Wer wegen eines psychischen Leidens eine Therapie in Anspruch genommen hat und dann in die private Krankenversicherung wechseln möchte, muss mit einer Ablehnung rechnen. Eine zurückliegende Behandlung durch einen Psychotherapeuten stufen private Krankenversicherer oft als hohes Risiko ein, die meisten lehnen Neukunden mit Therapieerfahrung automatisch ab.
Aber nicht jeder lässt sich wegen einer Depression behandeln. Manche stecken vielleicht in einer kriselnden Ehe und wagen den Schritt zum Paartherapeuten. Doch auch das sehen viele Versicherer äußerst kritisch. Zusammen mit der PKV-Spezialistin Anja Glorius hat procontra Voranfragen für vier Musterkunden mit unterschiedlichen therapeutischen Behandlungen an 22 Versicherer geschickt. Dieses Mal wollten wir herauszufinden, ob auch eine Paartherapie ein Killerkriterium für den Wechsel in die PKV ist.
Nina (41), Management-Assistentin, Paartherapie mit Ehepartner zur Stabilisierung der langjährigen Partnerschaft, 15 Sitzungen vor 3 Jahren
Bei der Paartherapie gilt es zwei Besonderheiten zu bedenken: Zum einen ist sie privat veranlasst, also nicht auf Anraten eines Arztes, soll heißen: Es gibt keine Diagnose. Zum anderen handelt es sich um eine Selbstzahlerleistung, keine Krankenkasse übernimmt dafür die Kosten. Doch auch eine Paartherapie wird in der Regel von einer ausgebildeten Fachkraft vorgenommen. Wollen Versicherer dann wissen, ob es jemals eine Behandlung bei einem Psychotherapeuten gegeben hat, müssten Antragsteller die Frage dann bejahen – allerdings reduziert das wiederum die Chancen auf eine PKV. „Wenn sich dann herausstellen sollte, dass die Paartherapie in Anspruch genommen wurde, weil die Antragstellerin Angst vor einem Betrug durch ihren Partner hatte, ist das wieder ein echtes Problem“, sagt Glorius.
Bei der Musterkundin Nina trifft das zwar nicht zu, dennoch wurde sie von 15 Versicherern abgelehnt. Zwei Versicherer sind nach procontra-Rückfrage jedoch wieder zurückgerudert: Die ARAG wolle den Fall noch einmal intern prüfen. Eine Selbstzahlerleistung wie die Paartherapie, noch dazu ohne erkennbare Grunderkrankung, sei schließlich nicht relevant für die Risikoberechnung. Die Axa erklärt die Ablehnung mit „einem individuellen Fehler“. Die Reaktion entspreche demnach nicht der üblichen Annahmepolitik.
Die hohe Ablehnungsquote verwundert indessen auch Glorius. Wovor hat die Branche Angst? Viele befürchten offenbar, dass sich hinter der Paartherapie noch eine psychische Erkrankung verbergen könnte. „Eine Paartherapie lässt zunächst einmal offen, ob und bei welchem Partner eine krankhafte Störung existiert“, so die Barmenia. Deswegen fordert sie eine Selbstauskunft, um herauszufinden, ob Vorerkrankungen die Paartherapie erforderlich gemacht haben. Bei der Inter habe man die Erfahrung gemacht, dass im Rahmen der Paartherapie oft eine vorausgegangene oder parallel bestehende psychische Erkrankung festgestellt wird.
Risikovoranfragen für eine Interessentin mit Paartherapie-Erfahrung
Quelle: procontra in Zusammenarbeit mit PKV-Maklerin Anja Glorius
Bei der BBKK geht man sogar einen Schritt weiter: „Insbesondere bei psychischen Erkrankungen können relevante Vorerkrankungen hinter ,sozialverträglichen Ausweichdiagnosen' maskiert werden, so dass eine routinemäßige Nachbearbeitung zur Sorgfaltspflicht in der Risikoprüfung gehört“, erklärt der Versicherer auf Nachfrage. Dass allerdings jemand eine Paartherapie wegen einer psychischen Erkrankung macht, habe Glorius in ihren 20 Jahren Berufserfahrung noch nie gehört.
Fazit
Selbst bei einer Paartherapie müssen PKV-Interessierte mit einer Ablehnung, zumindest aber mit Nachfragen rechnen. Und dass, gleichwohl eine solche Behandlung privater Natur ist und die Kosten dafür von den Kunden selbst übernommen werden.
Allerdings zeigt der Test aber auch, dass es sich für Makler durchaus lohnen kann, eine Ablehnung noch einmal zu hinterfragen und auf eine individuellere Prüfung zu pochen. Der eine oder andere Versicherer könnte seine Entscheidung dann möglicherweise noch einmal überdenken. „Versicherer sollten das Thema gesellschaftspolitisch neu bewerten und die Stigmatisierung beenden“, fordert Glorius.