Was Sie erfahren werden
Warum Norman Wirth mehr Investitionen in Rüstung für notwendig hält, jedoch kritisch gegenüber der Öffnung von ESG-Fonds für Rüstungsinvestitionen ist
Die Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit von ESG-Fonds und deren langfristige Integrität
Wirths Meinung zur EU-Taxonomie und den fragwürdigen Kompromissen bei „grünen Technologien“
Procontra
Was halten Sie davon, dass Fondsgesellschaften manche ESG-Fonds für Rüstungsinvestitionen öffnen wollen?

Norman Wirth:
Zunächst einmal: Angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa halte ich mehr Investitionen in Rüstung für absolut notwendig. Hier können Privatanleger eine wichtige Rolle spielen. Die Investitionen sollten aber im Rahmen von konventionellen Fonds erfolgen. Denn: Rüstungsproduktion ist per Definition schädlich – und zwar nicht nur im Kontext von Umweltschäden, sondern auch hinsichtlich sozialer Ziele. Die ESG-Regulierung orientiert sich daran, dass eine wirtschaftliche Aktivität, um als nachhaltig eingestuft zu werden, keinen erheblichen Schaden an anderen Umwelt- oder sozialen Zielen verursachen darf. Panzer und Granaten können dieses Prinzip nicht erfüllen.
Procontra
Allianz GI begründet die Öffnung damit, dass dies erlaubt ist und dass sie hiermit noch mehr privates Kapital für den Aufbau einer europäischen Verteidigungsarchitektur mobilisieren kann. Überzeugt das nicht?

Wirth:
Nein, weil Rüstung in nachhaltigen Fonds nichts zu suchen hat. Für Vermittler, die tagtäglich mit den Ansprüchen ihrer Kunden an ethische Geldanlagen konfrontiert sind, werden derartige Entwicklungen zunehmend untragbar. Nachhaltigkeit lebt von Integrität und Glaubwürdigkeit. Ein Aufweichen dieser Prinzipien kann keine Antwort auf geopolitische Herausforderungen sein.

Wirth:
Durchaus. Wir brauchen daher ein klares Bekenntnis zu konsequenten ESG-Kriterien, die keine ethischen Standards opfern. Nachhaltigkeit darf kein beliebig verhandelbarer Kompromiss werden. Doch statt Maßnahmen zu ergreifen, die Vertrauen und Interesse stärken, macht die Politik das Gegenteil. Nehmen Sie die EU-Taxonomie als ein weiteres Beispiel. Fossiles Gas und Atomenergie wurden als „grüne Technologien“ eingestuft – ein fragwürdiger Kompromiss, der auf einem politischen Deal zwischen Deutschland und Frankreich basierte. Die Taxonomie, ursprünglich geschaffen, um Klarheit zu bieten, droht ihren Kompass zu verlieren.

