BGH sieht Regelungslücke bei Existenzschutzversicherung
Mit einer Existenzschutzversicherung kann man sich gegen die Folgen von schweren Unfällen oder Krankheiten absichern. Viel Verträge enthalten zudem eine Pflegekomponente: Die Versicherung zahlt folglich, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund eines Unfalls bzw. einer Krankheit pflegebedürftig wird.
Das erhoffte sich auch ein Versicherungsnehmer aus Hessen, dessen Fall (Az: IV ZR 164/23) vor kurzem vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wurde. Dieser hatte einen entsprechenden Vertrag im Jahr 2011 abgeschlossen.
In dessen Bedingungswerk heißt es unter anderem zu den Voraussetzungen einer Leistung:
„Die versicherte Person erhält auf Grund eines Unfalls oder wegen einer während der Vertragslaufzeit aufgetretenen oder diagnostizierten Krankheit eine Einstufung der Pflegestufe I, II oder III nach SGB.“
Pflegegrade statt Pflegestufen
Das System der Pflegestufen wurde mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2017 jedoch abgeschafft. An die Stelle der Pflegestufen traten die Pflegegrade 1 bis 5. Eine Anpassung der Versicherungsbedingungen durch den Versicherer fand allerdings nicht statt.
Im November 2017 ließ sich der Versicherungsnehmer, der Polizist von Beruf war, aufgrund einer Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzen. Ein Gutachter stufte ihn aufgrund mehrerer Erkrankungen in den Pflegegrad 2 ein. Doch sein Antrag auf Leistungen gegenüber seinem Versicherer wurde verneint: Schließlich war der Mann nicht in Pflegestufe I eingruppiert worden.
Das war zum Zeitpunkt des Leistungsantrags aufgrund der oben genannten Gesetzesänderung auch gar nicht mehr möglich. Der Versicherer argumentierte jedoch, dass der Vertrag keine dynamische Verweisung auf die neue Gesetzeslage enthalte. Entsprechend sei die Regelung zur Pflegestufe somit weiterhin gültig. Eine Ansicht, der auch das OLG Frankfurt gefolgt war.
Doch der Bundesgerichtshof bewertete die Angelegenheit anders und hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf. Durch das Fehlen einer dynamischen Verweisung liege hier eine planwidrige Regelungslücke vor. Denn: Ohne Ergänzung der Versicherungsbedingungen liefe das im Rahmen der Pflegerente gegebene Leistungsversprechen des Versicherers durch den Wegfall der Pflegestufen ins Leere.
Vertragsanpassung nötig
Entsprechend müsse der Vertrag unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien angepasst werden, so der BGH. Hier könnte beispielsweise geprüft werden, ob Versicherungsnehmer, denen mindestens Pflegegrad 2 zuerkannt wird, automatisch leistungsberechtigt sind. Allerdings dürfte ein solcher Schritt die Tarifkalkulation des Versicherers beeinflussen, da der Pflegebedürftigkeitsbegriff durch die Reform deutlich weiter ausfällt. Entsprechend könnte sie das Recht bekommen, ihre Prämien entsprechend anzupassen.
Hierüber muss nun erneut das OLG Frankfurt entscheiden, an das der BGH den Fall zurück verwies.