Handelsblatt Strategiemeeting

Neue Bafin-Chefaufseherin richtet deutliche Worte an Lebensversicherer

Es war der erste größere Auftritt für Julia Wiens, der mit Spannung erwartet worden war. Auf einer Fachkonferenz richtete sie scharfe Worte an die Versicherungsbranche: Zahlreiche Lebensversicherer würden es mit dem Kundennutzen nicht zu genau nehmen.

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13:08 Uhr | 27. August | 2024
Julia Wiens

Die neue Chefaufseherin der Bafin für die Versicherungswirtschaft Julia Wiens sieht einige Missstände in der Branche.

| Quelle: BaFin/Matthias Sandmann

Es waren deutliche Worte, die die neue Bafin-Chefaufseherin Julia Wiens auf dem Strategiemeeting Lebensversicherung des Handelsblattes an diesem Dienstag in Richtung der Lebensversicherer richtete: „Sorgen Sie für einen angemessenen Kundennutzen.“ Das heißt: Sie sollen den Erwartungen der Kunden im Hinblick auf deren Absicherung und auf die Rendite gerecht werden.

Diese Vorgabe wird aus Sicht der Bafin von einigen Anbietern nämlich bislang offenbar sträflich vernachlässigt. Im vergangenen Jahr hatte die Bafin in ihrem Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten kapitalbildender Lebensversicherungsprodukte klare Erwartungen in Richtung der Branche formuliert und angekündigt, künftig auf einen risikoorientierten Aufsichtsansatz setzen zu wollen.

13 Unternehmen untersucht

13 Unternehmen, die im Hinblick auf Kosten und/ oder Stornozahlen auffällig wurden, hat die Bafin seitdem näher unter die Lupe genommen. Weitere werde folgen, versprach Wiens. Und stellte klar: „Was wir da bislang herausgefunden haben, gefällt uns überhaupt nicht.“

Ein Kritikpunkt hierbei: Einige Versicherer prüfen nicht ausreichend, ob ihre Produkte einen angemessenen Kundennutzen schaffen. So seien die Effektivkosten teils viel zu hoch, wodurch die formulierten Renditeziele in weite Ferne rückten. Die Erwartungshaltung der Bafin sei klar: „Wenn die Effektivkosten so hoch sind, müssen die Versicherer prüfen: Wird zumindest für diejenigen Versicherten das Renditeziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht, die ihren Vertrag ab dem bereits genannten Zeitpunkt kündigen – also nachdem bereits die Hälfte der Kundinnen und Kunden ihren Vortrag vorzeitig beendet haben? Nur dann kann von einem angemessenen Kundennutzen die Rede sein.“

Auch seien die Stornoquoten teils sehr hoch, insbesondere in den ersten Jahren nach Vertragsschluss. Hier sei es die Pflicht der Versicherer, so Wiens, zu analysieren, warum die Stornoquote so hoch ausfällt. Kommt sie dabei zu dem Ergebnis, dass die jeweiligen Produkte außerhalb des für sie festgesetzten Zielmarktes vertrieben werden, müssten die Versicherer ihre Vertriebsstrategie ändern.

Wiens betonte, dass die Bafin nicht bereit sei, diese Missstände weiter laufen zu lassen. „Wir können handeln. Und das tun wir auch.“ Mit Erfolg – so seien bereits Produkte, die keinen angemessenen Kundennutzen bieten, vom Markt genommen worden.“ Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Targo Lebensversicherung im Juli dieses Jahres den Vertrieb gleich mehrerer Produkte stoppte. Der Grund: wiederholt zu hohe Stornoquoten.

IT im Fokus

Auch im Hinblick auf die IT der Versicherer richtete Wiens mahnende Worte. „Funktionierende, stabile und sichere IT-Systeme sind das Rückgrat der Finanzbranche“, so Wiens. „Leider sind IT-Störungen oft hausgemacht. Zum Beispiel, weil Versicherer Systeme nicht rechtzeitig modernisieren.“  Veraltete IT-Systeme gefährdeten jedoch nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherer, sondern auch den Schutz der Kundendaten. Diese Gefahr wiege durch die steigende Zahl an Cyber-Attacken besonders schwer.

Die Versicherer sollten sich darum eindringlich mit ihrer IT beschäftigen und in leistungsfähige Systeme, aber auch die notwendigen Fachkräfte investieren. „Wir erwarten von Ihnen, dass Sie IT-Risiken ernst nehmen und entsprechend handeln“, so Wiens. In der Vergangenheit hatte die Bafin bereits mehrere Versicherer aufgrund derer IT-Probleme öffentlich angezählt.