Das Prinzip der kapitalgedeckten Altersvorsorge ist simpel: Lege heute Geld am Kapitalmarkt an, baue einen Kapitalstock auf und zahle daraus später eine Rente. Die maßgeblichen Parameter – die Lebenserwartung und die Kapitalverzinsung – sind dem Grunde nach bekannt, nur leider ihre Höhe nicht. Aktuar*innen sind daher auf Schätzungen angewiesen, und diese verheißen im Hinblick auf die unsichere künftige Entwicklung der Kapitalmärkte nichts Gutes. Wir dürfen zwar darauf hoffen, dass die Zinsen irgendwann wieder steigen; aber mit dieser Hoffnung rechnen dürfen wir nicht. Denn Hoffnung ist keine Rechnungsgrundlage.
Es ist erfreulich, dass das Bundesfinanzministerium diesem Umstand Rechnung trägt und dem Vorschlag der Deutschen Aktuarvereinigung gefolgt ist, den Höchstrechnungszins für die Bewertung von versicherungsförmig garantierten Leistungen ab 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent zu senken. Aber diese Senkung ist für die Aktuar*innen untrennbar mit der Abkehr vom einhundertprozentigen Beitragserhalt verbunden. Denn dieser wäre nach den anerkannten Grundsätzen der Versicherungsmathematik nur darstellbar, wenn bei den Versorgungseinrichtungen und Lebensversicherern kostenfrei gearbeitet würde. Das mag den einen oder anderen Verbraucherschützer in Ekstase versetzen, aber realistisch ist es nicht. Daher kann es nur eine Antwort geben: Der vollständige Beitragserhalt als garantierte Mindestleistung hat in der betrieblichen und privaten Altersvorsorge nichts mehr verloren.
Wie reagiert die Politik? Sie nimmt für sich in Anspruch, Entscheidungen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse evidenzbasiert abzuleiten, sei es beim Ausstieg aus der Kernenergie oder bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Aber beim Thema Altersvorsorge scheint es mit diesem Anspruch nicht weit her zu sein: Seit über einem Jahr werden die Rufe der Aktuar*innen, den Gesetzen der Mathematik wieder Geltung zu verschaffen, überhört. Wenn die Politik nun zur Senkung des Höchstrechnungszinses „JA“ sagt, dann muss sie auch zur Reduktion der garantierten Mindestleistungen bei Riester und BZML „JA“ sagen. Geschieht dies nicht, sind diese praktisch bereits zu Grabe getragen, bevor eine neue Bundesregierung sich des Problems überhaupt annehmen kann.