Maklerhaftung

Beratungsverzicht bei Rürup-Rente? OLG-Urteil sorgt für Fragezeichen

Können Verbraucher einfach auf die Beratung zu einer fondsgebundenen Basis-Rentenversicherung verzichten oder ist das Produkt dafür zu komplex? Rechtsanwalt Tobias Strübing ärgert sich diesbezüglich über einen Beschluss des OLG Nürnberg.

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13:03 Uhr | 12. März | 2025
Tobias Strübing

Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte.

| Quelle: Kanzlei Wirth Rechtsanwälte

„Ich schaue sehr kritisch auf die Entscheidung des OLG Nürnberg“, sagt Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Diese würde den Schutz der Verbraucher schwächen und sie, sowie auch Vermittler und Versicherer, mit Rechtsunsicherheiten zurücklassen.

In dem Fall, der am 9.01.2025 per Beschluss entschieden wurde (Az. 8 U 1684/24), hatte ein Mann nach einem etwa 45-minütigen telefonischen Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter eines Versicherers ein Antragsformular für eine fondsgebundene Basis-Rentenversicherung (Rürup-Rente) gegen Einmalbeitrag erhalten. Darin war in einem Kasten die Option „Ich verzichte auf die Beratung“ bereits vorgedruckt und angekreuzt und wurde so vom Kunden unterschrieben. Den Einmalbeitrag von 30.000 Euro erbrachte er. Einige Zeit später machte der Mann rund 31.000 Euro als Schadenersatz geltend, zunächst vor dem Landgericht Regensburg (Urteil vom 19.07.2024; Az. 34 O 1349/23). Er sei der Auffassung, nicht ausreichend beraten worden zu sein und die Folgen seines Beratungsverzichts nicht richtig verstanden zu haben.

Beratungsverzicht bei Rürup-Fondsrente

Doch das LG lehnte eine Beratungshaftung aufgrund seines Beratungsverzichts ab und das OLG Nürnberg folgte dieser Sichtweise. Im Kern ging es um die Klärung der Frage, ob der Beratungsverzicht zwingend auf einer, vom Antragsformular körperlich losgelösten eigenen Urkunde erfolgen müsse. Dies verneinte das OLG. Die Erklärung und die hierauf bezogene Unterschrift des Versicherungsnehmers müsse sich deutlich vom übrigen Text des Antrags abheben.

Zwar verwiesen die Richter darauf, dass der Beratungsverzicht Ausdruck eines Verhandlungsungleichgewichts zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer sein kann. Sofern ein offensichtlicher Beratungsbedarf vorliegt, kann der Beratungsverzicht aufgrund von Sittenwidrigkeit unwirksam sein. Dies sei hier aber nicht der Fall und hätte vom Versicherungsnehmer bewiesen werden müssen.

Beratungsverzicht bei allen Produkten?

Der Aspekt mit dem Beratungsbedarf ist Auslöser für Strübings Kritik. „Denn diese Entscheidung lässt sich so auch auf den Beratungsverzicht für Vermittler gemäß § 61 Abs. 2 VVG übertragen und hat damit Auswirkungen auf die gesamte Branche“, sagt der Jurist. Gerade bei komplexen und erklärungsbedürftigen Produkten wie einer fondsgebundenen Basis-Rentenversicherung bestehe mit Sicherheit sehr häufig ein hoher Beratungsbedarf, so Strübing. Dem folgend müsste der Beratungsverzicht in diesem Fall aufgrund von Sittenwidrigkeit unwirksam sein. Andernfalls könnte auch bei allen anderen komplexen Produkten einfach auf die Beratung verzichtet werden.

Strübing kritisiert auch, dass das OLG Nürnberg die Verzichtserklärung als eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung sehe, sodass eine sogenannte AGB-Kontrolle auch mit Blick auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht in Betracht komme. „Nach dieser Vorschrift wären solche Formularklauseln unwirksam, die mit dem wesentlichen Grundgedanken der verbraucherschützenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes unvereinbar wären“, schreibt der Fachanwalt in einer Presseerklärung seiner Kanzlei. Dies sieht er hier gegeben, da eine fondsgebundene Basis-Rentenversicherung ein besonders hohes Maß an Verbraucherschutz voraussetze.

„Die Tragweite dieser Entscheidung ist meines Erachtens so weitgehend, dass eine höchstrichterliche Überprüfung durch den BGH mehr als wünschenswert gewesen wäre“, betont Strübing. Dass es dazu kommt, sei aber unwahrscheinlich. Denn das OLG habe den Fall im Wege eines Beschlusses nach § 522 ZPO entschieden. Dies würde eine Revision zum Bundesgerichtshof zumindest erschweren.