Betriebsschließungsversicherung: Mannheimer Urteil macht Gastronomen Hoffnung
Ein einstweiliges Verfügungsurteil des Landgerichts Mannheim vom 29.04.2020 (Az.: 11 O 66/20) lässt die Herzen der Hoteliers und Gastwirte höherschlagen. Zumindest die Herzen derer mit einer Betriebsschließungsversicherung (BSV). Denn entgegen der Ansicht vieler Versicherer, dass die per Allgemeinverfügung kollektiv geschlossenen Betriebe keinen bedingungsgemäßen Schadenfall darstellen, glauben die Richter am Mannheimer Landgericht sehr wohl an eine Leistungspflicht.
Bei dem Mannheimer Verfahren haben nun – soweit bekannt – zum ersten Mal Richter eine offizielle juristische Einschätzung in der aktuell heiß diskutierten BSV-Frage abgegeben. Geklagt hatte die Betreiberin zweier Berliner und eines Hamburger Hotels. Über den Weg der einstweiligen Verfügung wollte sie sich möglichst schnell die Leistungen aus ihren BSV-Policen sichern, die der Versicherer zunächst aus den bekannten Gründen abgelehnt hatte.
„Bedingungsgemäß versicherte Betriebsschließung“
Tatsächlich wurde ihre Forderung zwar abgelehnt, da die Anspruchshöhe nicht hinreichend dargelegt werden konnte und es auch an einem sogenannten Verfügungsgrund mangelte, wird seitens der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte erläutert. Die Hotelbetreiberin wird ihr Anliegen nun aller Voraussicht nach in einem auf das Verfügungsurteil folgenden Hauptsacheverfahren weiterverfolgen. Jedoch ist es für sie selbst und alle Beteiligten im BSV-Dilemma viel entscheidender, wie die zuständigen Richter die Sachlage einschätzen.
„Nach Auffassung des LG Mannheim liegt eine bedingungsgemäß versicherte Betriebsschließung vor“, fasst Stephan Michaelis, Fachanwalt für Versicherungsrecht von der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte aus Hamburg, heute in einem Sondernewsletter zusammen. Das Gericht begründet dies damit, dass im Fall der Betreiberin – und damit voraussichtlich auch bei einem Großteil der anderen Hoteliers und Gastwirte mit abgelehnten BSV-Leistungen – eine sogenannte faktische Betriebsschließung vorliegt.
Das bedeutet, dass die Schließung zwar per Allgemeinverfügung angeordnet wurde, was in den BSV-Bedingungen in vielen Fällen ausgeschlossen ist. Faktisch komme diese Art der Betriebsschließung aber einer Schließung im Einzelfall gleich, beispielsweise wenn Salmonellen in einem Restaurant entdeckt werden.
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In dem Verfügungsurteil heißt es: „Die Auswirkungen dieser behördlichen Anordnung haben folglich Auswirkungen wie eine Schließung eines Hotels im konkreten Einzelfall zur Desinfektion oder zur Eindämmung eines Krankheitsausbruchs allein in diesem Hotel.“ Daran würde es auch nichts ändern, dass geschäftliche Übernachtungen im beanstandeten Zeitraum weiterhin erlaubt waren und die Hotelrestaurants für „Take-Away“- oder Lieferbestellungen hätten kochen können.
„Dies wäre vor dem Hintergrund der Personalstruktur und der Ausrichtung einer Hotelgastronomie wirtschaftlich unsinnig gewesen“, erläutert man bei der Kanzlei Wirth die Situation genauer. Die BSV-Anbieter beurteilen die Situation von Hotels und Gaststätten aufgrund dieser verbliebenen Möglichkeiten nur als Teilschließung. Versichert seien aber grundsätzlich nur vollständig geschlossene Betriebe. Allerdings machen geschäftliche Übernachtungen in vielen Hotels nur einen sehr kleinen Teil des Umsatzes aus und bei vielen Restaurants drücken der Verlust von Getränkebestellungen und die insgesamt deutlich geringeren Bestellungen stark auf den Absatz. Auch diesen Umstand haben die Mannheimer Richter bei ihrer Entscheidung bedacht, dass die Situation der Hoteliers und Gastwirte faktisch einer vollständigen Betriebsschließung gleichkommt.
Covid-19 einfach ausschließen geht nicht
Zudem greift das Verfügungsurteil auch das Argument vieler Versicherer auf, dass Covid-19 nicht als Krankheit oder Erreger im Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgelistet ist beziehungsweise dies nur per Verordnung zum 01.02.2020 erfolgte. Da der Erreger bei Vertragsschluss nicht unter den §§ 6 und 7 IfSG gelistet war, bestehe bei Corona-bedingten Betriebsschließungen kein Leistungsanspruch, heißt es von Seiten mancher Versicherer. In ihren Bedingungen findet sich aber keine abschließende Auflistung der versicherten Erreger, sondern nur der Verweis auf das IfSG.
„Da der Versicherer es selbst in der Hand hatte, einen eindeutig abschließenden Katalog der Erreger aufzunehmen, sei auch Covid-19 von der – regelmäßig – dynamischen Bezugnahme auf die Paragrafen 6 und 7 des IfSG umfasst“, schlussfolgert die Kanzlei Wirth in einer Pressemitteilung zum Urteil.
Die Mannheimer Entscheidung entkräftet damit die beiden hauptsächlichen Argumente der BSV-Anbieter für eine Leistungsablehnung. Beim DEHOGA Baden-Württemberg bewertet man dies als positives Signal, da es zu der konfliktreichen Thematik bislang noch keine einschlägigen Gerichtsurteile gebe. Mit Spannung dürften alle Beteiligten nun das Urteil im Hauptsacheverfahren erwarten. Sofern dieses argumentativ gleichlautend mit dem jetzigen Verfügungsurteil ausfallen wird, dürfte es auch interessant sein, ob sich andere Gerichte der Mannheimer Entscheidung anschließen werden.
Wackelt die „bayerische Lösung“?
Wackeln könnte in Folge dessen auch die „bayerische Lösung“, bei der einige Versicherer freiwillig 10 bis 15 Prozent der eigentlichen Versicherungsleistung auszahlen. Die Versicherungsnehmer verzichten mit der Annahme des Vergleichs aber auch alle weiteren Ansprüche in Verbindung mit Corona-bedingten Schäden. Zwar berichteten Versicherer bislang von einer großen Annahmebereitschaft des Kompromisses. Jedoch schwelt auch weiterhin weitläufige Kritik an der Maßnahme.
Juristen raten den betroffenen Gewerbetreibenden, Vergleichsangebote genau zu prüfen. Die Annahme eines Kompromisses könne schließlich auch sinnvoll sein, etwa unter dem Aspekt einer schnellen Finanzspritze. Die Mannheimer Entscheidung macht allerdings auch Hoffnung, deutlich mehr Leistung aus der eigenen Police zu erhalten. Allerdings müssten die Versicherungsnehmer dann selbst den Klageweg beschreiten. Dieser kann eventuell mehrere Jahre dauern, mit ungewissem Ausgang. Auch in Mannheim ist bereits jetzt absehbar, dass es im Falle eines kundenfreundlichen Urteils nicht bei der erstinstanzlichen Entscheidung bleiben wird.
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