Rüstungstitel in ESG-Fonds - wie passt das zusammen?
Was Sie erfahren werden
Welche Anbieter ESG-Fonds für Rüstung öffnen
Der rechtliche und fachliche Hintergrund
Warum eine Öffnung riskant ist
Die meisten Fondsanbieter können sich das nur schlecht vorstellen, dass ESG-Fonds in Waffen investieren. Wegen des Zerstörungspotentials für Menschen und Umwelt haben Waffen doch mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Wurden Rüstungsinvestitionen als Teil der Anlagestrategie festgelegt, wurden diese gewöhnlich über einen konventionellen Fonds gemacht. So die Theorie.
Entsprechend überrascht war die Branche also, als Allianz Global Investors (Allianz GI) im April ankündigte, einige ihrer ESG-Fonds für Rüstungsinvestitionen öffnen zu wollen. Den Schritt begründet die Allianz GI so: „Die geopolitischen Ereignisse der letzten Jahre haben zu einem umfassenderen Umdenken hinsichtlich der Notwendigkeit von Investitionen in die europäische Verteidigungsarchitektur geführt.” Allianz GI bezieht sich hier auf die Gefahr für Europa seit Russlands Einmarsch in die Ukraine.
Laut Allianz GI können Privatanleger bei dem Investitionsbedarf für Rüstung auch eine wichtige Rolle spielen: „Angesichts der angespannten Haushaltslage der öffentlichen Hand ist die Rolle des privaten Finanzsektors bei der Finanzierung des Verteidigungssektors von entscheidender Bedeutung“, so die Allianz GI. Auch die DWS will einige Fonds, die zwar eine Art Nachhaltigkeits-Filter anwenden, jedoch nicht explizit als ESG-Produkte vermarktet werden, für Rüstungsinvestitionen öffnen. Die Änderung bedeutet, dass die entsprechenden Fonds ein paar Dutzend Titel aus dem Verteidigungssektor zu ihrem Investmentuniversum hinzufügen.
Rüstungsinvestitionen (indirekt) erlaubt bei ESG
Mehr Investitionen in das Thema Sicherheit kann man in diesen turbulenten Tagen als etwas Sinnvolles betrachten. Eine Richtlinie der europäischen Finanzaufsicht ESMA vom Mai 2024 sieht auch vor, dass selbst bei ESG-Fonds 20 Prozent des Vermögens beliebig investiert werden dürfen. Aber Vorsicht: Die ESMA hat mit der Richtlinie keine Aussage darüber getroffen, ob Waffen als nachhaltig gelten. Sie hat lediglich klargestellt, dass Fonds, die als ESG vermarktet werden, 80 Prozent des Vermögens zu Wirtschaftsaktivitäten allokieren müssen, „die der Erfüllung von nachhaltigen Zielen dienen.“ Es bleibt eine Art Puffer von 20 Prozent.
Einige Fondsanbieter wollen keine Rüstungsinvestitionen in ESG-Fonds zulassen. Andere werden ihre Strategien überprüfen.Magdalena Kuper, BVI
Dabei müssen die Anbieter hier gewisse Ausschlüsse beachten, worunter unter anderem nur geächtete Waffen explizit genannt sind. Laut Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim deutschen Fondsverband BVI, ist es nach der ESMA-Richtlinie den Anbietern überlassen, ob sie in ihren ESG-Produkten Rüstung aufnehmen wollen. „Einige Fondsanbieter wollen auch in Zukunft keine Rüstungsinvestitionen in Fonds zulassen, die sie als nachhaltig vertreiben. Andere werden ihre Strategien überprüfen. Dies wird aber ein sensibler Prozess sein“, meint Kuper.
Riskante Öffnung für Rüstung
Allerdings. Das mögliche Reputationsrisiko in Sachen ESG ist wohl auch der Grund, warum andere Fondsanbieter den Beispielen der AGI und der DWS (bislang) nicht gefolgt sind. Auf Anfrage teilten die Deka, die Union Investment sowie Metzler Asset Management mit, dass ihre ESG-Fonds nach wie vor Waffen komplett ausschließen. Die Deka verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sie für das Thema Rüstung den konventionellen „Security and Defense“-Fonds Anfang Februar lanciert hat. Der Fonds hat seitdem ein Vermögen von 140 Millionen Euro aufgebaut.
Obwohl Rüstungsinvestitionen von Artikel-8-Fonds – unabhängig davon, ob sie explizit als ESG vermarktet werden oder nicht - rechtlich zulässig und offenbar politisch gewollt sind, ist diese Aktivität riskant. Waffen haben mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Und wenn das ESG-Angebot nun angepasst wird, um diesen Sektor zu inkludieren, könnte das Thema ESG erheblich an Glaubwürdigkeit verlieren. Solch ein Glaubwürdigkeitsverlust würde nicht nur die Fondsanbieter betreffen, sondern auch deren Vermittler.
Letztere würden sich bei der Beratung auf ESG-Investments wahrlich in einer Zwickmühle befinden. Die mögliche Folge: Noch weniger Interesse an ESG-Investments. Dabei hat das Thema ohnehin einen schweren Stand, wenn man berücksichtigt, dass die ESG-Präferenzabfrage bei den Beratungsgesprächen kaum eine Rolle spielt.
Zusammengefasst
Anbieter sehen in der Öffnung mehr Sicherheit
Regulierer erlaubt Rüstung in ESG-Fonds
Mögliche Schwächung des ESG-Gedankens