Zeichnen alle Lebensversicherer ab 2025 wieder Riester-Neugeschäft, Herr Happacher?
procontra: Die Senkung des Höchstrechnungszins von 0,9 auf 0,25 Prozent galt ja damals als der Todesstoß für Riester, weil die hundertprozentige Beitragsgarantie mit nur noch 0,25 Prozent nach Abzug der Kosten nicht mehr darstellbar ist. Wenn der Höchstrechnungszins nun Anfang 2025 auf 1 Prozent steigt, könnte man doch mit dem Riester-Vertrieb wie vor 2022 gewohnt einfach weitermachen, oder?
Maximilian Happacher: Sollte sich das Bundesministerium der Finanzen dafür entscheiden, unserer Empfehlung für einen ansteigenden Höchstrechnungszins ab 2025 zu folgen, ergäben sich perspektivisch auch wieder mehr Optionen für Produkte mit 100-prozentiger Beitragsgarantie. Das Zinsumfeld ist insgesamt in den vergangenen beiden Jahren deutlich besser geworden. Das bietet auch die Chancen auf attraktivere Überschussbeteiligungen. Ob solche Produkte wieder stärker nachgefragt würden, wird auch wesentlich vom Sicherheitsbedürfnis der Kundinnen und Kunden abhängen. Wo sich aber die Anbieter und auch die Kundenpräferenzen mit einem gegebenenfalls höheren Höchstrechnungszins einpendeln würden, ob weiterhin weniger Garantie nachgefragt wird oder höhere Garantie zu Lasten von Renditechancen, muss sich erst zeigen.
procontra: Erwarten Sie, dass ab Anfang 2025 viele Lebensversicherer, die das Riester-Neugeschäft eingestellt haben, wieder welches zeichnen?
Happacher: Es ist denkbar. Ein wesentlicher Faktor bei Riester wird allerdings die grundsätzliche Reformfähigkeit staatlich geförderter Altersvorsorge sein.
Kundinnen und Kunden, die das Potenzial auf höhere Rendite nutzen und sich gleichzeitig immer noch solide absichern möchten, könnten sich für die abgesenkte Beitragsgarantie entscheiden.Maximilian Happacher
procontra: Sie sprechen das Thema Riester-Reform an. Brauchen wir überhaupt eine Absenkung der hundertprozentigen Beitragsgarantie, zum Beispiel auf 80 Prozent, wenn ab 2025 wieder alles beim Alten ist?
Happacher: Aus unserer Sicht brauchen wir dennoch die Möglichkeit, auch abgesenkte Garantien anzubieten, ja. Die Situation, dass sich durch eine niedrigere Beitragsgarantie bessere Renditechancen bei staatlich geförderten Produkten mit lebenslanger Verrentung ergeben, hat sich nicht geändert. Gleichzeitig lassen sich solche Garantien recht günstig abbilden und kommen auch dem Sicherheitsbedürfnis der Kundinnen und Kunden entgegen. Produkte mit höherer und niedrigerer Garantie könnten insofern nebeneinander existieren. Diejenigen, die ihre Beiträge zu 100 Prozent abgesichert sehen möchten, könnten Produkte mit 100-prozentigem Beitragserhalt wählen. Kundinnen und Kunden, die das Potenzial auf höhere Rendite nutzen und sich gleichzeitig immer noch solide absichern möchten, könnten sich für die abgesenkte Beitragsgarantie entscheiden.
procontra: Bislang wurden Riester-Versicherungen nicht reformiert und auch ein neues Standardprodukt ist nicht in Sicht. Was fordern die Aktuare jetzt in Bezug auf die staatlich geförderte private Altersvorsorge von der Politik?
Happacher: Ein Punkt ist, dass die bestehenden hohen administrativen Aufwände bei Riester-Anbietern große Verwaltungskosten verursachen. Dabei sind nicht die internen Prozesse der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) das Kernproblem. Stattdessen sind Schnittstellen zu den Anbietern und Riester-Sparern der neuralgische Punkt. Die administrativen und bürokratischen Hürden sollten beseitigt oder zumindest eingedämmt werden. Diese Kosten müssen nämlich in der Kalkulation von Riester-Tarifen ausgeglichen werden im Vergleich zu den nicht förderfähigen Tarifen, was wieder zu niedrigeren Verrentungsfaktoren führt. Das ist ein Teil der Wahrheit, wenn die vermeintlich fehlende Rendite der Produkte kritisiert wird. Hier gibt es eindeutig Verbesserungspotenzial in Sachen Bürokratieabbau. Hinzu kommt, wie gesagt, dass für bessere Renditechancen abgesenkte Garantien ermöglicht werden sollten, welche günstig zu finanzieren sind und die Anlagemöglichkeiten in Hinblick auf Sachwerte erweitern.
procontra: Der GDV fordert, dass die Riester-Rente oder ihr Nachfolgemodell weiterhin eine lebenslange Rentenzahlung beinhalten. Wie wichtig ist das?
Happacher: Es ist ein Fakt, dass die Lebenserwartung und damit die Dauer des Rentenbezugs der Bevölkerung steigen. Das kann man an den Zahlen des Statistischen Bundesamtes eindeutig ablesen – und dabei können Sie selbst auf die Prognosevariante V1 zurückgreifen, die diesen Effekt noch am geringsten einschätzt. Die Wahrscheinlichkeit für Jahrgänge zum Beispiel, die jetzt in das Erwerbsleben einsteigen, teilweise deutlich älter als 85 zu werden, ist äußerst hoch. Das gilt insbesondere dann, wenn diese ihr Rentenalter erreicht haben werden. Aber auch für Menschen, die in ihren 30ern, 40ern oder älter sind, ist sie noch sehr hoch. Daher ist es wichtig, bei staatlich geförderter privater Altersvorsorge mehr als nur das Renditepotenzial anzusetzen, wenn man vom Kundennutzen spricht. Eine lebenslange Altersrente stellt einen kontinuierlichen und bis zum Tode anhaltenden Zahlungsstrom sicher, sodass das Geld nicht einfach wegfällt, obgleich noch mehrere Jahre Leben und Kosten auf die Menschen warten. Langlebigkeit – hoffentlich verbunden mit solider Gesundheit – ist ein hohes Gut, aber sie muss auch finanziert werden. Deshalb ist eine lebenslange Rente wichtig zur Lebensstandardsicherung und zur Bekämpfung von Altersarmut. Eine solche Rente wiederum ist nur durch das Versichertenkollektiv abzubilden. Eine reformierte staatliche Altersvorsorge, die das berücksichtigt und die in weiten Teilen der Bevölkerung Fuß fasst, wäre ein ganz wichtiger Punkt.