Cold Calls aus der Türkei – PKV-Verband erstattet Strafanzeige
Gerade angesichts der überall steigenden Preise sind viele Deutsche auf der Suche nach Sparmöglichkeiten. Auch der private Krankenversicherungsschutz rückt dabei in den Blick. Ein Tarifwechsel kann hier durchaus eine Ersparnis von mehreren hundert Euro im Monat mit sich bringen.
Doch ein Tarifwechsel ist kompliziert, die Versicherer zeigen sich nicht immer kooperativ. Kunden können angesichts möglicher Selbstbehalte, Leistungseinschränkungen oder eventueller neuer Gesundheitsprüfungen schnell den Überblick verlieren. Eine professionelle Tarifoptimierung kann sich folglich lohnen.
Allerdings tummelt sich unter den zahlreichen im Internet werbenden Anbietern so manches schwarze Schaf. Gegen einen dabei vermeintlich besonders dreist vorgehenden Akteur hat der Verband der Privaten Krankenversicherer nun Strafanzeige unter anderem wegen Betrugsverdachts sowie wegen systematischem Missbrauchs persönlicher Daten gestellt.
Netzwerk aus der Türkei
Diese richtet sich laut einer Mitteilung des Verbands gegen ein Netzwerk von selbsternannten Beitragsoptimierern, die laut Angaben des Verbands offenbar aus der Türkei heraus agieren.
Diese rufen potenzielle Kunden unangekündigt an – man spricht hier von sogenannten Cold Calls. Diese unerwünschten Anrufe, die ohne Einverständnis des Angerufenen erfolgen, sind in Deutschland verboten. Laut PKV-Verband ist das allerdings nicht der einzige Verstoß gegen deutsche Gesetze. So melden sich die Tarifoptimierer in der Regel mit manipulierten Telefonnummern und mit falschen Identitäten, um die PKV-Kunden von einem Tarifwechsel zu überzeugen.
Gelingt es, die Kunden in diese Richtung zu drängen, können die Anrufer Kasse machen. Denn sie verlangen für einen erfolgten Tarifwechsel eine Erfolgsprämie. Oftmals werde hier die acht- bis zwölffache Beitragseinsparung verlangt, schilderte Versicherungsmakler Javier Garcia die Praktiken unseriöser Marktteilnehmer gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Entsprechend würden die sogenannten Sachverständigen die Kunden möglichst auch in Tarife mit besonders hohen Beitragseinsparungen drängen – das Leistungsniveau wird hingegen vernachlässigt.
Daten über Anwaltportal?
Besonders pikant wird es bei der Frage, wo die als „Sachverständigen“ firmierenden Anrufer die Kontakte für ihre Anrufe herbekommen. Hier gibt es offenbar Hinweise darauf, dass die Kontaktdaten teilweise von Internetportalen kommen, auf denen Anwaltskanzleien für Klagen gegen Beitragserhöhungen werben. Entsprechende Angebote hatten nach einem BGH-Urteil rasant zugenommen.
Gegen wen genau sich die Strafanzeige richtet, will der PKV-Verband nicht mitteilen. Nach procontra-Informationen handelt es sich vermutlich um den „Verband der KV Sachverständigen“, der auch hinter der Website www.ihr-beitragsoptimierer.de steckt. Die Kontaktaufnahme mit dem sogenannten Sachverständigen-Verband gestaltet sich allerdings schwierig.
Die im Impressum genannte Mailadresse funktioniert nicht, Mails werden als unzustellbar zurückgeschickt. Wer die hier genannte Telefonnummer wählt, landet in einer endlosen Telefonansage, die in Aussicht gestellte Durchstellung zu einer Rezeptionistin schlägt ein jedes Mal fehl.
Verbindungen zu Göker
Interessant dagegen sind der hier genannte Hauptansprechpartner der Firma, Giuseppe G., und dessen persönliche Kontakte. So taucht unter seinem Instagram-Profil ein gemeinsames Foto mit Mehmet Göker aus dem vergangenen Jahr auf. Im nebenstehenden Text heißt es: "Danke für die besten Stunden, die ich mit Dir verbringen durfte." Göker ist ein Name, der in der Branche keinerlei Erklärung bedarf und in regelmäßigen Abständen immer wieder auftaucht. Erst 2021 hatte der NDR berichtet, dass der in der Türkei lebende Göker mittlerweile Tarifoptimierungen für die private Krankenversicherung anbietet.
Auch auf Gökers Instagram-Kanal gibt es diverse Indizien für eine Zusammenarbeit von Göker und dem Verband der KV Sachverständigen. So fragt Göker in einem seiner Videos eine der mutmaßlichen Teilnehmerinnen seines „Bootcamps“, was er da von Giuseppe gehört habe. Ein anderer Teilnehmer berichtet freimütig, wie er sich gegenüber den unfreiwilligen Kunden vorstellt. So erwähne er stets, dass er vom besagten Verband komme.
Wie intensiv die Zusammenarbeit zwischen dem Verband der KV Sachverständigen und Göker ist, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Dass es aber Verknüpfungen gibt, lässt sich kaum abstreiten.
Das Ausmaß sowie der Modus operandi der oben genannten Masche sind nun Gegenstand der Ermittlungen sein. Von Interesse dürfte dabei vor allem sein, über welche Portale und Seiten die "Tarifoptimierer" an ihre Daten gekommen sind. Auch ob und inwieweit Mehmet Göker involviert ist, bleibt abzuwarten.