Ein Goldpreis von 10.000 US-Dollar wäre eine wirtschaftliche Katastrophe
procontra: Seit Juni kennt der Goldpreis kein Halten mehr. Mit 1.540 US-Dollar je Feinunze notiert er derzeit auf dem höchsten Stand seit sechs Jahren. Was sind die Gründe für den plötzlichen Höhenflug?
Eugen Weinberg: Der Goldpreis wird vor allem von zwei Faktoren getrieben: Angst und Gier. Geopolitische Unruhen wie der Handelskrieg zwischen den USA und China oder auch der Brexit verunsichern Anleger zunehmend. Hinzu kommen schlechte Konjunkturdaten, die die Angst vor einer drohenden Rezession schüren. Das weckt bei Investoren den Wunsch, ihr Kapital in sichere Häfen wie Gold zu bringen.
procontra: Aber Brexit und Handelskrieg bestimmen doch seit fast zwei Jahren die Schlagzeilen, während der Goldpreis lange seitwärts lief. Wie passt das zusammen?
Weinberg: Wir nehmen Krisen sehr unterschiedlich war. Ja, Handelskrieg und Brexit erzeugen medial schon länger große Wellen. Aber an den Kapitalmärkten stiegen die Kurse lange unbeeindruckt weiter. Das hat sich erst vor kurzem geändert. Man kann sagen: Anleger haben erst jetzt begonnen, auf die Krise zu reagieren und mit ihrem Vermögen in Gold zu flüchten.
procontra: Welche Rolle spielt die Geldpolitik?
Weinberg: Hier kommt die Gier ins Spiel. Vielen Beratern ist nicht bewusst, dass wir längst in einer Welt negativer Realzinsen leben. Wenn Sparer mit ihrem Bankguthaben nicht einmal mehr die Inflation ausgleichen, dann ist der Zins nicht null, wie viele Anleger glauben, sondern längst negativ. Derzeit liegt die Rendite nach Inflation in der Eurozone bei minus zwei Prozent. Sparer verlieren also Jahr für Jahr zwei Prozent Kaufkraft, wenn sie ihr Geld bei der Bank parken. Das macht Gold als Alternative attraktiv.
procontra: Gold bringt aber auch nichts ein, jedenfalls keine Zinsen oder Dividenden.
Weinberg: Das stimmt. Und darüber hinaus fallen auch noch laufend Kosten an, zum Beispiel für die Lagerung und Versicherung. Aber mit dem negativen Zins auf Bankeinlagen sinken diese Opportunitätskosten der Goldhaltung. Gold ist also weniger wertverzehrend als Sparguthaben.
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procontra: Zudem steigt derzeit der Preis. Wie geht es weiter?
Weinberg: Die Rally ist keine Eintagsfliege, sondern könnte mehrere Jahre anhalten, wenn das Marktumfeld weiterhin so günstig bleibt wie jetzt. Die Gefahr eines ausufernden Handelskonflikts ist nicht von der Hand zu weisen. Gut möglich, dass bald noch ein Währungskrieg hinzukommt: Schon heute zeichnet sich ein gewisser Wettbewerb zwischen den Zentralbanken ab, wer seine Währung am stärksten abwerten kann. Künftig könnte sich dieser Trend verschärfen. Anleger dürften dann in eine unabhängige Währung flüchten, die losgelöst von den Zentralbanken agiert.
procontra: Also Gold?
Weinberg: Genau. Jahrhundertelang war Gold ein weltweit akzeptiertes Zahlungsmittel. Heute zahlen wir zwar nicht mehr mit Gold. Doch noch immer weist das gelbe Metall viele Parallelen zu klassischen Währungen auf. So halten die Zentralbanken in ihren Reserven einen hohen Anteil an Gold, und viele haben diese Reserven zuletzt aufgestockt.
procontra: Welche Funktion erfüllt Gold nun ganz konkret im Portfolio?
Weinberg: Gold ist eine Versicherung gegen schlechte Zeiten. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Der aktuelle Preis je Feinunze entspricht der Versicherungsprämie, deren Höhe wiederum spiegelt den Zustand des Finanz- und Währungssystems wider. Investoren müssen sich also nur noch fragen, wie viel ihnen dieser Versicherungsschutz wert ist. Dann haben sie auch die Antwort auf den richtigen Einstiegszeitpunkt.
procontra: Wie investiert man am besten in Gold?
Weinberg: Dafür gibt es keinen Königsweg. Gold kann man in physischer Form halten, also als Barren oder Münzen. Dann fallen zwar in der Regel Kosten für die Lagerung an. Die halten sich aber gemessen am Vermögenswert in Grenzen. Wer diese Kosten sparen möchte, kann auch auf Gold-ETFs setzen. Die Anbieter investieren das Geld der Anleger komplett in physisches Gold. Kauf und Verkauf sind leichter abzuwickeln als bei physischem Gold. Außerdem ist der Preis oft günstiger als im Direkthandel, weil die ETF-Anbieter mit größeren Mengen handeln.
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procontra: Nicht nur Gold, auch Silber hat zuletzt eine Rally hingelegt. Ist das Metall eine Alternative für Gold-Investoren, denen der Markt zu heiß gelaufen ist?
Weinberg: Nein. Silber erfüllt eine gänzlich andere Funktion im Portfolio als Gold. Die Volatilität ist deutlich höher. Damit eignet sich Silber gut für Anleger, die auf Wertzuwachs spekulieren möchten. Geht es Investoren dagegen darum, ihr Portfolio krisenfest zu machen, sind sie bei Silber völlig falsch.
procontra: Warum?
Weinberg: Wenn es an den Märkten bergab geht, dann steigt der Goldpreis üblicherweise. Bei Silber ist das nicht unbedingt so. Das zeigte sich während der Wirtschafts- und Finanzkrisen in den Jahren 2001 oder 2008 und 2009: Beide Male blieb der Goldpreis relativ stabil und stieg sogar, während Silber wie fast alle anderen Anlageklassen in den Keller rauschte. Sogar für den Gesetzgeber nimmt Silber einen anderen Stellenwert ein: Gold ist von der Mehrwertsteuer befreit, Silber-Investoren müssen diese Steuer zahlen. Das zeigt: Der Gesetzgeber sieht Silber nicht wie Gold als Währung, sondern als Rohstoff und damit als Ware.
procontra: Wie geht es für den Silberpreis weiter?
Weinberg: Silber ist in erster Linie ein Industriemetall. Der Großteil der Nachfrage kommt aus der Autoindustrie. Entsprechend ist der Preis anfällig für Korrekturen, wenn es für die Wirtschaft bergab geht. Bleibt die Rezession aus, würde sich Silber im Schlepptau von Gold entwickeln und der Preis mit einer größeren Amplitude nach oben wie unten mit dem Goldpreis schwanken.
procontra: Im August fiel der ifo-Index auf den schlechtesten Wert seit 2012. Das Instrument gilt als wichtigstes Barometer für die Lage der deutschen Wirtschaft. Können Gold-Investoren schon bald auf zusätzliche Krisengewinne hoffen?
Weinberg: Darauf würde ich nicht spekulieren. Kunden fragen mich regelmäßig, wann der Goldpreis die Marke von 10.000 US-Dollar knacken wird. Ich frage dann immer zurück, ob sie das wirklich wollen würden. Denn einen solchen Preis dürfte Gold nur erreichen, wenn das Finanzsystem kollabiert. Wenn man aber seinen Job verliert und das eigene Vermögen nichts mehr wert ist, dann hat man an seinem Goldbarren auch keine Freude mehr. Ich würde Gold immer behandeln wie eine Versicherung: Man schließt sie ab und hofft, dass man sie nie braucht. Deshalb sollten Anleger auch ihren Einstiegskurs am besten gleich wieder vergessen.
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