Ombudsmann: Wenn der BU-Versicherer lange zahlt…

…, ohne die Leistungspflicht anerkannt zu haben, gilt das wie ein unbefristetes Anerkenntnis, hat in einem bisher wenig beachteten Fall der Versicherungsombudsmann entschieden. Ganz ohne Tücke ist dessen Entscheidung aber nicht.

Author_image
08:11 Uhr | 12. November | 2019
Versicherungsombudsmann lässt den Verbraucher nicht im Regen stehen.

Kunden in der BU-Versicherung fühlen sich von ihrem Versicherer nicht selten benachteiligt. Der Versicherungsombudsmann lässt Verbraucher mit berechtigten Forderungen nicht im Regen stehen. Bild: iStock/simon2579

Die Verbraucherschlichtungsstelle für Versicherungen („Versicherungsombudsmann“) hat 2018 über 14.100 zulässige Beschwerden über Versicherer bearbeitet - 5,1 Prozent weniger als 2017 (procontra berichtete). Die Erfolgsquote zugunsten der Kunden betrug 44,1 Prozent (2017: 43,0 Prozent), in der Leben-Sparte 26,2 Prozent (2017: 23,6 Prozent).

Zur BU-Versicherung erhielt der Ombudsmann 2018 knapp 520 Beschwerden, von denen fast 400 zulässig waren, Tendenz leicht steigend. Die Policen sind durch lange Laufzeiten (oft bis zur Regelaltersgrenze) und hohe Kapitalwerte gekennzeichnet. Hauptstreitpunkte: Ist der Versicherer leistungspflichtig? Wann musste die Leistung einsetzen? Bis wann musste der Versicherer leisten?

Steigende Fallzahlen zu Streit in der BU-Versicherung

„Viele Beschwerden werfen komplizierte medizinische Fragen auf, die nicht immer abschließend geklärt werden konnten, da eine Beweiserhebung per Sachverständigen nötig gewesen wäre“, erklärt Ombudsmann-Geschäftsführer Horst Hiort. Der Ombudsmann dürfe Gutachter jedoch nicht einschalten. „Das ist den Gerichten vorbehalten“, so Hiort.

Der Geschäftsführer der Schlichtungsstelle verweist auf einen interessanten Fall, bei dem der Ombudsmann 2017 helfen konnte, was bisher jedoch kaum bekannt ist. Ein inzwischen 50 Jahre alter Kunde hatte im Jahr 2000 eine selbstständige BU-Police abgeschlossen. Laut Bedingungen darf der Versicherer im BU-Fall den Kunden abstrakt auf eine andere Tätigkeit verweisen – außer bei Umschulung – da verzichtet er bis zu drei Jahre auf die Verweisung.

Wenn der Versicherer lange zahlt…

Der Kunde, in einem Ein-Mann-Betrieb selbstständig tätig, verrichtete neben den kaufmännischen Tätigkeiten überwiegend körperliche Tätigkeiten, insbesondere Zimmermannsarbeiten, und verdiente rund 2.300 Euro netto. Im Herbst 2012 wurde er arbeitsunfähig. Die Deutsche Rentenversicherung veranlasste eine Umschulung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel, die der Kunde im Sommer 2016 erfolgreich abschloss. Anschließend arbeitete er als Verkäufer mit 22 Wochenstunden und verdiente durchschnittlich 850 Euro netto.

Bereits 2013 hatte eine Rheumatologin festgestellt, dass der Mann in seinen früheren Kerntätigkeiten zu 80 Prozent eingeschränkt ist. Der BU-Versicherer selbst hat keine Begutachtung vorgenommen und hat auch nicht geprüft, ob eine betriebliche Umorganisation in Frage kommt. Er zahlte seit Herbst 2012 BU-Rente bis 31. August 2016. Dies erfolgte jedoch ohne Anerkennung der Leistungspflicht, hieß es später, als weitere Zahlungen abgelehnt wurden.

Darüber beschwerte sich der Kunde beim Versicherungsombudsmann – mit Erfolg. Der BU-Versicherer ist weiterhin leistungspflichtig, entschied der Ombudsmann am 19. April 2017 (Az.: 16557/2016-E). Der Kunde sei bedingungsgemäß berufsunfähig. Der Versicherer könne nach 47 Monaten Leistungszeit nicht behaupten, er sei dem Kunden entgegenkommen und habe ihn finanziell unterstützen wollen, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein. Der Versicherer habe die Berufsunfähigkeit des Kunden von ununterbrochen sechs Monaten nicht bestritten (procontra berichtete).

In den Bedingungen wird jedoch nicht gefordert, dass eine dauernde Berufsunfähigkeit (nach der Rechtsprechung umfasst dies einen Zeitraum von drei Jahren) vorliegt, vielmehr ist von einer Berufsunfähigkeit auszugehen, wenn der vorbeschriebene Zustand sechs Monate ununterbrochen bestehen wird oder bestanden hat.

Seite 1: Wenn der BU-Versicherer plötzlich die Leistung einstellen willSeite 2: So entschieden Ombudsmann und BGH

… wirkt dies wie ein unbefristetes Leistungsanerkenntnis

Eine wirksame abstrakte Verweisung ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich, so dass bereits mit Leistungen für eine Zeit von weit über sechs Monaten hinaus ein Anerkenntnis der Leistungspflicht geboten gewesen war. Damit sei der Versicherer „so zu behandeln, als hätte er ein unbefristetes Leistungsanerkenntnis ausgesprochen, und kann sich daher nur nach den Kriterien des Nachprüfungsverfahrens von der Leistungspflicht lösen“, heißt es in der Entscheidung (procontra berichtete). Dabei knüpfte der Ombudsmann an einschlägige BGH-Urteile an (Az.: IV ZR 244/03; Az.: IV ZR 46/06). Eine Nachprüfung sei aber nicht erfolgt.

Die Beweislast für Umstände, die eine etwaige Leistungseinstellung rechtfertigen, liegt nach einem unbefristeten Leistungsanerkenntnis, von dem der Ombudsmann in diesem Falle ausging, beim Versicherer. Diesen Beweis hat das Unternehmen nicht angetreten. Insofern konnte der Kunde frohlocken: Trotz Teilzeitarbeit steht ihm weiterhin die volle BU-Rente zu – zumindest theoretisch. Laut Paragraf 10 der Verfahrensordnung des Ombudsmanns haben Entscheidungen mit einem Beschwerdewert über 10.000 Euro - bei mehrjährigen rentenzahlungen die Regel - jedoch nur empfehlenden Charakter. Daher ist der Bescheid für beide Seiten nicht bindend.

Juristische Tücke bei hohen Beschwerdewerten

Praktisch kann es also sein, dass der Kunde doch noch vor Gericht ziehen musste, um weiter BU-Rente zu bekommen. Der Ombudsmann weiß es nicht. „Die Parteien müssen uns keine Rückmeldung geben“, erklärte Hiort auf Nachfrage. Dies geschehe „eher unregelmäßig“. Da aus Datenschutzgründen die Namen der Beteiligten am Ombudsmann-Verfahren jedoch nicht herausgegeben werden, bleibt die Transparenz für die Öffentlichkeit auf der Strecke.

Inzwischen hat der BGH aber ein Machtwort in einem ähnlichen Fall gesprochen. Wenn der Versicherer die BU-Leistung nicht weiterzahlen will, muss er ein Nachprüfungsverfahren anstrengen, bei dem der Kunde per Mitteilung über das Ende der Leistungspflicht informiert wird (Az.: IV ZR 124/18). Bis dahin fließt die BU-Rente weiter (procontra berichtete).

Will der Versicherer die BU-Leistung von vornherein zeitlich befristen, so darf er dies nur in besonderen Einzelfällen, muss dafür einen sachlichen Grund nennen und dem Kunden die Befristung auch erläutern. Unterbleibt dies, so hat der Kunde weiter Anspruch auf BU-Leistung, entschied der BGH mit Urteil vom 9. Oktober 2019 (Az.: IV ZR 235/18). Zumindest solange, bis der Versicherer eine Nachprüfung veranlasst (procontra berichtete).

Seite 1: Wenn der BU-Versicherer plötzlich die Leistung einstellen willSeite 2: So entschieden Ombudsmann und BGH