„Frauen sind für Schicksalsschläge sensibilisierter“
Angelika Henker:
Es braucht keine pinken Finanzen oder rosa Produkte. Der Markt für Finanz- oder Vorsorgeprodukte lässt sich Unisex nutzen. Wichtig ist aber, wie man Frauen anspricht und hier gibt es Unterschiede und Bedarf. Auch wenn das nicht unbedingt direkt ausgesprochen wird, ist Finanzberatung sehr oft am männlichen Teil der Familie ausgerichtet – als Versorger und Verdiener.
Henker:
Beraterinnen machen es nicht besser, nur anders. Die weibliche Ansprache ist meist weicher, persönlicher, auf Augenhöhe und fokussierter angesprochen. Zudem fragen Frauen oft auch mehr und gezielter nach und können sich eher in die Zielklientel hineinversetzen. Wichtig ist es, alle Fakten zu haben, die man getreu dem Motto ‚Keep it simple‘ präsentieren kann. Das ist auch unser Weg. Viele Männer erschlagen ihre Kunden hingegen oft mit Fachbegriffen.
Henker:
Bei uns läuft es sehr gut und wir suchen bereits personelle Verstärkung. Viele Frauen haben einen guten Job und gutes Einkommen, aber oft zu wenig Zeit oder kein ausgeprägtes Interesse, sich um das Finanzielle und die eigene Vorsorge zu kümmern. Dafür haben sie aber ein langes Durchhaltevermögen, investieren mit mehr Bedacht und werfen ihre Grundprinzipien nicht so schnell über den Haufen. Für Berater bietet die Klientel viele und langfristige Anknüpfungspunkte. Der Bedarf ist da.
Henker:
Das Wichtigste ist, dass es keine Lippenbekenntnisse sind und man es ernst meint und sich in die Zielgruppe einfühlen kann. Beim Netzwerken macht es zudem wenig Sinn, sich in Herrennetzwerken zu bewegen, um an Frauen heranzukommen. Zudem sollte man sich Gedanken über die gewünschte Zielgruppe innerhalb der Zielklientel machen – falls es einen Fokus geben soll.
procontra:
Unterscheiden sich Denke und Strategien von Frauen? Was ist auf Produkt- und Tarifebene besonders zu beachten?
Henker:
Männer denken oft: „Nö, das passiert mir nicht“. Frauen sind für Schicksalsschläge sensibilisierter und setzen sich gezielter mit (persönlichen) Risiken und Zukunftsthemen auseinander. So sehen sie etwa im Bereich Pflege eher das das Elend und die finanzielle Notwendigkeit, sich abzusichern. Und auch das Thema Ruhestandsplanung gewinnt bei ihnen an Bedeutung.
Henker:
Nein. Die Produktgeber sind – in unterschiedlicher Qualität – bereits gut aufgestellt. Es braucht keinen neuen Hammer, um einen alten Nagel in die Wand zu schlagen. Pinke Finanzen oder rosa Produkte muss es wie bereits erwähnt nicht geben, das würde am Markt vorbeigehen. Wenn es gute Produkte sind, sind sie für Frauen und Männer gleichermaßen gut.
procontra:
Sie sind im März 2022 mit dem Fokus auf Frauen an den Start gegangen, nachdem Sie zuvor lange in der Unisex-Finanzplanung tätig waren. Welche Bilanz ziehen Sie bisher?
Henker:
Die Neugründung ist großartig angelaufen. Unser Fokus kommt gut an, wir gewinnen neue Mandantinnen und bekommen gutes Feedback für die Beratung. Wir stellen zudem mit einem Schmunzeln fest, dass immer noch Männer kommen. Sie stellen etwa 20 Prozent unserer Kunden. Etliche lassen sich lieber von einer Frau beraten, weil sie da nicht den Starken markieren müssen.