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Zahnzusatzversicherung – sinnvoll oder überflüssig?

Die Zahnzusatzversicherung gilt als eine der beliebtesten Policen. Doch lohnt sie sich auch für die Kunden? Darüber streiten der Versicherungsmakler Daniel Seeger und Philipp Opfermann, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

14:10 Uhr | 16. Oktober | 2023
Zahnzusatzversicherung - sinnvoll oder überflüssig?

Ist eine Zahnzusatzversicherung eine unnötige Police? Darüber diskutieren Daniel Seeger, Geschäftsführer der ZVO (Zahnversicherungen-online) und Philipp Opfermann Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

| Quelle: procontra

Für den Zahnzusatzschutz argumentiert Daniel Seeger, Geschäftsführer der Zusatzversicherung Online GmbH und dort für den Fachbereich Krankenzusatzversicherungen verantwortlich

Zahnzusatz – eine überflüssige Police?

Ja, die Zahnzusatzversicherung schützt nicht vor einem existenzbedrohenden Risiko. Es geht nicht um sechs- oder siebenstellige Beträge im Versicherungsfall, wie bei einer RLV, BUV oder PHV. Es geht maximal um 10.000 oder 15.000 Euro. Hört sich überschaubar an und nach einer vermeintlich unnötigen Police.

Dennoch steigt die Nachfrage nach dem Versicherungsschutz für die Zähne Jahr für Jahr. Mittlerweile zählt Google jeden Monat fast 100.000 Suchanfragen für das Keyword „Zahnzusatzversicherung“. Woran liegt diese enorme Nachfrage, wie bei keinem anderen Versicherungsprodukt? Das ist ganz einfach und hat aus meiner Erfahrung zwei Gründe.  

Grund 1: Gepflegte Zähne sind heute nicht nur aus gesundheitlichen Aspekten, sondern ebenso aus ästhetischer Sicht für viele Menschen sehr wichtig. Keine schönen Zähne, kein Match bei Tinder. Professionelle Zahnreinigungen und umfassende Vorsorge werden immer beliebter.

Und wenn es tatsächlich zum Ernstfall kommt, wünschen sich Patienten keine Kassenkrone aus Gold, sondern ein modernes Implantat in Zahnfarbe. Diese Behandlungen werden nicht oder nur zu einem geringen Anteil von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. Für die befundbezogene Regelversorgung entscheidet sich niemand (freiwillig) und der Festkostenzuschuss deckt bei Implantaten vielleicht 20 Prozent der Kosten.  

Gute Zahnversicherungen bezahlen die professionelle Zahnreinigung und übernehmen bis zu 100 Prozent der Kosten für teuren Zahnersatz. Genau das, was Patienten wünschen.

Daniel Seeger

Daniel Seeger, Versicherungsmakler und Geschäftsführer der ZVO, weiß: Die Zahnzusatzpolice gehört nicht zum ‚unbedingt notwendigen‘ Versicherungsschutz, doch gibt es mindestens zwei Gründe, die für den Schutz sprechen.

| Quelle: Daniel Seeger

Grund 2: Bei einer Zahnzusatzversicherung ist die Frage nicht „ob“, sondern „wann“ Leistungen in Anspruch genommen werden. Um die Dritten Zähne kommen wir alle nicht herum. Den Menschen ist das bewusst und der Versicherungsbeitrag wird einer realen Leistung gegenübergestellt. Zudem wird die Versicherung „genutzt“. Zweimal pro Jahr wird bspw. die Zahnreinigung für 75 bis 100 Euro erstattet. Das fühlt sich für die Versicherten gut an und deswegen ist die Nachfrage nach Zahnversicherungen so enorm hoch.

Dann gibt es noch die „Sofortschutz“ Tarife wie bspw. ERGO Zahnersatz Sofort. Klar hat das nichts mit dem Versicherungsgedanken zu tun, denn der Leistungsfall ist bereits eingetreten. Für viele unserer Interessenten sind diese Tarife aber tatsächlich sinnvoll, weil Sie sofort und kalkulierbar Hilfe bei der Kostenübernahme Ihres Zahnersatzes erhalten. Sie lösen direkt ein (finanzielles) Problem.  

Jetzt kommt immer wieder das Argument, dass der Monatsbeitrag von 20 oder 30 Euro auch in einen ETF Sparplan gelegt werden kann. Ja genau, kann man machen. Aber wie viele Menschen machen das wirklich? Und wie viele sind so konsequent und fassen das Geld nicht an, bis die Dritten Zähne anstehen? Das sind die wenigsten.

Eine Zahnzusatzversicherung ist also keinesfalls eine unnötige Police. Sie gehört nicht zum ‚unbedingt notwendigen‘ Versicherungsschutz, ist aber für sehr viele Menschen eine gute Sache.

Gegen Zahnzusatzversicherungen argumentiert Philipp Opfermann, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Zahnzusatz? Mut zur Lücke!

Als Student bin ich einen alten Opel Ascona gefahren. Gerne denke ich an viele gemeinsame Touren zurück. Bei großem Durst von Auto wie Fahrer und kleinem Bafög war mein Schätzchen dann aber nur haftpflichtversichert. Aus der Studentenmöhre ist längst die geräumige Familienkutsche geworden, deren Kratzer und Flecken auf den Sitzen ebenfalls von täglichem Einsatz, etlichen Kilometern und Reisen mit Kindern zeugen. Das Auto genießt aber immerhin noch Teilkasko-Schutz. Ich bin mir also des Risikos bewusst und verzichte in Abwägung von Preis und Leistung auf Vollkasko.

Auch die Leistungen der GKV sind in vielen Fällen nicht mehr „Vollkasko“. Gerade rund um Krone und Implantat fallen Rechnungen schnell vierstellig aus. Zumindest wenn es ein bisschen mehr sein soll als die Kassenleistung. Beispiel Krone: Eine zahnfarbene Variante aus Keramik für den Backenzahn kostet gut 1.000 Euro. Bei einem Zuschuss der Kasse in Höhe von 210 Euro sind also rund 800 Euro selber zu zahlen. Das tut nicht nur am Zahn, sondern auch im Geldbeutel weh.

Millionen Menschen möchten daher den einschränkten Schutz durch eine private Zahnzusatzversicherung verbessert wissen. Der Wunsch ist verständlich und die Kassen machen es ihren Mitgliedern ja auch ganz leicht: sie schicken diesen unaufgefordert ein mehr oder weniger passendes Angebot vorausgefüllt mit. Schließlich sind sie ja oft genug Versicherungsvertreter ihres jeweiligen PKV-Partners. Auf diesem Wege werden sicher etliche Versicherte bequem „eingesammelt“ – eine individuelle Beratung dürfte dabei auf der Strecke bleiben.

Philipp Opfermann, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Philipp Opfermann, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, warnt vor dem Zusatzschutz: Mancher Tarif entpuppe sich im Leistungsfall aufgrund von Zahnstaffeln, Leistungsbegrenzungen oder Ausschlüssen als äußert lückenhaft.

| Quelle: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Doch sollte auf diese keinesfalls verzichtet werden, ist der Markt doch unübersichtlich und Bedingungen und Leistungsumfang für den Laien nur schwer vergleichbar. So stecken viele Verträge voller Tücken und mancher Tarif entpuppt sich im Leistungsfall aufgrund von Zahnstaffeln, Leistungsbegrenzungen oder Ausschlüssen dann doch als äußert lückenhaft. Nicht selten werden die Verträge dann im Laufe der Jahre mit steigenden Prämien auch gleich wieder ganz gekündigt.

Da gilt es genau abzuwägen, ob es denn wirklich einer Zusatzversicherung bedarf. Existenzbedrohend ist das Risiko Zahn wohl kaum. Und anders als bei Haftpflicht oder Arbeitskraftabsicherung kann etwaigen Schäden aktiv vorgebeugt und eigene Rücklagen für den Schadensfall gebildet werden. So kann durch ein gut geführtes Bonusheft der GKV-Zuschuss erhöht werden. Regelmäßig zurückgelegtes Geld auf einem „Zahnkonto“ wirft zudem auch wieder Zinsen ab.

Letztlich gilt bei der Mundhygiene genau wie beim Versicherungsschutz: Regelmäßige Pflege und Vorsorge verhindern oft größere Schäden. Zwar gibt es beim Besuch beim Versicherungsberater keinen Stempel ins Bonusheft, aber auch den Versicherungsschutz gilt es regelmäßig zu pflegen und zu kontrollieren. Nicht immer muss es dabei der Vollkasko-Schutz sein.

Ist die Zahnzusatzversicherung ein sinnvoller Schutz?