Fehlender Support

Gewerbe vor Verfall: Makler sehen den Schutz ihrer Firmenkunden in Gefahr

Selten kritisieren Makler ihre Produktpartner so scharf wie aktuell im Industrie- und Gewerbegeschäft. Die Zusammenarbeit mit Versicherern wird (für kleinere Gewerbemakler) immer schwieriger – mit fatalen Folgen für die Absicherung der Firmen.

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10:06 Uhr | 02. Juni | 2025
Ein Ritter in kaputter Rüstung
| Quelle: Illustration: Roman Kulon

Was Sie erfahren werden

  • Wieso das Industrie- und Gewerbe­geschäft unter Druck steht

  • Wie Versicherer die Kapazitätsengpässe begründen

  • Welchen Einfluss die Maklergröße hat

Es rumort in der Maklerschaft. Von Deckungsnot, fehlender Erreichbarkeit und langen Bearbeitungszeiten ist immer häufiger die Rede – inzwischen auch oder auch insbesondere im Industrie- und Gewerbegeschäft. Das wiederum lässt die BaFin aktiv werden. Auf Anfrage von procontra bestätigt ein Sprecher, man erwarte auch in diesem Segment eine Bearbeitung von Anträgen innerhalb eines Monats. Zuvor hatte die Finanzaufsicht diese Erwartungshaltung in einer Aufsichtsmitteilung vom 11. April lediglich gegenüber Versicherern im Privatkundengeschäft formuliert. Die Behörde will nun auch im Gewerbebereich genau hinschauen.

Das muss sie auch. Denn dass in einem Industrieland wie Deutschland immer mehr Unternehmen keinen passenden Versicherungsschutz mehr bekommen und immer länger auf Leistungen warten müssen, trübt die Perspektiven – für Makler und jene Firmen, deren Schutz gegen essenzielle Risiken immer weiter bröckelt. Dem Makler als einer der Leidtragenden fällt es immer schwerer seine Rolle als Sachwalter des Kunden mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand auszufüllen. Mitunter drohen sogar Haftungsrisiken. Dabei ist das Geschäftsfeld eigentlich attraktiv, bieten Gewerbe- im Vergleich zu Privatversicherungen doch eine „höhere Vergütungen“, so beispielsweise Pedro Martinho, Produktentwickler Versicherungen bei Amexpool.

Produktgeber schaffen Ansprechpartner ab

procontra hat sich bei Maklern mit Industrie- und Gewerbegeschäft umgehört. So betont Nico Streker, Geschäftsführer von Asspick, einem Makler mit Fokus auf die Wohnungswirtschaft: „Viele Versicherer haben lokale Ansprechpartner abgeschafft und Call-Center-Strukturen aufgebaut. Dort fehlt oft das Fachwissen oder die Entscheidungsbefugnis, was Rückfragen und unnötige Wartezeiten nach sich zieht.“

Makler fühlen sich in ihrem Status bedroht. Wenn man keine individuellen Antworten (...) und Ansprechpartner bekommt, ist der Maklerberuf nicht mehr ausübbar.
anonymer Versicherungsmakler gegenüber procontra

Auch Franziska Geusen, Geschäftsführerin von Hans John Versicherungsmakler, moniert, dass sich die Erreichbarkeit der Versicherer „ausgesprochen uneinheitlich darstellt“. Während einige Gesellschaften weiterhin persönliche Ansprechpartner bereitstellten und damit eine direkte Kommunikation ermöglichten, setzen andere Versicherer auf zentrale Gruppenpostfächer und Ticketsysteme. Letztere führten in der Praxis häufig zu Verzögerungen, Rückfragen und mangelnder Verbindlichkeit. „Für die Vermittlerschaft bedeutet dies einen erhöhten Aufwand sowie teils erhebliche Zeitverluste – Zeit, die letztlich für die individuelle Kundenbetreuung fehlt.“

Ein Makler, der namentlich nicht genannt werden möchte, sieht sogar die Existenz des Vertriebswegs in Gefahr: „Makler fühlen sich in ihrem Status bedroht. Wenn man keine individuellen Antworten auf der Angebotsseite erhält und in der Schadenregulierung über keinen Ansprechpartner verfügt, ist der Maklerberuf nicht mehr ausübbar und einem Kunden ist nicht verständlich zu machen, warum er keine Antwort erhält.“

Einschränkungen empirisch belegt

Für Aufsehen sorgt auch eine Umfrage der Versicherungsforen Leipzig im Auftrag des Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) unter dessen Mitgliedern. Die Studie zeigt, dass die Mehrheit der Befragten deutliche bis starke Einschränkungen der Kapazitäten in der Industrie- und Gewerbeversicherung wahrnimmt. Am stärksten sind die Engpässe bei den versicherungstechnischen Risiken Feuer/Explosion/Blitzschlag/Leitungswasser, Betriebsunterbrechung und Naturkatastrophen. Im Branchenvergleich sind vor allem Unternehmen in der Abfallwirtschaft und im Recycling betroffen.

 

Deckungsnot im Gewerbe: Betroffene Branchen

Als Hauptursachen der Kapazitätsengpässe nennt die Studie eine strengere Risikoselektion der Versicherer, verschärfte Anforderungen sowie höhere Schadenkosten und -quoten. Makler berichteten von steigenden Prämien und höheren Selbstbeteiligungen. In der Folge dürften Unternehmen zunehmend auf Deckung verzichten, was früher oder später zu einem Bumerang werden wird, der die Existenz der un- oder unterversicherten Firmen auf einen Schlag beenden könnte. Wohl auch deshalb ist die BaFin aktiv geworden. Kein ausreichender Versicherungsschutz kann für Mittelständler existenzbedrohend sein – ein gesamtwirtschaftliches Problem.

Über Prävention zur Versicherbarkeit

Diese Gefahr vor Augen wächst bei den Versicherungsnehmern das Interesse an Vorsorge. Auch das ist ein Ergebnis der Studie des BDVM: „Kunden sind bereit, in Prävention zu investieren, wenn dadurch ihre Versicherbarkeit verbessert wird.“ Allerdings würden Versicherer Risikoprävention zu wenig wertschätzen, beispielsweise durch bessere Konditionen. Zudem sähen sie wenig Offenheit für innovative Präventionsansätze. Das ist ein Aspekt, der in der Branche ausführlicher thematisiert werden müsste.  

Warnungen kommen auch vom AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen: „Es scheint so, als ob Versicherer es Vermittlern nicht leicht machen wollen, komplexe Gewerbeversicherungen an Unternehmen zu bringen. Inzwischen verzichtet ein Fünftel der Vermittler komplett auf das Gewerbegeschäft.“ Bei Versicherern festzustellen sei eine Reduzierung von direkten Ansprechpartnern wie zum Beispiel Underwritern. „Früher“, wird Franziska Geusen, Vorständin des AfW und selbst auf Gewerbeversicherungen spezialisierte Maklerin, in einer Pressmitteilung zitiert, „konnte man im persönlichen Austausch unkompliziert maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Heute dominieren standardisierte Produkte und anonyme Hotlines.“

Früher konnte man im persönlichen Austausch unkompliziert maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Heute dominieren standardisierte Produkte und anonyme Hotlines.
Franziska Geusen, AfW

Laut der BDVM-Studie „haben vor allem Unternehmen mit ESG- oder technologiegetriebenen Risiken Schwierigkeiten, angemessenen Versicherungsschutz zu erhalten, und sind teilweise gezwungen, auf internationale Märkte auszuweiten.“ Den befragten Maklern zufolge führen beim Thema ESG vor allem Photovoltaikanlagen und Wallboxen zu Problemen, da diese als risikosteigernd wahrgenommen würden.

Deckungsnot im Gewerbe: Betroffene Risiken

Versicherer unter Personal- und Kostendruck

Aus Maklersicht hat die Deckungsnot der Unternehmen auch was mit fehlender Rückendeckung der Versicherer für ihre Vertriebspartner zu tun. Letztere fühlen sich zum Teil in Stich gelassen. Verantwortlich sei auch der Fachkräftemangel bei den Versicherern, auch durch bewussten Personalabbau. „Mit dem Ausscheiden der Babyboomer-Generation entsteht eine spürbare Lücke“, meint Payam Rezvenian, Co-CEO von Finanzchef24. Das führe zu Engpässen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Vertrieb bis zur Schadenbearbeitung. „Um dem entgegenzuwirken, braucht es neben einer stärkeren Positionierung der Branche als attraktiver Arbeitgeber auch eine konsequente Digitalisierung und Automatisierung“, ist Rezvenian überzeugt.

Welches Potenzial in diesem Zusammenhang neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Internet der Dinge haben, verdeutlicht Professor Marcus Schmalbach im Interview mit procontra (demnächst online verfügbar). Makler, die sich dieser Entwicklung verschließen, würden vom Markt verschwinden – zumindest bei simplen Risikotransfers.

Ihre aktuellen Erfahrungen mit Gewerbeversicherern?

Bastian K. Roeder, Vorstand des Maklerpools BCA, nennt einen weiteren Grund für sinkende Unterstützungskapazitäten bei einigen Versicherern: Kosten- und Profitabilitätsdruck. Tatsächlich machen sich diverse Naturereignisse sowie die in den vergangenen Jahren erhöhte Inflation in den Zahlen negativ bemerkbar. Mehr Schäden und teurere Schadenregulierungen lasten auf den Margen der Versicherer. Eine aktuelle Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt eine im Jahr 2023 um fast 24 Prozent erhöhte Anzahl an Sachschäden in Industrie-, Gewerbe- und Landwirtschaftsversicherung, nachdem für 2022 bereits ein Zuwachs von rund 17 Prozent anfiel. In der privaten Sachversicherungen nahm die Anzahl der Schäden 2023 um rund 13 Prozent ab und erhöhte sich 2022 um gut 11 Prozent.

Die bei den Versicherern fehlenden Kapazitäten würden die BCA-Berater vermehrt bei dem Pool nachfragen. Dafür gebe es speziell geschulte Vertriebsserviceteams. Roeder spricht von einer „Service-Manufaktur für Vertriebsunterstützung“ und schließt darin digitale Beratungswerkzeuge ein. Den angeschlossenen Maklerpartnern stünde für das Gewerbegeschäft die digitale Plattform Thinksurance kostenlos zur Verfügung, die in die eigene Serviceplattform Diva integriert sei. Insgesamt ergebe sich eine „riesige Produktauswahl“ inklusive Zugang zu Spezialversicherern.

Große Versicherer legen eigene Aufgaben auf die Maklerhäuser um.
Bastian K. Roeder, Vorstand BCA

Größe gefragt?!

Im Gegensatz zu kleinen Büros haben große Maklerbetriebe eine gewisse Marktmacht. Auch deshalb sagt Alexander Ebert, Teamleiter Key Account Gewerbe Firmenkunden bei Hoesch & Partner: „Guter Service seitens der Versicherer ist Voraussetzung für eine Zusammenarbeit.“ Was das bedeute, zeige sich oft erst im Schadenfall. Namen will er nicht nennen. Er betont aber, dass sich „kleine Versicherer mit schneller und persönlicher Rückmeldung leichter tun als die Branchengrößen.“

Hier werde deutlich, dass der Wettbewerb in zwei Richtungen geführt werde: Quantitatives Geschäft mittels digitalen Angebots- und Antragsstrecken und qualitatives Geschäft mittels individueller Risikoprüfung und Angebotserstellung. Die Digitalisierung eröffne die Chance, einfach gelagerte Risiken schnell einzudecken. Komplexe Risiken jedoch seien weiterhin auf ein fachkundiges Underwriting angewiesen. Auch Hoesch & Partner bevorzuge eher die „Manufaktur-Arbeit“. „Für unsere Kunden sind maßgeschneiderte Lösungen abseits digitaler Tools häufig der einzige Weg ihr Risiko abzudecken“, sagt Ebert. Gleichwohl erfolge der Einstieg oft über digitale Analyse.

Wie BCA-Vorstand Roeder stellt auch Ebert fest, „dass die großen Versicherer eigene Aufgaben auf die Maklerhäuser umlegen“. Vermittler, die nicht die personellen Kapazitäten oder Prozesse haben, würden „über kurz oder lang Probleme bekommen.“ Ein-Mann-Büros ohne Anschluss an einen Maklerpool befänden sich heute bereits in einer Service-Wüste. Die Konsolidierung im Markt zeige, dass die Zukunft der Maklerschaft in größeren Zusammenschlüssen liege. Diese könnten gegenüber den Produktgebern mit deutlich mehr Marktmacht auftreten und verhandeln.

 „Ein Teil dieses Trends ist auch“, fährt Ebert fort, „dass die Versicherer unter dem Kostendruck vermehrt Dienstleistungen an Assekuradeuren und Managing General Agents, kurz MGA´s, auslagern und so Personal einsparen.“ Für Ebert ist dies „ein logischer Schritt, wenn man bedenkt, dass Makler bereits jetzt Risiken so für den Versicherer aufbereiten, dass dieser ´nur´ noch anbieten muss.“ Dem Vertriebsprofi zufolge „läuft das Gewerbegeschäft der Zukunft über A-Makler“, also über unabhängige Vermittler, die für eine Versicherungsgesellschaft besonders wichtig sind.

Weitere Hintergünde in der procontra-Printausgabe 03/25

Die Kapazitätsengpässe im Gewerbegeschäft dürften noch lange anhalten. Erstens sind den Versicherern die Risiken einfach zu groß - auch regulatorisch bedingt. Zweitens gehen in den nächsten Jahren zahlreiche Mitarbeiter in den Ruhestand. Makler müssen sich darauf einstellen und selber Kapazitäten aufbauen in den Bereichen Antrag, Risikobewertung und Schadenregulierung. Für kleine Maklerbüros ein kaum zu lösendes Problem. Sie können sich auf einfaches Gewerbegeschäft spezialisieren und digitale Tools nutzen oder sich über Maklerpools entsprechendes Know-how und Technologieangebote sichern. Auf jeden Fall sollten sie sich über die Servicequalität der Produktgeber informieren und gegebenenfalls den Anbieter wechseln. Denn das Schlimmste wäre, wenn der Schutz ihrer Klienten immer weiter bröckelt.

Mehr Hintergründe zu den Strategien der Versicherer, den Missstand zu beseitigen und zu möglichen Spezialisierungen von Maklern lesen Sie in der aktuellen Printausgabe der procontra 03/25 (ab 6.Juni erhältlich).

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