Kfz-Versicherungen für E-Autos: „Hersteller wie Tesla werden uns Makler verdrängen“
procontra: Sie sagen, dass Sie sich als Makler auf die Versicherung von E-Autos spezialisiert haben. Wie kam es denn dazu?
Peter Bieger: Im April 2016 habe ich mir einen Renault Zoe mit Elektroantrieb bestellt. Bei der Recherche nach Kfz-Versicherungstarifen für E-Autos gab es damals nur wenige Möglichkeiten. Also habe ich begonnen, mir Bedingungen im Detail anzusehen und die Ergebnisse in einer Tabelle festgehalten. Ziel war es, den Menschen Infos zur Verfügung zu stellen, die es sonst nirgendwo gab und erst einmal in Vorleistung zu gehen und etwas zu geben, ohne direkt etwas zurückzubekommen. Bei dieser Vorgehensweise konnten potentielle Kunden mein Knowhow nutzen und den Abschluss alleine machen; aber es gab auch viele, die erkannt haben, dass da jemand mehr Ahnung als alle anderen hat und das Beratungsangebot gerne angenommen haben.
procontra: Welche Schritte waren denn notwendig, bis Sie von sich behaupten konnten, Profi auf diesem Gebiet zu sein?
Bieger: Ganz entscheidend war, dass ich damals den Zugang zu zwei großen Internetforen für E-Auto-Fahrer gefunden habe. Eines davon ist speziell für Tesla-Fahrer. Dort konnte ich Beiträge schreiben und die Fragen anderer Nutzer beantworten. Die Kunden kamen dann bald von ganz allein. Außerdem habe ich mir eine Internetseite gebaut, die meine Spezialisierung auf E-Autos herausstellt. Zusätzlich wurde ich auch offizieller Werbepartner für eines der Internetforen.
85 Prozent des Einkommens durch Kfz-Policen
procontra: Wie viele Kfz-Versicherungen für E-Autos haben Sie denn bisher vermittelt?
Bieger: Zu Beginn, also 2016, waren es 30. Ein Jahr später dann 120. Mittlerweile habe ich circa 1.800 Fahrzeuge im Bestand. Das sind ganz überwiegend Privatkunden und davon viele Tesla-Fahrer.
procontra: Die durchschnittliche Jahresprämie für eine Kfz-Haftpflichtdeckung plus Vollkasko liegt bei knapp 600 Euro. Ihren Umsatz machen Sie dann vor allem über das Cross-Selling?
Bieger: Nein, die Kfz-Versicherungen machen etwa 85 Prozent meines Einkommens aus. Da es sich bei den Fahrzeugen meiner Kunden in vielen Fällen um relativ neue, hochwertige Autos handelt, liegt die Durchschnittsprämie in meinem Bestand eher so bei 800 Euro. Damit fahren viele von ihnen preislich aber relativ günstig.
procontra: Können Sie so hohe Rabatte geben?
Bieger: Rabatte hängen ausschließlich mit den Möglichkeiten der Maklerdienstleister zusammen, mit denen ich zusammenarbeite. Da gibt es durchaus Unterschiede. Ganz wichtig war für mich der Zugang zu einem Pauschalpreiskonzept für Elektroautos. Als 2012 die ersten Renault Zoe, Nissan Leaf und Tesla zugelassen wurden, gab es kaum Kfz-Versicherer, die sich mit so einer kleinen Nische beschäftigen wollten. Deshalb suchten damals alle E-Autokäufer händeringend nach Versicherungsmöglichkeiten, die sie bei ihrem ‚Stammversicherer‘ nicht gefunden haben. Da die Pauschalpreiskonzepte damals auch sehr niedrige Preise hatten und die Community unter E-Auto-Fahrern in den Foren hervorragend funktionierte, verkauften sich die Tarife fast von allein.
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procontra: Wenn Sie so viel mit der Kfz-Versicherung beschäftigt sind, haben Sie dann das Geschäft in anderen Sparten dafür zurückgestellt?
Bieger: Ja. Natürlich hat sich immer mal etwas ergeben, aber ich habe das nicht forciert.
procontra: Nun wächst der E-Auto-Markt rasant, Elektromobilität gilt als die Zukunft und Sie sind bereits gut aufgestellt. Rechnen Sie in den nächsten Jahren mit einer Vervielfachung Ihres Kundenbestands?
Bieger: Nein, ganz im Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass ich 50 bis 60 Prozent meines Bestands verlieren werde.
procontra: Wieso denn das?
Bieger: Weil die Autobauer zunehmend eigene Versicherungskonzepte für E-Autos anbieten. Bei Tesla verdichten sich ja die Absichten, in Deutschland eine eigene Kfz-Versicherung für die Kunden zu etablieren. In Kalifornien, wo es das schon gibt, sind die Prämien direkt von Tesla etwa 30 Prozent günstiger als der Markt. Tesla hat von jedem seiner Kunden die Daten zum Fahrverhalten und den direkten Kontakt, können also ganz individuelle Preise berechnen. Wenn die sich als Hersteller jetzt melden und ein sehr günstiges Angebot machen – wovon auszugehen ist – dann bin ich als Makler in vielen Fällen raus. Im Carsharing-Bereich wird es sich ähnlich entwickeln. Der Trend geht dahin, dass nicht mehr jeder ein eigenes Auto besitzt. Beide Entwicklungen werden die Anzahl der potenziellen Kunden deutlich reduzieren.
Makler sollten sich trotzdem mit E-Autos auskennen
procontra: Das klingt ja ganz schön ernüchternd. Dann sind E-Autos also kein toller Zukunftsmarkt, auf den sich Makler spezialisieren sollten?
Bieger: Es dauert halt einige Zeit, bis man in diesem Bereich Fuß fasst, also bis man sich wirklich gut auskennt und auch viele potenzielle Kunden einen kennen. Und dann sollte man natürlich auch den Zeitaufwand abfedern können, den zum Beispiel Übertragungen von Sondereinstufungen von einem Versicherer zum anderen mit sich bringen. Da ist auch oft viel Kommunikation nötig. Da inzwischen nahezu jeder Kfz-Versicherer Lösungen für seine Kunden hat, ist es viel weniger notwendig, sich noch woanders zu orientieren. Folglich gibt es bei den meisten E-Autokäufern keine Notwendigkeit mehr, im Web nach einer Lösung zu suchen, denn der bisherige Vermittler bietet ja eine Lösung. Insgesamt glaube ich, dass es nicht funktionieren wird, wenn jemand, der selbst noch kein E-Auto fährt und nicht mit Herzblut dabei ist, jetzt anfängt und sich als Makler für E-Autos aufstellen will.
procontra: Ganz ausblenden sollten Vermittler die Kundengruppe der E-Auto-Fahrer aber lieber nicht, oder?
Bieger: Nein, das ist auf jeden Fall die Zukunft und man sollte sich als Makler damit grundlegend auskennen. Schließlich werden sich auch immer mehr der eigenen Bestandskunden E-Autos zulegen. Diese will man dann ja mitversichern können, allein schon, um die Kundenbeziehung zu sichern.
procontra: Wie werden Sie Ihr Geschäftsmodell umbauen, sollten Sie tatsächlich mehr als die Hälfte Ihres Bestands verlieren?
Bieger: In diesem Fall werde ich bei einer Reihe von Kunden das Cross-Selling vorantreiben. Dazu bin ich in den letzten Jahren kaum gekommen und dann hätte ich ja genug Zeit.
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