Holding und Cum-Ex-Geschäfte im Bankhaus Warburg sind bekannte Beispiele dafür, dass strenge Aufsichtsmechanismen wichtig und sinnvoll sind. Die Ansichten der AfD zur Europäischen Union, zum Euro und zu internationalen Partnerschaften könnten zudem zu Verunsicherung in der Bevölkerung führen. Wenn Kunden befürchten, dass ihre Altersvorsorge oder andere Finanzprodukte durch politische Unsicherheiten gefährdet werden, könnte dies zu einem verstärkten Rückzug aus langfristigen Versicherungsprodukten oder der Kapitalanlage in Deutschland führen. 

Für die Versicherungs- und Finanzbranche ist qualifizierte Zuwanderung essenziell, um den Fachkräftemangel zu beheben, besonders im Bereich der Digitalisierung. Gut ausgebildete Fachkräfte sehen jedoch zunehmend skeptisch auf ein Deutschland, in dem die AfD erstarkt. Ich habe Freunde, die in ihren Familien offen darüber diskutieren, Deutschland zu verlassen. Die radikale, migrationsfeindliche Rhetorik und Politik wirken abschreckend und machen zurecht Angst. Im globalen Wettbewerb um Talente ist eine starke AfD toxisch für Unternehmen, die auf internationale Fachkräfte und auf internationale Vernetzung angewiesen sind, um innovativ und wettbewerbsfähig zu bleiben.

AfD-Politiker untergraben das Vertrauen in Demokratie

Die AfD, besonders durch Björn Höcke, zeigt zunehmend offen verfassungsfeindliche Tendenzen. Seine Äußerungen erinnern an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Ein Gericht bestätigte sogar, dass Björn Höcke deshalb als Faschist bezeichnet werden darf. Politiker der AfD untergraben das Vertrauen in unsere Demokratie und destabilisieren den gesellschaftlichen Zusammenhalt, auf dem auch die Finanz- und Versicherungswirtschaft grundlegend aufbaut. Wir müssen uns daher als Akteure unserer Branche unmissverständlich von der AfD distanzieren und demokratiefördernde Strukturen und Initiativen stärken. Jetzt.