Sparen mit Verschenken
Ein Einfamilienhaus in Wiesbaden, ein 700 Quadratmeter großes Grundstück, eine Wohnfläche von 135 Quadratmetern und eine „mittlere Ausstattung“. 63.534 Euro – auf diese Summe belief sich die Erbschaftssteuer vor 2023. Mit Beginn des neuen Jahres hat sich die Situation geändert: Um mehr als die Hälfte, auf knapp 100.000 Euro, hat sich die Steuerlast für diese Immobilie erhöht. Eine Summe, die nicht jeder Erbe ohne Weiteres aus dem Ärmel schütteln dürfte.
Ende vergangenen Jahres hat der Bund ein neues Steuergesetz verabschiedet. Darin enthalten ist auch eine „Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung“, nach der ab 2023 der Wert von Eigentumswohnungen und Häusern im Erb- oder Schenkungsfall neu berechnet werden muss.
20 bis 30 Prozent höhere Steuern erwartet
Das Prozedere im Einzelnen: Wird eine Immobilie vererbt, prüft das Finanzamt zunächst, ob Vergleichswerte aus Verkäufen in der Umgebung vorliegen. Ist das nicht der Fall, wird der Wert der Immobilie anhand des sogenannten Sachwert- oder des Ertragswertverfahrens ermittelt. In beiden Verfahren gibt es mit dem neuen Gesetz wesentliche Änderungen.
So wurde die Gesamtnutzungsdauer für bestimmte Gebäudearten – darunter Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Mietwohngrundstücke – von 70 auf 80 Jahre verlängert. Der Effekt: Der Alterswert wird gemindert und der Restwert steigt. Zudem wurde der Sachwertfaktor geändert. Bislang lag dieser je nach Region und Immobilie bei 0,9 bis 1,1, durch die Gesetzesänderung erhöhte er sich auf 1,3 bis 1,5. Neu eingeführt wurde zudem ein Regionalfaktor, der in boomenden Regionen bei der Berechnung hinzugezogen wird. Der Eigentümerverband Haus & Grund rechnet mit einem Anstieg der Steuersätze um durchschnittlich 20 bis 30 Prozent.
Wie sollen Berater auf die Gesetzesänderung reagieren? Welche Empfehlung können sie Eigenheim-Besitzern geben, die an ihre Kinder oder Enkelkinder vererben wollen? Lässt sich die steuerliche Mehrbelastung umgehen und wenn ja, wie?
Schenkung als psychologisches Problem
„Was man jetzt nicht machen sollte, ist: in Panik zu verfallen“, sagt Fachanwalt Paul Grötsch vom Deutschen Forum für Erbrecht und ergänzt: „Es bleiben noch genügend Möglichkeiten, um eine Erbschaft steuergünstig zu gestalten.“ Sein Tipp an Immobilienbesitzer: Das Eigenheim bereits zu Lebzeiten auf die Erben umschreiben und dabei ein Nießbrauchrecht vereinbaren. So werden keine Erbschaftssteuern fällig und die Immobilie kann weiter bewohnt werden.
„Ob eine Umschreibung des Eigenheims sinnvoll ist, hängt allerdings von der individuellen Vermögenssituation ab“, erklärt Grötsch weiter. Ratsam sei dies, wenn der Immobilienwert die gesetzlichen Freibeträge übersteigt. Doch selbst dann berge diese Methode auch ein Risiko: „Eine Schenkung kann auch zum psychologischen Problem und belastend werden“, führt der Fachanwalt weiter aus. „Beispielsweise, wenn man sich plötzlich nicht mehr so gut mit den Kindern versteht.“
Möglich sei es auch, ein Haus in mehreren Tranchen zu verschenken. Die gesetzlichen Freibeträge liegen bei 400.000 Euro und besitzen eine Gültigkeit von zehn Jahren. Daher kann eine Immobilie im Wert von 800.000 Euro auch in einem Abstand von zehn Jahren in zwei Anteilen von jeweils 400.000 Euro verschenkt werden.
„Der richtige Weg ist nicht die Rückkehr zum alten Bewertungsrecht, sondern eine Erhöhung der Freibeträge.“Michael Tommaso, Steuerberater
Eine Methode, um zu einer geringeren Wertermittlung als das Finanzamt zu kommen, kann auch die Beauftragung eines Gutachters sein. Wie Sibylle Barent, Leiterin der Steuer- und Finanzpolitik beim Eigentümerverband Haus & Grund, erklärt, sei das aber nur bedingt erfolgversprechend. „Ein Gutachten lohnt sich meist nur, wenn es Besonderheiten bezüglich der Lage oder der Nutzbarkeit gibt“, sagt sie.
Hans-Joachim Beck, Rechtsberater beim Immobilienverband IVD, unterstreicht das ebenfalls. Der Einsatz eines Gutachters helfe nicht viel weiter, sagt er. Denn: „Mit der Gesetzesänderung nähert sich die Wertermittlung der Immobilie jetzt stärker an die tatsächlichen Verkehrswerte an.“ Das sei weder ungerecht noch könne man sich darüber beschweren.
Rechtsanwalt und Steuerberater Michael Tommaso von der Kanzlei Noerr sieht das Defizit der Gesetzesänderung eher an anderer Stelle: „Parallel müssen auch die Freibeträge erhöht werden. Das wäre der richtige Weg, nicht die Rückkehr zum alten Bewertungsrecht.“