Nach Allianz und R+V: Auch Alte Leipziger rückt von 100-prozentiger Beitragsgarantie ab

Die klassische Lebensversicherung mit garantierter Verzinsung befindet sich zunehmend auf dem Abstellgleis. Der Verzicht auf eine vollumfängliche Garantie macht eine offensivere Kapitalanlagepolitik möglich. Sicherheitsmechanismen möchte man den Kunden aber weiterhin bieten.

11:12 Uhr | 17. Dezember | 2020
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Dr. Jürgen Bierbaum, Vorstand Alte Leipziger: Auch seine Versicherung lässt die 100-prozentige Garantie auslaufen. Bild: Alte Leipziger Lebensversicherung

„Wir sind der Meinung, dass eine 100-Prozent-Garantie nicht mehr zeitgemäß ist und dem Kunden Renditechancen nimmt“ erklärt Dr. Jürgen Bierbaum, stellvertretender Vorstandsvorsitzender Alte Leipziger–Hallesche auf procontra-Nachfrage den Verzicht auf den langjährigen Klassiker unter den Lebensversicherungen. Damit ist die „Leipziger“ bereits das dritte Unternehmen, das angesichts des Niedrigzins-Niveaus keine vollumfängliche Garantie mehr für das eingezahlte Kapital geben möchte. Zuvor hatte bereits Allianz und die R+V eine Abkehr von der 100-prozentigen Beitragsgarantie verkündet. Weitere Versicherer werden folgen, so liebäugelte zuletzt auch Ergo-Chef Markus Rieß mit einer Abkehr. „Die 100 Prozent-Beitragsgarantie, die wir bei einigen unserer neuen Policen noch anbieten, könnten dauerhaft nicht mehr in die Zeit passen“, erzählte der Ergo-Boss dem Handelsblatt. Allgemein gilt die klassische Lebensversicherung in der Branche als Auslaufmodell.

Kapital kann offensiver angelegt werden

„Bei Produkten, die noch einen 100-Prozent-Beitragserhalt bieten, handelt es sich um klassische oder hybride Rentenversicherungen. Die Verzinsung der klassischen Komponente liegt derzeit bei 2,5 Prozent. Insofern liegt die Rendite immer noch über der Inflationsrate. Bei dauerhaft niedrigen Zinsen und steigender Inflation kann sich das aber auch ändern. Für die Zukunft erwarten wir – auch nach Kosten – eine positive Rendite dieser Produkte. Es ist aber unsicher, ob sie dauerhaft oberhalb der Inflationsrate liegen wird ”, erklärt Bierbaum. Stattdessen setzen die Versicherer verstärkt auf renditeorientiertere Produkte. Der Verzicht auf eine vollumfängliche Garantie mache eine offensivere Kapitalanlagepolitik möglich, so das Versprechen der Versicherer, die sich vom steigenden Interesse der Kunden in ihrem Wandel bestätigt fühlen.

Neue Versicherungsprodukte garantieren zumindest eingezahltes Kapital

Die meisten Lebensversicherer wollen neue Policen anbieten, bei denen sich der Versicherungsnehmer zumindest sicher sein kann, kein eingezahltes Geld zu verlieren. Bei der Alten Leipziger sieht das laut Vorstand Dr. Bierbaum so aus: „Der Kunde kann als zusätzliche kostenfreie Option den automatischen Guthabenschutz einschließen. Übersteigt sein Vertragsguthaben einen von ihm festgelegten Betrag, wird dieser gesichert“.

In der Praxis sieht das so aus: Ein Kunde zahlt 30 Jahre lang monatlich 100 Euro in die Versicherung ein, also 36.000 Euro insgesamt. Bei einer 80-prozentigen Garantie würde er auf jeden Fall nach Ablauf der 30 Jahre von der „Leipziger“ 28.800 Euro bekommen. Der Kunde kann zusätzlich festlegen, dass er beim Erreichen von beispielsweise 30.000 Euro kein Risiko mehr eingehen möchte und sich dieses Guthaben zur Auszahlung am Vertragsende sichern lässt. Diese Marke von 30.000 Euro wird möglicherweise dank einer guten Entwicklung an den Börsen lange vor Ablauf der 30 Jahre erreicht. Selbst wenn es dann zum Börsencrash kommt, wäre dieser Betrag geschützt.

Kann die 100-prozentige Garantie bei Riester-Produkten Bestand haben?

Eine 100-prozentige Garantie wird es bei allen Versicherern weiter – weil gesetzlich vorgeschrieben – bei Riester-Produkten und den meisten Angeboten der betrieblichen Altersvorsorge geben. Doch auch hier wünscht sich die Branche einen Wandel: „Nur bei Riester und bei der Beitragszusage mit Mindestleistung sind noch 100 Prozent Beitragsgarantie vorgeschrieben. Aber auch das sollte der Gesetzgeber rasch ändern”, erklärte Dr. Guido Bader, Vorsitzender der deutschen Aktuare und Vorstandsmitglied bei der Stuttgarter, gegenüber dem Handelsblatt.