Kassenwechsel-Schlupfloch: Warnung des GKV-Spitzenverbands blieb folgenlos
Der GKV-Spitzenverband steht hinter den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), ein Schlupfloch schließen zu wollen, über das ältere PKV-Versicherte in die GKV wechseln können. „Wir würden das begrüßen“, so Verbandssprecherin Claudia Widmaier gegenüber procontra.
Zweifelhafte Anbieter
Bekanntlich kommen Privatversicherte ab dem 55 Lebensjahr nur noch schwer in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zurück. Eine Ausnahme ist möglich, wenn für mindestens ein Jahr eine versicherungspflichtige Tätigkeit im EU-Ausland ausgeübt wird. Ein Schlupfloch, das sich offenbar zweifelhafte Anbieter im Internet zunutze machen, indem sie wechselwilligen Privatversicherten gegen Honorar die vorübergehende Gründung von ausländischen Scheinfirmen anbieten.
Warnschreiben an alle Mitgliedskassen
Wie unsere Redaktion exklusiv berichtete, plant das Bundesgesundheitsministerium nun eine "rechtliche Anpassung", mit der diese Machenschaften zukünftig unmöglich gemacht werden sollen. Pikant: Der GKV-Spitzenverband hatte seine Mitgliedskassen schon im September 2022 per Rundschreiben vor „systematischem Rechtsmissbrauch“ gewarnt.
In dem Rundschreiben, so der Verband auf procontra-Nachfrage, habe man auf Hinweise aufmerksam gemacht, dass Personen angeben würden, „in der Tschechischen oder Slowakischen Republik Erwerbstätigkeiten ausgeübt zu haben, um aufgrund der dadurch erworbenen gesetzlichen Versicherungszeiten Zugang zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland zu erhalten und dass hier der Verdacht besteht, dass die Erwerbstätigkeiten fingiert sind.“
Im Klartext bedeutet das: Das Schlupfloch zum illegalen Kassenwechsel ist seit mindestens zwei Jahren bekannt – passiert ist seitdem aber nichts. Wie hoch der finanzielle Schaden ist, der der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung dadurch bislang entstanden ist, kann durch den GKV-Verband aufgrund fehlender Daten leider nicht beziffert werden.
So funktioniert der Teilrenten-Trick
Unterdessen rückt eine weitere Gesetzeslücke in den Fokus, die Lauterbachs Ministerium schließen will. Privat krankenversicherte Rentnerinnen oder Rentner können nämlich ihr Einkommen durch die Wahl einer Teilrente gezielt vorübergehend so weit absenken, dass sie über die Familienversicherung ihres gesetzlich versicherten Ehepartners zurück in die GKV kommen können.
Das geplante Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) will diesem Teilrenten-Trick nun einen Riegel vorschieben. „Ein Wechsel aus der privaten Krankenversicherung in die Familienversicherung der GKV durch Absenken einer Altersrente auf eine Teilrente wird ausgeschlossen“, heißt es dazu in dem Entwurf des GVSG.
Und weiter: „Mit der Regelung wird auf vermehrte Fälle reagiert, in denen privat krankenversicherte Rentnerinnen und Rentner durch ein gezieltes, temporäres Absenken ihres Rentenzahlbetrags Zugang zur GKV über ihre Ehegattin und Ehegatten erhalten. Die Regelung schließt insoweit eine Gesetzeslücke in der Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung und dient dem Schutz der Solidargemeinschaft. Mit der Regelung wird die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers bekräftigt, dass Personen, die sich gegen die solidarische Beitragstragung in der GKV zu Zeiten ihres Erwerbslebens entschieden haben, nicht im Alter in die GKV zurückkehren sollen.“