Vermittlervergütung: Nettopolicen fristen Schattendasein

Die Diskussion um die Vergütung von Versicherungsvermittlern beschäftigt Politik und Vermittler bereits seit Jahren. Parteien wie die Grünen trommeln für eine Umstellung auf Honorare. Doch dieses Modell kommt nicht recht vom Fleck.

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14:03 Uhr | 25. März | 2021
Nettopolicen Bild: Pixabay/Victoria_Borodinova

Obwohl durchaus Angebote vorhanden sind, bleibt die Bedeutung von Nettopolicen fürs Neugeschäft verschwindend gering. Bild: Pixabay/Victoria_Borodinova

Das Thema Vermittlervergütung bewegt seit Jahren die Gemüter – mindestens seit der Finanzkrise 2007/2008 wird intensiv darüber diskutiert, ob Fehlanreize durch Provisionen zu für den Kunden schädlichen Interessenkonflikten führen. Die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) sprach zuletzt von einem überideologisierten Kampf um das Einkommen der Vermittler. Auch in Zukunft dürfte das Thema weiter zum Politikum taugen: Erst vergangene Woche sprachen sich die Grünen in ihrem Wahlprogrammentwurf für die generelle Abschaffung der Provisionsberatung aus.  

Die Alternative hierzu lautet: Honorarberatung. Doch diese tritt nach wie vor auf der Stelle, wie eine neue Untersuchung der Professoren Dr. Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund und Heinrich Schradin von der Universität Köln zeigt.  

Geringe Zahl an Beratern

Dies illustriert eindrucksvoll ein Blick auf die Zahl der in Deutschland zugelassenen Versicherungsberater. Das Versicherungsvermittlerregister des Deutschen Industrie- und Handelskammertages verzeichnete zum 4. Januar lediglich 326 Versicherungsberater – eine Zahl, die über die vergangenen Jahre ziemlich konstant geblieben ist. Dem stehen 197.111 Versicherungsvermittler gegenüber. Auch bei den Finanzanlagenberatern findet man das gleiche Bild vor: Auf 38.106 Finanzanlagenvermittler kommen gerade einmal 208 Honorar-Finanzanlagenberater.  

Zwar können auch Versicherungsmakler gegen Honorar beraten, die Nachfrage nach entsprechenden Nettotarifen in der Lebensversicherung - dem Hauptbetätigungsfeld in der Honorarberatung - sei jedoch sehr gering, wie die Studienautoren berichten.

Umfangreiches Angebot

Auf Versichererseite hat sich das Angebot an Nettopolicen dabei zuletzt erhöht: Von den untersuchten 33 Versicherern (Marktanteil in der Lebensversicherung: knapp 60 Prozent) boten gerade einmal 17 Nettotarife an – das entsprach der gleichen Anzahl wie vor fünf Jahren. Bei der damals erhobenen Studie wurden allerdings 44 Versicherer befragt – darum sei es gut möglich, dass sich die Zahl der Versicherer, die Nettotarife im Angebot hätten, in den vergangenen Jahren erhöht habe, erklären die Studienautoren.  

Acht Versicherer bieten zudem die Durchleitung von Zuwendungen bei Vermittlung von Bruttotarifen an Versicherungsberater an. Allerdings komme es hier zu Überschneidungen, so dass insgesamt 23 Versicherer entweder Nettotarife, Durchleitungen oder beides anbieten. Insgesamt stehen diese Unternehmen für 46 Prozent Marktanteil. Laut den Autoren könne man durchaus von einem „umfangreichen Angebot“ sprechen: „Anders als in den früheren Untersuchungen sind es nun auch große, marktanteilsstarke Versicherer, die sich dem Honorarmarkt geöffnet haben und nicht mehr überwiegend kleine Nischenanbieter.“  

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Insbesondere in der Lebensversicherung sei damit zu rechnen, dass weitere Versicherer in naher Zukunft nachzögen und ihr Angebot um Nettopolicen erweitern. Hier versprechen sich die Versicherer Kundengruppen zu erschließen, die sich eine Ersparnis gegenüber der proportional zur Beitragssumme berechneten Provision versprechen.  

In der Krankenversicherung sowie der Schaden- und Unfallversicherungen gehen Beenken und Schradin hingegen von einem weiterhin geringen Angebot aus. Für den Kunden dürfte eine Honorarberatung hier kein Einsparpotenzial bieten – im Gegenteil. „Hier müssten viele Versicherungsnehmer mit einer Kostensteigerung rechnen, wenn aufwandsgerechte Honorare anstelle eines Anteils der Beitragssumme (Provision) berechnet werden.“  

Allerdings sind die Anteile von Nettotarifen am Neugeschäft weiterhin verschwindend gering. Im Bereich der Lebensversicherung entfiel gerade einmal ein Anteil in Höhe von sechs Promille auf Netto-Tarife, in der Kranken- bzw. Schaden-/Unfallversicherung fällt dieser Anteil noch geringer aus. Zwar sei dieser Anteil im Vergleich zu 2016 gestiegen, allerdings nur auf geringem Niveau.  

Angesichts dieser Entwicklungen fällt auch die Einschätzung nach der zukünftigen Bedeutung eher ernüchternd aus. Aus Sicht der meisten Versicherer sind Nettotarife weiterhin unbedeutend.

Die Frage, warum Nettotarife von den Kunden bislang nur verhalten angenommen bzw. von Vermittlern selten angeboten werden, beantwortet die Studie nicht. Ausschließen können deren Autoren lediglich, dass dies in einem Mangel an entsprechenden Angeboten liege: Es gibt in der Lebensversicherung, bei der ein besonderes Interesse an einer Nettoisierung und Honorarvermittlung besteht, ein hinreichend großes Angebot an Versicherern, die entweder Nettotarife oder die Durchleitung bei Vermittlung eines Bruttotarifs anbieten.“ Für die Autoren liege darum die Vermutung nahe, dass von Seiten der Kunden noch zu wenig Nachfragedruck gegenüber den Vermittlern aufgebaut werde. Ob dies jedoch den Tatsachen entspreche, könne nur über eine Kundenbefragung ermittelt werden.

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