Verdacht auf Rechtsmissbrauch

GKV-Rückkehr: Lauterbach will Schlupfloch für ältere PKV-Versicherte schließen

Wie procontra exklusiv erfuhr, will das Bundesgesundheitsministerium die Rückkehr älterer PKV-Versicherter in die GKV erschweren. Dabei geht es um ein rechtliches Schlupfloch. Alles zu den Hintergründen lesen Sie hier.

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11:07 Uhr | 24. Juli | 2024
Würfel symbolisieren die beiden Krankenversicherungsarten in Deutschland: PKV und GKV.

Ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung ist für Menschen ab 55 Jahren nur noch schwer möglich.

| Quelle: Fokusiert

Ab dem 55. Lebensjahr kommen Privatversicherte nur noch schwer zurück in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Der Gesetzgeber will so verhindern, dass Versicherte in jungen Jahren von den günstigen Beiträgen der privaten Kran­ken­ver­si­che­rung (PKV) profitieren und dann im Alter, wenn Krankheiten häufiger und teurer werden, in das Solidarsystem der gesetzlichen Kran­ken­ver­si­che­rung wechseln.

Anbieter werben offensiv im Internet

Trotzdem werben im Internet verschiedene Anbieter damit, den Systemwechsel auch für Über-55-Jährige problemlos möglich machen zu können. Dabei nutzen sie offenbar ein gesetzliches Schlupfloch aus. Das zumindest legen Recherchen des ARD-Magazins Plusminus nahe, die sich auf ein dokumentiertes, telefonisches Beratungsgespräch mit einem dieser Anbieter stützen.

Dabei sei dem Interessenten gegen Honorar angeboten worden, für ihn ein Gewerbe in einem osteuropäischen EU-Land mit gesetzlicher Versicherungspflicht zu eröffnen, heißt es in dem Bericht. Dadurch werde er dort, also im Ausland, wieder sozialversicherungspflichtig und könne ein Jahr später in die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland wechseln.

"Alles wird im Nebulösen gelassen"

Tatsächlich gibt es diese Möglichkeit der Rückkehr in die GKV über eine versicherungspflichtige EU-Auslandstätigkeit. Allerdings ist diese Regelung für Personen gedacht, die auch wirklich vorübergehend im Ausland arbeiten und leben. Für Anke Puzicha von der Verbraucherzentrale Hamburg deuten die ARD-Recherchen jedoch darauf hin, dass hier womöglich über das undurchsichtige Konstrukt eines ausländischen Scheingewerbes der Versicherungswechsel ermöglicht werden solle.

"Aus unserer Sicht ist das illegal und erodiert die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung", sagt Puzicha gegenüber procontra. Es sei allerdings schwer, den Anbietern solcher Machenschaften etwas nachzuweisen. „Niemand wirbt ja im Internet offen mit dieser Masche, das wird alles bewusst im Nebulösen gelassen.“

Tatsächlich weist auf Nachfrage unserer Redaktion einer dieser Wechseldienstleister alle Vorwürfe kategorisch von sich. Man handele stets im Rahmen der geltenden rechtlichen Bestimmungen, lässt er über eine Anwaltskanzlei mitteilen.

Der Versicherungsschutz steht auf dem Spiel

Das mag in diesem Fall stimmen, Fakt aber ist, dass das geschilderte Schlupfloch zur Rückkehr in die GKV existiert und offenbar auch rege genutzt wird. Das bestätigen sowohl die Verbraucherzentrale als auch Versicherungsberater und KV-Experte Thorulf Müller. Solche Offerten würden leider von vielen Menschen in Anspruch genommen, bekräftigt er gegenüber procontra.

Das damit verbundene Risiko ist allerdings nicht unerheblich. Denn fliegt der Trick auf, kann die gesetzliche Krankenversicherung das Versicherungsverhältnis kündigen und rückabwickeln. Das bedeutet, dass der oder die Betroffene dann ohne Versicherungsschutz dasteht und über einen Basistarif versuchen muss, zurück in die PKV zu kommen.

"Wer nur zum Schein eine Anstellung im In- oder Ausland annimmt oder nur zum Schein eine Firma gründet, allein mit dem Ziel, aus der teuren privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung zu kommen und somit das geltende Recht umgeht, der bzw. die muss damit rechnen, dass der Wechsel nicht gelingt und die Person in der privaten Krankenversicherung bleiben bzw. dahin zurückkehren muss", heißt es dazu vom GKV-Spitzenverband.

Verbraucherschützerin Puzicha hält es sogar für nicht ausgeschlossen, dass Betroffene in einem solchen Fall angefallene Behandlungskosten zurückerstatten müssen. „Hier steht ja der Vorwurf des Sozialbetrugs im Raum.“

Gesundheitsministerium will jetzt handeln

Das Bundesgesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) will diesem ganzen Gebaren jetzt offenbar ein Ende bereiten. Das jedenfalls bestätigte auf Nachfrage eine Sprecherin des Hauses. "Es wird derzeit eine rechtliche Anpassung vorbereitet, so dass ein rechtsmissbräuchlicher Wechsel von der PKV in die GKV durch die Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland nach Vollendung des 55. Lebensjahres zukünftig nicht mehr möglich ist", so die Sprecherin gegenüber procontra. Diese Anpassung solle im Anschluss dem Deutschen Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden.