Wohl kein Versicherungs-Thema wurde in der vergangenen Zeit so breit und öffentlichkeitswirksam diskutiert wie die Betriebsschließungsversicherung. Die Weigerung vieler Versicherer, für Corona-bedingte Einnahmeausfälle zu zahlen, schaffte es in alle großen Nachrichtenmagazine und -sendungen und wurde zuletzt gar von der Satire-Sendung "Heute-Show" aufgegriffen.
Nicht nur in Deutschland beschäftigt das Thema Versicherer und Versicherungsnehmer. Auch in anderen Ländern arbeiten sich Medien, Politik und Gerichte mit dem Konflikt zwischen Gastronomen und Versicherern ab. Ein Überblick:
USA: Lichter gehen aus
Der Times Square gehört sicherlich den berühmtesten Plätzen auf dieser Welt. Millionen Besucher strömen Jahr für Jahr hierhin, um das Farbspektakel der zahlreichen Werbe-Displays live zu erleben.
Am Mittwoch vergangener Woche wurde es jedoch auf einmal schlagartig für eine Minute dunkel. Den kurzfristigen Blackout hatte die Business Interruption Group (BIG) durchgesetzt, eine Gruppe von Restaurant- und Geschäftsbetreibern, die über ausbleibende Zahlungen der Versicherer verärgert ist. „Die Aktion soll symbolisieren, wie uns die Versicherer das Licht ausschalten“, erklärte BIG-Anwalt John Houghtaling gegenüber dem Fernsehsender CNN. „Leistungsanträge wurden generell verweigert, egal was in den Policen stand“, kritisierte Houghtailing.
Längst ist das Thema Betriebsschließungsversicherung bzw. „Business Interruption Insurance“ zum Politikum geworden, zu dem selbst US-Präsident Donald Trump seine Meinung kundtat. Laut Trump hätten viele Leute über Jahre ihre Prämien gezahlt, um im Fall der Fälle Versicherungsschutz zu haben. „Aber wenn die Unternehmen den Versicherungsschutz in Anspruch nehmen wollen, sagen die Versicherer: Wir gewähren ihn Dir nicht. Das können wir nicht akzeptieren“, sagte Trump im April während eines Pressetermins im Weißen Haus und erhöhte somit den Druck auf die Versicherer.
Großbritannien: Musterverfahren gegen 16 Versicherer
Auch im Vereinigten Königreich sorgen geschlossene Pubs und Restaurants für Ärger zwischen deren Besitzern und den Versicherern. Im medialen Spotlight dieser Auseinandersetzung fand sich vor allem der Versicherer Hiscox wieder. Maßgeblich verantwortlich hierfür ist der französische Promi-Koch Raymond Blanc, der seit Jahrzehnten als Gastgeber diverser Kochshows im britischen Fernsehen fungiert und 2007 von der Queen zum Ritter geschlagen wurde.
Aufgrund der Corona-Krise hatte Blanc die 37 Filialen seiner Restaurantkette „Brasserie Bar Co“ schließen müssen – eine Entschädigung aus seiner Betriebsschließungsversicherung bei der Hiscox erhielt Blanc jedoch nicht, so dass dieser den Konflikt öffentlichkeitswirksam in die Medien brachte. Ein dankbares Thema für den englischen Boulevard, der prompt zum rhetorischen Groß-Geschütz griff: „TV-Koch Raymond Blanc zieht in den Krieg gegen den Versicherer Hiscox“, titelte beispielsweise die „Daily Mail“. Auch andere Gastronomen bereiteten Klagen vor.
Nun will die britische Finanzaufsicht FCA (Financial Conduct Authority) für Rechtssicherheit sorgen und klagt gegen 16 zuvor ausgewählte Versicherer, unter ihnen die Axa, die Allianz, Hiscox und die Zurich. Aus 500 verschiedenen Policen hat die FCA dabei insgesamt 17 Formulierungen herausgesucht, gegen die sie nun Klage eingereicht hat. Durch das Musterverfahren sollen die Versicherungsnehmer erkennen können, in welchen Fällen ihre Betriebsschließungsversicherungen leistet und in welchen nicht. Die betroffenen Versicherer haben dem Verfahren zugestimmt.
„Mit dem Verfahren wollen wir Sicherheit und Klarheit für alle Beteiligten, Versicherte sowie Versicherer, schaffen“, erklärte Interims-Behördenleiter Christopher Woolard. Eine Entscheidung wird für die zweite Julihälfte erwartet.
Nach wie vor hält die Finanzaufsicht jedoch an ihrer Ansicht fest, dass für die meisten Versicherungsnehmer kein Versicherungsschutz aufgrund von Covid-19 besteht, da die meisten Policen lediglich Sachschäden abdecken würden.
Seite 1: Britische Finanzaufsicht treibt Musterklage voranSeite 2: Epidemie oder Pandemie?
Schweiz: Epidemie oder Pandemie?
Auch in der Schweiz kämpfen viele Hoteliers und Gastronomen um ihre wirtschaftliche Existenz. Entsprechend steht auch hier das Thema Betriebsschließungsversicherung – bzw. Betriebsunterbruchsversicherung – im Fokus. Während sich laut Medienberichten viele Versicherer dazu bereit erklärt hatten, auch im Corona-Fall für entstandene Schäden aufzukommen, verweigerten andere Unternehmen die Leistung und verwiesen darauf, dass ihre Policen zwar Epidemien, nicht aber Pandemien abdecken würden.
Neuer Schwung kam in Form eines Gutachtens in die Debatte, das den namhaften Experten für Versicherungsrecht Prof. Dr. Walter Fellmann von der Universität Luzern zu Wort kommen ließ. Dieser erklärte: „Nach meiner Einschätzung liegt somit kein Ausschluss vor, der bei grundsätzlicher Deckung von Epidemien Pandemien in bestimmter, unzweideutiger Fassung von der Versicherung ausschließen würde.“ Versicherer wie die Zurich kündigten kurze Zeit später an, ungeachtet der Formulierung im Versicherungsvertrag, leisten zu wollen. „In der Schweiz erhalten über 90 Prozent der bei Zurich versicherten Gastrobetriebe mit einer Epidemie-Versicherung die volle Pandemie-Deckung“, erklärte Zurich-Chef Mario Greco gegenüber dem „Blick“. Die übrigen Betriebe sollten kulant aus dem Solidaritätsfonds des Versicherers entschädigt werden.
Insgesamt rechnete die Zurich bislang mit Corona-bedingten Schäden in Höhe von 750 Millionen US-Dollar. Nun blickt der Versicherer aber gespannt in Richtung Großbritannien und wartete das von der FCA angestrengte Verfahren ab. Sollte der High Court hier allerdings zu dem Schluss kommen, dass die Zurich im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung auch in Großbritannien für Corona-bedingte Schäden zu zahlen habe, rechnet der Versicherer laut „Blick“ mit zusätzlichen Forderungen in Höhe von 200 Millionen Dollar.
Frankreich: Ein Urteil und 500 Millionen Euro
Das Thema Betriebsschließung schlägt auch in Frankreich hohe Wellen. Für Aufmerksamkeit auch in Deutschland sorgte ein Urteil des Pariser Handelsgerichtes. Dies sprach dem Betreiber von vier Restaurants in Paris eine Entschädigung durch seinen Versicherer, die Axa, zu. Dieser berief sich darauf, nicht zahlen zu müssen, da die Restaurants in Frankreich aufgrund einer allgemeinen Verfügung der französischen Regierung geschlossen worden waren. Nachdem die Axa zunächst ankündigte, in Berufung gegen das Urteil gehen zu wollen, schwenkte sie kurze Zeit danach um und verkündete, 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen zu wollen, um hiermit die Ansprüche kleiner und mittelständischer Betriebe bedienen zu können.
Hinweis: profino hat für Makler mit freundlicher Unterstützung der Zurich einen Hilfebereich eingerichtet. Hier finde Sie alles, was Makler unmittelbar wissen müssen aus den Bereichen "Ihre Beratung", "Ihr Maklerunternehmen" und "Ihre Gesundheit".
Seite 1: Britische Finanzaufsicht treibt Musterklage voranSeite 2: Epidemie oder Pandemie?