Ombudsmann 2023: 6 Kfz-Streitfälle

Beschwerden in der Kfz-Sparte haben entgegen dem allgemeinen Trend leicht zugenommen. Oft führen unklare oder unbekannte Versicherungsbedingungen zu einem Streit zwischen Kunden und Versicherern.
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Mehrere Zusammenstöße durch Schlaganfall – ein Schadenereignis?

Ein Fahrer erlitt während einer Autofahrt einen Schlaganfall. Infolgedessen fuhr er zunächst innerorts gegen einen Baum, stieß 180 Meter weiter gegen ein Verkehrszeichen und kam nach 1,02 km außerorts in den Gegenverkehr. Der Versicherer belastete den Kfz- Haftpflichtversicherungsvertrag des Beschwerdeführers mit drei Schadensfällen. Das hatte eine erhebliche Rückstufung der Schadenfreiheitsklasse zur Folge. Dagegen legte der Versicherungsnehmer Beschwerde ein, denn wegen des Schlaganfalls als Auslöser liege seiner Meinung nach insgesamt nur ein Unfall vor. Dem schloss sich der Ombudsmann an. „Ein einheitliches Geschehen soll auch dann vorliegen, wenn bei einem Autorücktransport mehrere Schäden eintreten oder das Fahrzeug beim Ausweichen vor einer Katze zunächst gegen einen Mast und dann gegen ein Fahrzeug stößt. Allein der Umstand, dass es mehrere Fremdgeschädigte gibt, kann nicht maßgeblich sein“, erklärte der Versicherungsombudsmann. Es sei unstrittig, dass allein der Schlaganfall des Beschwerdeführers die drei nacheinander erfolgten Zusammenstöße verursacht habe. Es handele sich um eine einheitliche und fortdauernde Gefahrenlage, die sich in einem engeren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang ereignet hat. Der Schlaganfall verbindet als „Klammer“ diese Zusammenstöße zu einem einheitlichen Schadensereignis. Es mache keinen Unterschied, ob man in einem solchen Zustand einen Baum oder ein Verkehrszeichen nur touchiert oder durch diese Gegenstände vorübergehend gestoppt wird.
Quelle: djelics
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Totalschaden durch Überschwemmung: Meldung an das ‚HIS-System‘

Nach einem schweren Überschwemmungsschaden, musste ein Versicherungsnehmer sein Auto reparieren lassen. Sein Versicherer meldete den Schaden an das Hinweis- und Informationssystem (HIS). Das HIS wird von der Informa Insurance Risk and Fraud Prevention GmbH als Auskunftei betrieben. Der Versicherungsnehmer verlangte anschließend vom Versicherer, dass dieser die Meldung des Totalschadens löscht. Da der Anbieter dem Wunsch nicht nachkam, reichte der Mann eine Beschwerde beim Ombudsmann ein – allerdings ohne Erfolg. Zum Hintergrund: Eine Meldung an das ‚HIS-System‘ durch den Versicherer ist ohne die Zustimmung des Versicherungsnehmers möglich. Erfolgt ein Eintrag zu Unrecht, kann der Versicherungsnehmer zwar dessen Löschung beantragen. „Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherer unzutreffende Daten gemeldet hatte, konnte ich den mir vorliegenden Unterlagen aber nicht entnehmen“, so Ombudsmann Wilhelm Schluckebier. Meldungen an das HIS erfolgen nach vordefinierten, feststehenden Meldekriterien, die mit den Datenschutzbehörden abgestimmt sind. Zu den Meldekriterien gehören besondere Schadensfolgen, zu denen auch der Totalschaden zählt. Durch die Meldung soll vermieden werden, dass derselbe Fahrzeugschaden bei einem anderen Versicherer noch einmal eingereicht und somit missbräuchlich doppelt abgerechnet wird. Verkauft der Versicherungsnehmer aber das Fahrzeug und der spätere Eigentümer meldet einen Schaden, kann der betroffene Versicherer wegen einer Fahrzeugreparatur nachfragen.
Quelle: satori13
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Auto zwischen zwei Bäumen eingesperrt – Folge eines Sturmschadens?

Das Auto einer Fahrerin wurde durch einen Sturm beschädigt. Allerdings lehnte es der Versicherer ab, eine Entschädigung aus der Teilkaskoversicherung zu zahlen. Seiner Ansicht nach sei die Beschwerdeführerin mit ihrem Wagen gegen einen auf der Straße schon liegenden Baum gefahren. Er insinuierte, dass die Beschwerdeführerin ihre Geschwindigkeit nicht an die Wetterverhältnisse angepasst hatte. Wie lange der Baum vor dem Zusammenstoß bereits auf der Straße lag, war zwar unklar. Aus Sicht des Ombudsmanns sprachen die Umstände jedoch für ein unmittelbares Einwirken des Sturms. Laut Einsatzbericht der Feuerwehr lagen mehrere Bäume hinter einer Bergkuppe kreuz und quer über der Straße verteilt. Nachdem die Einsatzkräfte sich einen Zugang durch die Bäume geschnitten hatten, hätten sie mehrere Fahrzeuge entdeckt. Der Wagen der Beschwerdeführerin habe sich genau zwischen zwei umgefallenen Bäumen befunden. Auch die vom Unfallort angefertigten Fotos zeugen davon. Der Ombudsmann nimmt an, dass eine starke Sturmböe hinter einer Bergkuppe zu einem gleichzeitigen Umkippen der Bäume geführt hat. Der Baum, gegen den die Beschwerdeführerin fuhr, habe dort sehr wahrscheinlich auch noch nicht lange gelegen, sondern war erst kurz zuvor umgekippt. Damit war der Fahrerin ein Ausweichen nicht mehr möglich. Es sei schwer nachzuvollziehen und zu begründen, dass es zu keinem Sturmschaden gekommen sein soll. Die Schlichtungsstelle geht davon aus, dass der Sturm unmittelbar aufkam, ein rechtzeitiges Bremsen oder Ausweichen war demnach nicht mehr möglich ist. Der Versicherer half der Beschwerde daraufhin vollumfänglich ab.
Quelle: halfpoint
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Streit um Werkstattbindung bei finanziertem Fahrzeug

Der Beschwerdeführer hatte sich bei der Versicherung seines kreditfinanzierten Fahrzeugs für einen Tarif mit Werkstattbindung entschlossen. Allerdings erfuhr er erst anlässlich eines Schadensfalls, dass er das Fahrzeug in einer vom Autohersteller autorisierten Werkstatt reparieren lassen muss – qua Vertragsbedingungen. Er ließ sein Fahrzeug daher nicht in einer Partnerwerkstatt seines Versicherers reparieren. Das führte zu einer vertraglich vorgesehenen Kürzung. Die Differenz machte er als Schaden gegenüber seinem Kaskoversicherer geltend. Er erklärte, dass ihn der Versicherer auf die Gefahr eines Widerspruchs zwischen Werkstattbindung und Fahrzeugfinanzierung hätte hinweisen müssen, wie er es bei geleasten Fahrzeugen tue. Der Ombudsmann wandte sich mit folgenden Ausführungen an den Versicherer: „Der Beschwerdeführer stützt seinen Vorwurf darauf, dass ein anderer Versicherer auf die möglichen Probleme einer Werkstattbindung bei finanzierten Fahrzeugen aufmerksam mache. Auch nach meinen Recherchen weisen viele Versicherer und Vergleichsportale darauf hin. (…) Aus dem (überlegenen) Wissen um solche typischen Problemkonstellationen kann eine Hinweispflicht erwachsen, wobei dem Beschwerdeführer meines Erachtens ein Mitverschulden anzurechnen wäre, denn er hätte sich ebenfalls über die Finanzierungsbedingungen informieren müssen.“ Der Versicherungsnehmer und Versicherer konnten sich daraufhin auf einen Vergleich einigen.
Quelle: professionalstudioimages
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Traktorschaden: Keine Kenntnis von Zusatzdeckung bei Betriebsschäden

Der Beschwerdeführer schloss für seinen neu gekauften Traktor eine Vollkaskoversicherung ab. Einige Jahre später wurde der Traktor beschädigt, als sich ein angekuppeltes Güllefass löste. Der Versicherer berief sich darauf, dass sogenannte Betriebsschäden nicht versichert seien. Der Beschwerdeführer erfuhr jedoch von einem Bekannten, dass auch Betriebsschäden mit einem kleinen Zuschlag hätten versichert werden können. Er warf der Beschwerdegegnerin ein Beratungsverschulden vor, da nie über diese zusätzliche Absicherung gesprochen worden sei. Auch der Ombudsmann sah Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung und erreichte eine hälftige Schadensübernahme: „Zum einen ist für mich bisher nicht klar, in welcher Form die Zusatzdeckung für Betriebsschäden bei Ihnen abgeschlossen werden kann (…) und weshalb der Vermittler mit dem Beschwerdeführer hierüber nicht gesprochen hat. Der Antrag im Jahr 2015 ist wohl telefonisch aufgenommen worden. Man ist also eigentlich schon im Gespräch gewesen. In den Anträgen ist jeweils auch angekreuzt, dass der Beschwerdeführer über andere Produkte beraten werden möchte. Zum anderen hat sich der Versicherungsbedarf des Beschwerdeführers im Jahr 2015 offensichtlich verändert, denn es wurde, anders als vorher, für die neue landwirtschaftliche Maschine auch eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Dass ein solches Fahrzeug einem erhöhten Betriebsschadensrisiko ausgesetzt ist, erscheint offensichtlich. Der Beschwerdeführer als Nicht-Versicherungsfachmann wird keine genaue Kenntnis vom Ausschluss von Betriebsschäden und der Möglichkeit von Zusatzdeckungen gehabt haben. Der Versicherer und sein Vermittler haben insofern überlegenes Wissen. Zu ihren Aufgaben gehört auch eine Bedarfsermittlung, die hier nach Aktenlage nicht erfolgt ist.“
Quelle: oleksandr filon
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Falschberatung: Hinweis zur GAP-Deckung fehlte

Der Beschwerdeführer kaufte sich einen hochpreisigen Gebrauchtwagen. Sowohl die Finanzierung als auch die Versicherung wurde vom Autohaus vermittelt. Nach etwas mehr als zwei Jahren verursachte der Beschwerdeführer einen Unfall mit Totalschaden. Daraufhin wurde der Restdarlehensbetrag fällig gestellt. Der Versicherer zahlte bedingungsgemäß den Wiederbeschaffungswert. Es entstand eine Deckungslücke von rund 5.000 Euro. Diese Lücke hätte durch eine sogenannte GAP-Deckung abgesichert werden können. Bei Vertragsschluss war darüber aber nicht gesprochen worden. Der Beschwerdeführer machte eine Falschberatung geltend, die der Ombudsmann bestätigte. Gegen den Versicherer erging eine verpflichtende Entscheidung mit der Begründung: Offensichtlich hat es Anhaltspunkte für einen gesteigerten Beratungsbedarf beim Versicherungsnehmer gegeben. „Es ist vorliegend unstreitig, dass bei Antragstellung nicht über eine etwaige Deckungslücke beziehungsweise eine GAP- oder Differenzdeckung gesprochen wurde. Angesichts des Finanzierungsbetrags von über 56.000 Euro war aber offensichtlich, dass der Wiederbeschaffungswert, der im Totalschadensfall über die Vollkaskoversicherung ersetzt wird, den offenen Darlehensbetrag über mehrere Jahre nicht abdecken konnte. Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dürfte diese Deckungslücke nicht bewusst sein“, erläuterte der Versicherungsombudsmann. Der Versicherungsnehmer habe nicht gewusst, dass es eine Zusatzversicherung gibt, die dieses Risiko abdeckt und auf dem Markt inzwischen ohne Weiteres angeboten wird. Ein Versicherer und seine Vermittler müssen die Informationen, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer für eine sachgerechte Entscheidung benötigt, weitergeben. Der Fall zeigt, dass auch bei einem hochpreisigen Gebrauchtwagen die Lücke zwischen Wiederbeschaffungswert und Restdarlehensbetrag nach mehr als zwei Jahren noch erheblich ist. Insofern besteht keine wesentlich andere Interessenlage als bei einem Neuwagen.
Quelle: mtmphoto