Das Geschäft mit Pflegeprodukten verlagert sich
Das Geschäft mit privaten Pflegezusatzpolicen frustriert viele Versicherer – nur gibt das fast kein Anbieter offen zu. Eine Umfrage von Assekurata offenbart jetzt zumindest teilweise die tiefsitzende Enttäuschung. Die Ratingagentur hat Lebensversicherer nach den Perspektiven ihrer unterschiedlichen Produkte gefragt, also auch nach der Pflegerentenpolice. Demnach beurteilen die Anbieter die Geschäftslage und die Geschäftserwartungen dieses Produkts als schlecht. Noch missmutiger sind sie nur bei klassischen Lebensversicherungen, die sie kaum noch vertreiben.
Wachstum nur dank Werbung
Nun gibt es mit der Pflegekosten- und der Pflegetagegeldversicherung zwei weitere Produktvarianten, deren Vertriebschancen von Versicherern und Vermittlern oft nicht so düster eingeschätzt werden. Der Marktführer Allianz berichtet gegenüber procontra sogar von einem wachsenden Neugeschäft; freilich auch dank einer Werbekampagne. Zuwächse im Pflegegeschäft sind in der Branche aber eher die Ausnahme, wie eine Umfrage von procontra unter den zehn führenden Anbietern ergab. Dies ist vielleicht auch ein Grund, weshalb der Verband der Privaten Krankenversicherung jetzt den Vorschlag einer obligatorischen Pflegezusatzversicherung ins Spiel gebracht hat. Provisionen erhielten Vermittler dafür nicht.
Ein Renner sind Pflegezusatzpolicen eh nicht. Seit Jahren stagniert der Absatz. Noch immer haben nur gut fünf Prozent der Bundesbürger eine zusätzliche Absicherung für den Pflegefall, berichtet Assekurata in einer anderen Studie speziell über Pflegezusatzversicherungen im Auftrag des PKV-Verbandes. Die geringe Verbreitung stehe im krassen Gegensatz zum immensen Bedarf an einer finanziellen Absicherung. Denn in Umfragen mache sich fast jeder zweite Deutsche Sorgen, den Eigenanteil an den Pflegekosten im Alter nicht bezahlen zu können. Dieser betrage im Schnitt 2.400 Euro bei einer Unterbringung im Heim. In der Bevölkerung zu wenig bekannt sei, dass sich das Finanzloch oft für Beiträge unter 100 Euro monatlich stopfen lasse.
Umfrage von procontra
Trotz der Sorge, ein Pflegefall zu werden und den hohen Eigenanteil nicht aus den dann vorhandenen finanziellen Mitteln decken zu können, stagniert der Bestand in der Pflegezusatzversicherung. Wie kann das sein? Auch das hat procontra zehn Anbieter und fünf Makler(pools) gefragt. Das Ergebnis: Zwar betonen fast alle, dass sie Kunden vielleicht noch stärker für das Thema Pflege sensibilisieren müssten. Gleichzeitig heißt es sinngemäß aber oft: „Die Politik macht es uns auch nicht leicht.“
Durch die zig Pflegegesetze, wie auch das aktuelle zum 1. Juli, seien die Leistungen der gesetzlichen Versicherung ausgeweitet worden. „Die Reformen suggerieren staatliche Unterstützung und lassen vor allem junge Menschen in dieser sorglosen Haltung“, sagt zum Beispiel Helmut Hofmeier, Vorstand Leben bei Continentale. Es entstünde der Eindruck einer Vollkaskoversicherung, was nicht zutreffe. „Viele wiegen sich in falscher Sicherheit“, meint Miriam Michelsen, Leiterin Kranken bei MLP. Andere Befragte betonen die Unruhe im Markt. „Die Politik verunsichert zahlreiche Menschen“, sagt Sebastian Grabmaier, Chef des Maklerpools Jung, DMS & Cie.
Neue Ideen müssen her
Um das Produkt Pflegezusatzpolice wiederzubeleben, sei daher auch die Politik in der Pflicht. Dass im Pflegefall lebenslang angespartes Kapital aufgezehrt werden muss, müsse auch von politischer Seite kommuniziert werden, unterstreicht Grabmaier. Die Leistungen der Tarife seien „durchaus bedarfsgerecht“; diese müssten dann aber auch frühzeitig abgeschlossen werden. Ein Sprecher der ARAG bringt neue Produktideen ins Spiel: Der Versicherer habe im Mai die Pflege-AsseCura auf den Markt gebracht, eine obligatorische, arbeitgeberfinanzierte betriebliche Pflegezusatzpolice. Der neue Tarif ziele auf die Beschäftigten in der Pflegebranche, habe aber Modellcharakter.
Abschließend festzustellen bleibt: Das Geschäft mit Pflegeprodukten verlagert sich von den Lebensversicherern zu den Krankenversicherern – und hier gibt es starke Tendenzen zu obligatorischen Angeboten für eine Absicherung der finanziellen Risiken.