Kritik an PKV-Test der Stiftung Warentest hält an: „Glauben Sie nichts davon"
Die private Krankenversicherung bietet nicht per se besseren Schutz im Krankheitsfall als die gesetzliche. Das war das zentrale Ergebnis des aktuellen PKV-Tests der Stiftung Warentest, bei dem PKV-Tarife danach untersucht wurden, ob sie – bei einem Selbstbehalt von maximal 660 Euro im Jahr – mindestens das Niveau der GKV abdecken.
Viele Angebote, so die Stiftung Warentest, leisteten sogar weniger als die gesetzlichen Krankenkassen – etwa bei der Palliativpflege, bei ambulanter Psychotherapie oder bei digitalen Anwendungen wie Ernährungs-Apps. Von 1.245 überprüften Tarif-Kombinationen seien deshalb auch nur 384 empfehlenswert. Ein weiteres Testergebnis: Leistungsstarke Top-Tarife seien oft zu teuer und schnitten nicht viel besser ab als preisgünstigere Alternativen (procontra berichtete).
Versicherungsmakler und PKV-Experte Sven Hennig möchte solche Aussagen nicht unwidersprochen stehen lassen, hält sie teilweise sogar für gefährlich. In einem aktuellen Blog-Beitrag geht er denn auch hart mit dem PKV-Test ins Gericht, für den er selbst im Beirat der Stiftung Warentest saß. procontra fasst die wichtigsten Kritikpunkte zusammen:
Zu dem Ansatz, PKV-Tarife mit GKV-Leistungen zu vergleichen stellt Hennig fest: „Die Systeme sind gänzlich unterschiedlich, und während die GKV einen festen und in weiten Teilen fixen Katalog an Leistungen bietet, lassen sich PKV-Tarife nach dem persönlichen Anspruch wählen. Weil ich mich in einem System bewusst entscheiden kann, was ich möchte, ist dieses keineswegs schlecht(er). Ich muss und sollte nur wissen, was ich da (nicht) einkaufe.“
Auch die Aussage der Prüfer, viele PKV-Tarife enthielten Lücken bei der Palliativpflege, der ambulanten Psychotherapie oder bei digitalen Anwendungen, hält der Experte für „hanebüchen“. Gerade bei der Versorgung in der Psychotherapie zeige sich hier ein grobes Unwissen der Stiftung Warentest. „Was nützt es mir, wenn ich einhundert Sitzungen (pro Behandlungsfall) bekomme, aber keinen schnellen Platz bei einem Therapeuten?“
Die Empfehlung der Warentester, eine PKV vor allem nach dem Preis auszuwählen, hält Hennig für einen fachlich falschen oder sogar vorsätzlichen Rat. „Sollen wir billigen, unterkalkulierten Unsinn kaufen, damit nicht nur im Leistungsfall diskutiert werden kann, sondern der Kunde im Alter auch mit steigenden Beiträgen lebt und Finanztest dann etwas zu meckern hat?“, lautet seine ironisch-provokante Replik.
Hart ins Gericht geht der Experte auch mit dem Rat der Warentester an Verbraucher ohne Vorerkrankungen, sich mit den günstigsten Angeboten im Test ohne fachliche Beratung und Begleitung zeitgleich an mehrere Anbieter zu wenden. Am Ende könne das dazu führen, dass man überhaupt nicht mehr versicherbar sei.
Hennigs vernichtendes Fazit: „Glauben Sie bitte nichts aus diesem PKV-Test. Die Stiftung Warentest dokumentiert hier an den oben genannten Beispielen und an vielen anderen Punkten mehr, dass sie das Thema private Krankenversicherung, Kalkulation, steuerliche Folgen, Auswirkungen im Alter überhaupt nicht verstanden hat. Leider haften die Stiftung Warentest und die Autoren für solche ,Tipps’ nicht.“