„Familienunternehmen aus allen Branchen stehen immer häufiger vor der Herausforderung, einen Nachfolger außerhalb der Familie zu suchen,“ so Nicolas Rädecke, geschäftsführender Gesellschafter der Deutschen Unternehmerbörse. Das Portal hat auch ermittelt, dass bis Ende 2021 über 150.000 Unternehmen eine Übergabe an einen Nachfolger anstreben. Dabei nehmen die familieninternen Nachfolgen deutlich ab. Die Suche nach externen Käufern für die Nachfolge demnach deutlich zu. Es ist anzunehmen, dass sich diese Trends ebenfalls bei Versicherungsvermittlern wiederfinden lassen. Erschwerend kommt hier hinzu: Anders als bei der Übernahme der Familien-Brauerei, muss der Nachfolger im Maklerbüro oder der Versicherungsagentur auch Sachkunde nachweisen. Vermittler, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen wollen, müssen sich also vermehrt mit dem Gedanken an eine externe Nachfolge anfreunden.
Aber wie schätzt man den Wert des eigenen Bestands – nicht selten ein Lebenswerk – richtig ein? Manch Vermittler behilft sich mit einfachen Formeln wie dieser: Sach-Bestand mit Faktor drei, ergibt den Bestandswert. Doch so groß der Reiz solcher Rechnungen auch ist: Sie werden der Komplexität nicht gerecht.
Umsatz und Überschuss vergleichen
Wollen Makler sich einen ersten Überblick über den eigenen Bestandswert verschaffen, können sie ein kostenfreies Online-Tool des Resultate-Instituts nutzen. Die Firma aus München hat als AfW-Fördermitglied die aktuellen, anonymisierten Ergebnisse des Vermittlerbarometers nutzen dürfen, um ihren Online-Rechner zur Bestandsbewertung um ein bundesweites Makler-Ranking zu ergänzen. Damit kann sich jeder Makler mit seinen Kollegen in Sachen Jahresüberschuss und Jahresumsatz vergleichen.
Das Tool berechnet anhand der eigenen Eingaben des Maklers und einer statistischen Verteilungsfunktion die bundesweite Platzierung des Maklers und stellt ihm zudem auch gleich eine Wertindikation für seinen Betrieb oder seinen Maklerbestand zur Verfügung. „Auf Basis des Vermittlerbarometers erhält der Makler einen ersten Eindruck, wie sein Betrieb im Vergleich zu anderen Maklerbetrieben wirtschaftlicher dasteht und kann für sich unternehmerische Entscheidungen zur Optimierung ableiten“, so AfW-Vorstand Rottenbacher.
Andreas W. Grimm, Geschäftsführer des Resultate-Instituts, nennt ein Beispiel für einen Makler (64), der den Bestandswert-Rechner nutzt und nun feststellt, dass er sich das Aufhören noch nicht leisten kann, weil der erzielbare Kaufpreis ihm zu gering erscheint. „Die Frage ist jetzt, wie er den Wert optimieren kann“, betont Grimm. Dazu könne er als ersten Indikator das Makler-Ranking nutzen und daraus ableiten, welche Maßnahmen sinnvoll sein könnten und welche nicht.
Auf Formalitäten achten
Aber gibt es so etwas wie „die wichtigste Kennzahl“? Tatsächlich kommt es auf die Gegebenheiten des Bestands an. Stellt sich beispielsweise heraus, dass viele Beratungen nicht dokumentiert wurden, kann sich deren Anzahl als wichtige Größe herausstellen, die den Bestandswert entscheidend verringert. Ganz ähnlich verhält es sich mit (fehlenden) Datenschutz- und Einverständniserklärungen. Und wie steht es um die Bewertung von Gewerbesach-Bestand? Schließlich erfordert Gewerbebestand mehr Aufwand. Das sollte sich doch in der Bewertung wiederspiegeln.
„Es gibt hier mehrere Wahrheiten“, sagt Andreas Grimm. „Je nachdem, welche Risiken der Betrachter sieht oder unterstellt, kommt er zu einer anderen Prognose und damit zu einem anderen Wertansatz“, erläutert Grimm und lässt ein Beispiel folgen: „Wenn Sie als Gewerbemakler ein paar wenige große Kunden haben, dann besteht ein nicht zu unterschätzendes Klumpenrisiko, was den Bestand einerseits sehr attraktiv, gleichzeitig aber sehr risikobehaftet werden lässt.“ Alexander Meixner (Vorstand Österreichischer Versicherungsmaklerring) führte gegenüber procontra aus: „Würde man den Wert zweier Maklerunternehmen - eines betreut nur Privatkunden, das andere nur Gewerbekunden - mit jährlich identen Cashflows nach DCF bewerten, so besteht ein Bewertungsspielraum zu Gunsten des Privatkundenmaklers von bis zu 15 Prozent.“ Dr. Philipp Kanschik (PolicenDirekt) äußerte sich auf profino ähnlich. Welche Kennzahlen wichtig sind, hängt aber auch von der angestrebten Übernahme ab. Makler, die sich beispielsweise für „Rentenlösung“ entscheiden, müssen vielmehr auf den „Bestandsabrieb“ achten. Also jene Kunden, die sich nach der Übernahme einen neuen Betreuer suchen. Privatkunden seien weniger wechselfreudig, so Kanschik.
Fazit: Makler, die ihren Bestand bewerten lassen wollen, sollten sich überlegen, welches Nachfolge-Modell zu ihnen passt. Soll weiter mitgearbeitet werden? Wird eine „Maklerrente“ angestrebt oder soll die ganze Firma auf einmal abgegeben werden? Der Bestandswert kann je nach Antwort anders ausfallen. Die eine alles entscheidende Kennzahl gibt es genauso wenig wie den einen Maklerbetrieb.
Vermittler, die sich auf die Nachfolge im Unternehmen vorbereiten, finden auf profino zahlreiche Webinare, um sich zu informieren.