Zeitenwende in der PKV

So entwickeln sich PKV-Beiträge bei den Versicherern

Auch 2025 werden wohl etliche Anbieter ihre Beiträge erhöhen. Neben der Qualität der Tarife sollten Makler zukünftig auf die Kapitalanlage der Versicherer achten.

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14:08 Uhr | 15. August | 2024
Miniaturmännchen sitzen auf oder stehen auf Münzstapeln

Auf höhere Leistungsausgaben reagieren Versicherer früher oder später mit steigenden Beiträgen für ihre Kunden.

| Quelle: Aitor Diago

Passend zum Trend der allgemeinen Preissteigerungen, bleibt auch die Private Krankenversicherung (PKV) von steigenden Kosten nicht verschont. Seit 2018 sind die Leistungsausgaben um 25 Prozent gestiegen, berichtet Assekurata. Angesichts einer alternden Bevölkerung, Inflation und teureren Medikamenten und Behandlungsmethoden erwartet die Ratingagentur, dass sich das hohe Ausgabenniveau „nachhaltig festsetzt“. Nach 9,1 Prozent 2023 werde es 2024 nochmals um 8,5 Prozent angehoben.

Anpassung mit Verzögerung

Auf höhere Leistungsausgaben reagieren Versicherer früher oder später mit steigenden Beiträgen für ihre Kunden. Zu Beitragsanpassungen (BAP) kommt es in der PKV, wenn die Leistungen in einem Tarif nachweislich um einen bestimmten Prozentsatz höher liegen als ursprünglich kalkuliert. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Abweichung von 10 Prozent. Laut PKV-Verband ist es möglich, einen niedrigeren Schwellenwert vertraglich zu vereinbaren. In manchen Tarifen sei das der Fall. Überschreiten die Kostensteigerungen die Grenzwerte nicht, gebe es auch keine Beitragsanpassung. In der Praxis kommt es nach Jahren mit stabilen Beiträgen auch mal zu sprunghaften Anpassungen – zum Ärger vieler Kunden, die diesen dann oft bei ihrem Makler ablassen.

 Viele Erhöhungen zum 1. Januar

Zum 1. Januar 2024 haben viele Anbieter ihre Beiträge erhöht – und zwar im Bestand im Schnitt um 4,9 Prozent in der Vollversicherung und 4,5 Prozent in der Beihilfe, so Assekurata. In den beiden Jahreswechseln zuvor seien weniger starke Anhebungen erfolgt. Für die kommende Anpassungsrunde erwarten die Kölner eine Erhöhung von mehr als 6,5 Prozent im Normal- und über 4,3 Prozent im Beihilfegeschäft.

Allerorten nur Durchschnitt

Um die Entwicklung ihrer Bestandsprämien machen viele Versicherer ein Geheimnis. Auf Anfrage sagte eine Sprecherin der Allianz Private Krankenversicherung (APKV), dass „die Beiträge für 2024 im Schnitt um 4 Prozent angepasst wurden“. Die individuelle Anpassung könnte davon abweichen. Andere Anbieter haben unpräzise oder gar nicht geantwortet. Beitragserhöhungen sind offenbar ein heikles Thema. Dabei sind laut PKV-Verband die Beiträge der gesetzlichen Kassen von 2004 bis 2024 kräftiger gestiegen als in der PKV, nämlich 3,2 Prozent p.a. im Vergleich zu 2,8 Prozent p.a.

 Rating von Morgen & Morgen gibt Aufschluss

Einen Hinweis auf die Beitragssteigerungen der Anbieter in den letzten fünf Jahren gibt das Rating von Morgen & Morgen (M&M). „Gesellschaften mit Vier- oder Fünf-Sterne-Bewertungen zeichnen sich durch eine langfristige Beitragsstabilität aus“, sagt Sebastian Grabmaier, Chef des Maklerpools Jung, DMS & Cie, zu dem auch M&M gehört. Fünf-Sterne-Tarife weisen demnach zum Beispiel Alte Oldenburger, Arag, Gothaer, Inter, Ottonova, R+V, SDK, Signal Iduna und Universa nach. Auch das Analysehaus Franke und Bornberg bietet Einschätzungen zur Beitragsstabilität an.

Aussagen zur Tendenz

Dirk Kober, Leiter Versicherungen beim Maklerpool BCA, betont, dass es für Makler schwierig ist, Versicherer mit dauerhaft relativ stabilen Beiträgen zu erkennen. Und er ergänzt: „Historisch betrachtet sind ältere, geschlossene Tarife stärker von Anpassungen betroffen, weil keine neuen Versicherten hinzukommen, das Kollektiv durch Tarifwechsel und Todesfälle kleiner wird und sich somit die Einflüsse möglicher Kostentreiber auf weniger verbleibende Versicherten verteilen.“

Anpassungen im Neugeschäft

Für Makler mitunter interessant ist der lizensierte Zugang zum Beitragsanpassungs-Guide von gewa-comp.de. Für das Neugeschäft sind dort für alle Versicherer die Anpassungen angegeben. Da wären zum 1. Januar 2024 zum Beispiel in der Vollversicherung für Angestellte, Selbständige und Freiberufler folgende Durchschnitte (Anzahl der Tarife in Klammern): Alte Oldenburger (3) 0,28 Prozent, AXA (3) 4,83 Prozent, Barmenia (6) 2,8 Prozent, Debeka (4) 7,92 Prozent, Gothaer (4) 4,44, LKH (12) 12,97, Nürnberger (3) 3,99 und Signal Iduna(19) 5,24 Prozent. Neugeschäftsanpassungen in der Voll-PKV zum 1. Januar 2025 haben bereits Arag (18) und HanseMerkur (4) mit 7,51 bzw. 4,2 Prozent bekanntgegeben. Das alles bezieht sich freilich nur auf eine Kategorie und manchmal sind nur bestimmte Altersgruppen betroffen. Für Vermittler und ihre Kunden ist die individuelle Betrachtung entscheidend. Insgesamt aber gibt es laut M&M auch im Neugeschäft „eine Tendenz zu Beitragssteigerungen“.

Fokus auf Prävention

Dass höhere Ausgaben zum Problem werden, räumt jetzt auch der PKV-Verband ein. Um das Gesundheitssystem weiterhin finanzieren zu können, setze man sich dafür ein, „Prävention zum Leitprinzip der Gesundheitspolitik“ zu machen. procontra hatte bereits in Ausgabe 1/2024 auf die Bedeutung von Vorbeugung hingewiesen. Der Grund ist klar: Die Kosten müssen runter, damit die Beiträge nicht abheben.

 Stellschrauben für stabile Beiträge

Die Versicherer verfügen über Stellschrauben, um ihre Beiträge trotz Inflation und Kostendruck einigermaßen stabil zu halten. Den Analysten von M&M zufolge trägt eine „vorsichtige Prämienkalkulation“ dazu bei. Das bedeutet wohl auch, von aggressiven Billigtarifen zur Marktanteilseroberung abzusehen. Weitere Einflussgrößen seien die Kapitalanlage und – damit zusammenhängend – die Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB). Das wieder höhere Zinsniveau an den Kapitalmärkten erleichtere es den Versicherern mit dem Halten von Anleihen Erträge zu erzielen. Zudem seien keine weitere Rechnungszinsabsenkungen mehr zu erwarten. In jüngerer Vergangenheit war ein Teil der Beitragserhöhungen darauf zurückzuführen.

Sachwerte für Stabilität

Auch wenn Anleihen wieder Zinsen bringen, sind Aktien mittlerweile ein bedeutender Ertragsbringer zumindest für einige Versicherer. Nach Meinung von Carsten Zielke, Chef von Zielke Research Consult, „helfen Sachwerte die Inflation zu kompensieren“, tragen also zur Beitragsstabilität bei. Allerdings müssen Versicherer Aktienanlagen mit viel mehr Eigenkapital unterlegen als Zinstitel; sie sind also relativ teuer.

 Aktienquote gestiegen

Dennoch ist die durchschnittliche Aktienquote laut Versichererverband GDV bei den privaten Krankenversicherern von 1,4 Prozent im Jahr 2011 auf 6,5 Prozent 2022 gestiegen. Ähnlich war die Entwicklung bei Beteiligungen und Immobilien. Insgesamt kamen Sachwerte 2022 auf einen Anteil an den gesamten Kapitalanlagen von 18,7 Prozent. In Zukunft erwarten Ökonomen ein wieder sinkendes Zinsniveau. Dann dürfte die Bedeutung von Aktien & Co. weiter zunehmen. Hierauf sollten Makler im Kundengespräch beim Aspekt Beitragsstabilität hinweisen. So können sie Ängsten entgegentreten, die Anbieter könnten keine ausreichende Rendite mehr erzielen.

Kapital für RfB

Einer der wenigen Anbieter, der seine Aktienquote auf Anfrage nennen, ist APKV: 10 Prozent zum 31. März. Die Sachwertequote gibt eine Sprecherin mit 19,5 Prozent an. Eine gute Kapitalanlage kann nicht nur eine Absenkung des Rechnungszinses in den Tarifen verhindern. Absolut hohe Erträge füllen auch die RfB kräftig auf. Aus den RfB zahlt ein Versicherer nicht nur Ausschüttungen an Kunden, die keine Leistungen in Anspruch genommen haben, sondern limitiert damit auch Beitragssteigerungen. Für letzteres habe zum Beispiel APKV zum 1. Januar 500 Millionen Euro verwendet.

 

Bei der Ausstattung mit RfB gibt es gewaltige Unterschiede zwischen den Versicherern. Wie M&M mitteilte, liegen die RfB-Quoten (RfB : Bruttobeiträgen), zwischen 87 und 18 Prozent. Der Marktdurchschnitt habe 2022 bei 41 Prozent gelegen. Assekurata kommt für die von ihr erfassten Versicherer auf eine RfB-Quote von 36,5 Prozent für 2022 und von voraussichtlich 33,4 Prozent für 2023 – die Reserven zur Beitragslimitierung sinken also. Generell gilt: In einem Umfeld steigender Leistungsausgaben gewinnen die RfB an Bedeutung für die Auswahl eines Versicherers (siehe Tabelle).

Nicht nur Qualität des Tarifs, sondern Finanzen des Versicherers entscheidend

Insgesamt hat auch PKV mit steigenden Ausgaben zu kämpfen. Das macht die Arbeit für Makler schwieriger. In Zukunft bedeutsamere Auswahlkriterien sind das Kapitalanlageergebnis und das Reservepolster der RfB. Dazu Kober vom Makler-Pool BCA: „Vermittler müssen nicht nur auf die Qualität des ausgewählten Tarifs achten, sondern auch die RfB, das Eigenkapital, die Nettoverzinsung und das Geschäftsergebnis des jeweiligen Versicherers im Blick behalten.“ Hilfreich seien auch die Ergebnisse von Analysehäusern in puncto Beitragsstabilität. Vieles wird teurer, und fast überall muss gespart werden – eine Zeitenwende, der sich auch Makler stellen müssen.