Im Gespräch

So bewertet BVK-Präsident Heinz die Allianz-Schließungspläne

Die Pläne der Allianz, in Ostdeutschland Hunderte von Agenturen dichtzumachen, haben in der Branche für lebhafte Diskussionen gesorgt. Wir sprachen hierüber mit Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)

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14:09 Uhr | 11. September | 2024
BVK-Präsident Michael H. Heinz

Michael H. Heinz ist Präsident des Bundesverband Deutscher Versicherungs­kaufleute e.V. (BVK)

| Quelle: BKV

Vor wenigen Tagen gab die Allianz bekannt, in Ostdeutschland – einschließlich Berlin – über 400 Agenturen und drei Geschäftsstellen schließen zu wollen (wir berichteten). Den betroffenen Vertretern und festen Mitarbeitern sollen Alternativen angeboten werden. Ob das am Ende gelingen wird, bleibt abzuwarten.

Für den bekannten Versicherungsmakler und Umweltaktivisten Klaus Hermann bestätigt das Vorgehen der Allianz „schmerzhaft, dass die Ausschließlichkeit eine Scheinselbständigkeit ist und bleibt“. Eine Tätigkeit als Versicherungsvertreter nach Handelsgesetzbuch § 84 sei weit von echtem Unternehmertum entfernt, schreibt Hermann auf seinem LinkedIn-Profil. Eine nicht unumstrittene Meinung.

Wie man beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) die Causa sieht, erläutert Präsident Michael H. Heinz gegenüber procontra.

procontra: Herr Heinz, wie bewerten Sie das Vorhaben der Allianz, in Ostdeutschland über 400 Agenturen schließen zu wollen?

Michael H. Heinz: Dass die Allianz Vermittlungsagenturen schließt, ist ihr gutes Recht. Wir gehen davon aus, dass von den Schließungen vor allem Standorte betroffen sind, die wirtschaftlich nicht gut laufen.

Würden die Agenturen prosperieren und ausreichend Kunden in der Beratung, der Abschlusssituation, der Betreuung haben, dann würde das Unternehmen die Agenturen nicht schließen.

procontra: Das ist die wirtschaftliche Seite, aber was wird aus den betroffenen Vermittlern?

Michael H. Heinz: Um die berufliche Zukunft der Vermittler machen wir uns zunächst keine große Sorgen, denn gute Vermittler werden aufgrund des demografischen Ausscheidens und des Vermittlerschwundes zunehmend händeringend gesucht. 2011 hatten wir noch 263.452 Versicherungsvermittler, 2024 sind es nur noch 177.378. Trotzdem kann es für den einen oder anderen Exklusivagenten schwer sein, die Region zu wechseln.

procontra: … und die Kunden?

Michael H. Heinz: Für die Kunden, vor allem ältere und solche im ländlichen Raum, wird der Wegfall des persönlichen Ansprechpartners eher problematisch, denn nach Schließung der Agenturen werden sie wahrscheinlich nur per Telefon oder online betreut und beraten.

procontra: Was sagen Sie zu der Behauptung, die Allianz-Pläne zeigten einmal mehr, dass die Ausschließlichkeit nur eine Scheinselbständigkeit sei?

Michael H. Heinz: Uns erschließt sich nicht, warum aus Kündigungen der Handelsvertreterverträge auf eine angebliche Scheinselbständigkeit geschlossen wird. Denn im Hinblick auf eine vermeintliche Scheinselbständigkeit ist festzustellen, dass selbständige Handelsvertreter – wozu Exklusivvertreter zählen – im Wesentlichen frei sind, ihre Tätigkeit zu gestalten und ihre Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Sie gelten somit nicht als angestellt bzw. scheinselbständig.

An dieser Aussage sind sämtliche vertraglichen Vereinbarungen zu messen. Das Gesetz – § 84 Handelsgesetzbuch – fordert lediglich, dass der Handelsvertreter sich um die Vermittlung von Geschäften zu bemühen und hierbei das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen hat. Diese Interessenwahrnehmungspflicht schließt aber nicht aus, dass der Produktgeber Allianz frei ist, die Agenturverträge mit ihren Exklusivvertretern zu kündigen. Dies ist jetzt geschehen.

procontra: Und wie geht es jetzt weiter?

Michael H. Heinz: Nun müssen wir schauen, zu welchen Konditionen die Handelsvertreterverträge beendet werden. Dabei ist zu beachten, dass das Unternehmen den gekündigten Agenturvertretern die entgangenen Provisionen mit einem angemessenen Ausgleichsanspruch vergütet. Zu berücksichtigen ist auch, ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen sich aus Ansprüchen aus dem Vertreterversorgungswerk (VVW) der Allianz ergeben.