Wann die Haftpflichtversicherung (nicht) leisten muss
Wer sich über seinen Versicherer ärgert, zum Beispiel weil dieser einen gemeldeten Schaden nicht oder nicht vollständig bezahlen möchte, kann sich an den Versicherungsombudsmann wenden. Die Schlichtungsstelle bewertet die Situation fachlich, sucht nach einer Einigung zwischen Versicherer und Kunden und kann im Ernstfall den Versicherer, wenn sie es für richtig hält, bis zu einem Betrag von 10.000 Euro zur Leistung verpflichten. Zwar gehört die Allgemeine Haftpflichtversicherung generell zu den Sparten, über die verhältnismäßig wenige Beschwerden eingehen. Jedoch verzeichnete diese im Jahr 2023 einen Anstieg von zuvor 497 auf 605 zulässige Beschwerden (+21,7 Prozent). Mit dabei waren auch wieder einige interessante Fälle, die der mittlerweile abgetretene Ombudsmann Dr. Wilhelm Schluckebier in seinem letzten Jahresbericht zusammengestellt hat:
Fremdschaden im eigenen Haus
Für die Eltern eines Mannes war in dessen Haus ein dingliches Wohnrecht eingetragen. Die Eltern bewohnten die Räume im Erdgeschoss und hatten sich das Wohnzimmer unter anderem mit einer Holzdecke, einer Heizkörperabdeckung und Tapeten nach ihren Vorstellungen verschönert. Über dem Wohnzimmer liegt eine Terrasse, die eine bauliche Undichtigkeit aufwies. Dort drang Regenwasser ein und verursachte einen erheblichen Feuchtigkeitsschaden. Auch die Wohnräume der Eltern waren betroffen, unter anderem die Holzdecke und andere Verkleidungen. Doch der Privathaftpflichtversicherer lehnte die Regulierung als nicht versicherten Eigenschaden ab. Der Ombudsmann wies den Versicherer darauf hin, dass die Eltern zwar keine baulichen Veränderungen an Gebäude und Grundstück durchführen dürften, das Gesetz Maßnahmen geringeren Umfangs aber zulasse, wozu beispielsweise auch eine Holzdecke im Wohnzimmer zähle. Es handle sich um keine grundliegende Um- oder Neugestaltung, so dass sich die Verkleidungen im Eigentum der Eltern befänden und somit kein Eigenschaden vorliege. Mit dieser Argumentation konnte er den Haftpflichtversicherer von einer Vergleichslösung überzeugen, wodurch die Eltern einen Teil ihres Schadens ersetzt bekamen.
Wenn der Garten ein Wald ist
Noch nicht um einen Schaden, sondern vielmehr um den Einschluss aller seiner Grundstücksteile ging es dem Kunden eines Privathaftpflichtversicherers. Der Eigentümer eines Einfamilienhauses verfügt über ein zusammenhängendes Privatgelände von ca. 30.000 Quadratmetern, das sich neben seinem Garten auch aus mehreren Flurstücken und Waldflächen zusammensetzt. Der Privathaftpflichtversicherer war nicht bereit, im Hinblick auf die mit dem gesamten Gelände verbundenen Gefahren Versicherungsschutz zu bestätigen, sondern tat dies nur für die Flurstücke, bei denen eine unmittelbare Verbindung zum Einfamilienhaus besteht. Hier konnte letztendlich auch der Ombudsmann nichts mehr für den Kunden herausholen. Gärten, die zur Immobilie gehören, seien zwar mitversichert und dazu könne auch mal mehr als nur ein Flurstück gehören. Eine derart große Gesamtfläche, zusammengefasst aus mehreren Grundstücken, könne aber nicht mehr als Garten bezeichnet werden, zumal sich darauf mehrere Waldgrundstücke befinden, so der Ombudsmann.
Haftpflichtversicherung ohne Frist sofort kündigen
Ein Kunde wollte seine Privathaftpflichtversicherung außerordentlich kündigen. Dabei berief er sich auf § 312k Absatz 6 BGB, wonach Verbraucher einen im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossenen Vertrag jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen können, wenn das Unternehmen auf seiner Internetseite keine Kündigungsschaltfläche zur Verfügung stellt. Der Ombudsmann erläuterte ihm jedoch, dass der Paragraph bei Verträgen über Finanzdienstleistungen keine Anwendung finde, auch wenn es dazu durchaus kritische Stimmen in der Rechtsliteratur gebe.
Ansprüche entweder regulieren oder abwehren
Beim Spaziergang mit ihrem Hund bellte dieser eine Fahrradfahrerin an. Diese wich erschrocken aus und rammte ein geparktes Auto, das dadurch beschädigt wurde. Der Hundehalter-Haftpflichtversicherer wollte jedoch nicht leisten, da es sich aus seiner Sicht um einen mittelbaren Schaden handelte. Darüber hinaus bot er nichts an. Der Ombudsmann wies den Versicherer im folgenden Schlichtungsverfahren darauf hin, dass die Kundin in ihrer Eigenschaft als Tierhalterin für den Schaden am Auto in Haftung genommen werde. Ombudsmann erinnerte den Versicherer deshalb an die passive Rechtsschutzfunktion seines Produkts: „Wenn Sie der Meinung sind, dass die Beschwerdeführerin für den Schaden nicht verantwortlich gemacht werden kann, dann müssen Sie zumindest Versicherungsschutz in Form der Anspruchsabwehr bestätigen.“ Denn bei einer ungerechtfertigten Deckungsablehnung oder Untätigkeit, müsse der Versicherer den vollen Betrag bezahlen, wenn der Kunde die Zahlung zunächst selbst übernimmt, so der Ombudsmann. Eine extra Haftungsprüfung finde dann nicht mehr statt. Daraufhin lenkte der Versicherer ein und leistete vollumfänglich für den entstandenen Schaden.