Inflation macht Vorsorgegeschäft schwieriger

So wird die Wiederanlage profitabel

Das Neugeschäft in der Altersvorsorge schwächelt und das Haushaltsbudget vieler Kunden ist durch die hohe Inflation enger geworden. Wie Vermittler daher durch systematische Beratung zur Wiederanlage neues Potenzial heben können.

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10:07 Uhr | 28. Juli | 2023
Hand hält leuchtende Glühbirne

Wie sollten Vermittler ihre Kunden beim Thema Wiederanlage beraten?

| Quelle: Urupong

Bei der Wiederanlage geht es den Versicherern darum, möglichst viel des aktuell ausgezahlten Kapitals wieder ins eigene Haus zurückzuführen. In der Vergangenheit schätzte die Schmidt Management Consulting (SMC) die Quote in Deutschland auf rund 10 Prozent. Aktuell geht Assekurata von einer Quote von 12 bis 13 Prozent aus.

„Die durchschnittliche Wiederanlagequote der von uns gerateten Lebensversicherer liegt bei rund 15 Prozent“, erläutert Lebensexperte Lars Heermann. Viele Lebensversicherer äußern sich nicht zu der Quote. Auf Anfrage nennt die Alte Leipziger eine Quote von 10 und die Gothaer von 25,3 Prozent. Solche großen Bandbreiten konnte in der Vergangenheit auch Assekurata am Markt feststellen. Die veröffentlichten Quoten zeigen: Die Wiederanlage von ausgezahlten Versicherungsgeldern ist ein schweres Geschäft.

Das gilt aber nicht unbedingt für Versicherungsmakler. Denn sie haben im Gegensatz zur Ausschließlichkeit auch die Möglichkeit, sich deutlich breiter aufzustellen – etwa über Kooperationen mit Vermögensberatern. Damit können sie ihre Kunden hinsichtlich des ausbezahlten Kapitals umfassender beraten. Wichtig ist es, eine hohe allgemeine Kontaktintensität für den Bestand zu entwickeln, um rechtzeitig vor Ablauf als kompetenter Ansprechpartner zu Verfügung zu stehen. „Die Bindung eines Bestandskunden hat höhere Erfolgsaussichten als die Akquise eines neuen, völlig unbekannten Kunden“, stellt Assekurata fest. Dabei hilft den Vermittlern die Vertragshistorie und das Wissen über die tatsächliche Höhe der Ablaufsumme.

Inflation macht Vorsorgegeschäft schwieriger

Zudem wird das Thema immer wichtiger. Die aktuelle Inflation, die vor allem auch auf Mieten durchschlägt, macht das Vorsorgegeschäft mit jungen Neukunden deutlich schwieriger. Gleichzeitig gehen schon jetzt hierzulande pro Jahr laut dem Statistischen Bundesamt über 1,3 Millionen Menschen in Rente. In den kommenden Jahren dürfte diese Zahl deutlich steigen, da sich die sogenannten Babyboomer dem Ende ihres Erwerbslebens nähern. Viele scheiden laut der Deutschen Rentenversicherung bereits mit 63 oder 64 Jahren aus dem Arbeitsmarkt aus und damit deutlich vor der Regelaltersgrenze. Das Potenzial schlummert im eigenen Bestand. Tag für Tag wurden 2022 rund 244 Millionen Euro an Versicherte ausbezahlt, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) errechnet hat. Insgesamt waren es fast 89 Milliarden Euro. Was gegenüber 2021 einem Plus von 5,3 Prozent entspricht.

Diese Leistungen werden künftig zunehmen. Noch immer wird das meiste Geld „auf einen Schlag“ ausbezahlt. 2022 waren es aus Haupt- und Zusatzversicherungen über 44 Milliarden Euro, was fast 50 Prozent der gesamten Leistungen der Lebensversicherer ausmacht. Rechnet man noch die vorzeitig gekündigten Policen hinzu, liegt der Anteil der Geldauszahlungen sogar bei über 66 Prozent. Als Königsweg der Wiederanlage gilt die Einmaleinzahlung in eine sofort beginnende oder aufgeschobene Rentenversicherung. Das zeigt auch die Statistik. Innerhalb der Einmalbeiträge in Höhe von 28,3 Milliarden Euro, die 2022 geleistet wurden, entfallen 19,4 Milliarden Euro auf Rentenpolicen.

Doch aktuell stehen die Lebensversicherer aufgrund des gestiegenen Zinses in starker Konkurrenz zu Banken und Investmenthäusern. Sie können direkt höhere Renditen für Anlagen bieten. Zwar profitieren auch die Lebensversicherer bei ihren Neu- und Wiederanlagen von den höheren Zinsen. Doch bis sich dies in den großen Beständen spürbar auswirkt „wird es noch Zeit brauchen“, wie der GDV erläutert. Kein Wunder also, dass die Einmalbeiträge bei den Versicherern 2022 um über 20 Prozent einbrachen. Diese Entwicklung dürfte sich 2023 fortsetzen. Vermittler und Versicherungsmakler müssen daher flexible Angebote machen, den Kunden frühzeitig ihre Möglichkeiten aufzeigen und genau auf die Wünsche und Bedürfnisse reagieren.

Versicherer bereiten Kunden auf eine Rückkehr vor

Dabei können Versicherungsmakler – die gut aufgestellt sind – ihren Kunden das Beste aus zwei Welten anbieten. Die Wiederanlage des Kapitals über eine Versicherung oder die Direktanlage am Kapitalmarkt. Die Versicherer bereiten ihre Kunden in der Regel auf die Rückkehr in die eigenen Arme vor. Grundsätzlich werden alle Kunden regelmäßig während der Laufzeit per Standmitteilung über den Status ihrer Vorsorge informiert. Die HanseMerkur hebt ihr „automatisches Erinnerungssystem für ablaufende Verträge“ hervor. „Vor Ablauf geht eine Erinnerung an den Vermittler und gleichzeitig an den LV-Sachbearbeiter. Im Verlauf gibt es eine zweite Erinnerung an den Vermittler mit der Bitte, eine Info zu einer etwaigen Wiederanlage zu geben“, so der Lebensversicherer.

Die Alte Leipziger hat für die Vertriebspartner ein Online-Tool entwickelt, in dem das Risikoprofil des Kunden ermittelt werden kann. „Im Anschluss können dann die passenden Produkte im Rahmen der Risikoaffinität angeboten werden“, erläutert Pressesprecherin Larissa Kreisel. Bei der Debeka versucht der Außendienst – angeschrieben wird zwölf Monate vor Auszahlungsdatum – einen Beratungstermin zu vereinbaren. Einen solchen „Besuchsauftrag“ erhält der Außendienstler auch bei der Signal Iduna, nach dem die Kunden jeweils zwölf und sechs Monate vor Ablauf der Police angeschrieben wurden.

„Unsere Berater werden bis zu zwei Jahre im Voraus über fällige Vertragsabläufe ihrer Kunden informiert“, sagt Swetlana Granatella, Pressesprecherin der Zurich. Ziel sei es, die Kunden frühzeitig zu kontaktieren und – sofern die Versicherungsleistung nicht verrentet wird – über die vielfältigen Anlagemöglichkeiten der Kapitalleistung zu informieren. Die Kunden sollen so ohne zeitlichen Druck gemeinsam mit dem Vermittler die für sie optimale Verwendung für den mittelfristig fälligen Auszahlungsbetrag finden. „15 Monate vor Ablauf des jeweiligen Vertrages erhalten unsere Vermittlerinnen und Vermittler die Wiederanlage-Leads über unser Vertriebsportal. Parallel dazu informieren wir unsere Kunden und Kundinnen über eine schriftliche Ablaufinformation sowie über eine Landing-Page über die Wiederanlage-Möglichkeiten bei AXA“, erläutert Christian D. F. Pape, Axa-Tribe Lead Omnikanal.

Vielfältige Wiederanlagemöglichkeiten

Bei der Allianz gibt es vier Monate vor Vertragsende ein sogenanntes Ablaufschreiben. Sechs Wochen vor Fälligkeit erhalten Allianz-Kunden eine Abrechnungsinformation. „Hierin erläutern wir die Möglichkeiten, wie das Geld verwendet werden kann, etwa als SofortRente oder über eine erneute Wiederanlage beispielsweise als Allianz SchatzBrief“, erläutert Franz Billinger, Kommunikationsleiter des Unternehmens. Zudem bietet die Allianz ein ParkDepot als spezielle Variante für die Wiederanlage für ablaufende Altersvorsorgeverträge unter dem Kürzel „APDW“ an. „Damit geben wir den Kundinnen und Kunden mehr Zeit und Flexibilität bei der Entscheidung zur weiteren Verwendung der Gelder“, so Billinger. Das Geld werde dann direkt aus dem ablaufenden Vertrag in das APDW eingebracht. Es müsse jedoch nicht zwingend die komplette Leistung eingebracht werden. Der Kunde könne auch nur einen Teil wiederanlegen.

Aktuell beträgt der Zinssatz 2,2 Prozent. Das APDW ist jederzeit kündbar, Entnahmen ab 1.000 Euro sind möglich. Zudem sei das APDW über das Sicherungsvermögen der Allianz Lebensversicherung mit besonderem Insolvenzschutz für Kunden und Kundinnen abgesichert. Demgegenüber bietet die Axa ihren Kundinnen und Kunden sogar über die Kooperation mit der Fondsdepot Bank auch Bankprodukte für eine Wiederanlage an. Hier haben zudem die öffentlichen Versicherer, die mit den Sparkassen kooperieren, die R+V, die mit den Volksbanken zusammenarbeitet und die Zurich, die mit Deutscher Bank und Postbank kooperiert, die Nase vorne.

Lesen Sie den vollständigen Text in der procontra Ausgabe 96 - August/September 2023.