Stiftung Warentest unter Beschuss: „Schlechtester PKV-Test aller Zeiten“
Die private Krankenversicherung bietet nicht per se besseren Schutz im Krankheitsfall als die gesetzliche. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des neuen PKV-Tests der Stiftung Warentest, bei dem PKV-Tarife danach untersucht wurden, ob sie – bei einem Selbstbehalt von maximal 660 Euro im Jahr – mindestens das Niveau der GKV abdecken.
„Sehr viele PKV-Tarife haben Lücken. Viele leisten sogar weniger als gesetzliche Krankenkassen“, sagt Julia Bönisch, Vorständin der Stiftung Warentest. „Defizite bestehen bei vielen Tarifen zum Beispiel bei der Palliativpflege, bei ambulanter Psychotherapie oder bei digitalen Anwendungen wie Ernährungs-Apps.“
Unterm Strich sind für die Stiftung Warentest von 1.245 untersuchten Tarifkombinationen nur 384 empfehlenswert. Und auch hier lohne ein Vergleich: Denn der Unterschied zwischen dem günstigsten und teuersten Angestelltentarif etwa betrage mehr als 400 Euro im Monat – obwohl beide Tarife das Qualitätsurteil „sehr gut“ auswiesen. „Mehr Beitrag bedeutet nicht, dass immer auch mehr Risiken abgedeckt sind“, konstatiert Testleiter Julian Chudoba.
Insgesamt hält die Stiftung Warentest eine private Krankenversicherung nur für Beamte sinnvoll, weil der Staat hier im Alter einen Großteil der Kosten übernehmen würde. Angestellten und Selbständigen drohe dagegen im Ruhestand eine „existenzbedrohende Kostenfalle“, weil die PKV-Beiträge nicht an das Einkommen gekoppelt seien.
Test stößt auf breite Kritik
In der Maklerschaft stoßen die Testergebnisse auf zum Teil heftige Kritik. In den Kommentarspalten sozialer Medien ist da zum Beispiel von „Quatsch“ oder „unfassbarem Unsinn“ die Rede. Auch Sven Hennig, Versicherungsmakler und bekannter PKV-Experte, lässt an dem Test kein gutes Haar.
Was ihm grundsätzlich missfällt, ist, dass mit der PKV und der GKV zwei unterschiedliche Systeme verglichen würden, die so eigentlich gar nicht zu vergleichen seien, weil sich die Leistungsbereiche in vielen Punkten unterschieden.
Dass die Stiftung Warentest als Ergebnis ihrer Prüfung billige Tarife empfiehlt, gleichzeitig aber vor steigenden Beitragskosten im Alter warnt, ist ein Punkt, der bei Hennig ebenfalls auf Unverständnis stößt. Denn man dürfe hier nicht nur auf die Leistungen schauen, sondern müsse auch die Kalkulationsansätze berücksichtigen. „Mehr Beitrag bedeutet, dass ich eine vernünftige Kalkulation kaufe, und nur wer billig kauft, dem laufen später die Beiträge davon“, so der Experte gegenüber procontra.
Für fast schon fahrlässig schließlich hält Hennig den Tipp der Warentester, Kunden könnten – jedenfalls solange sie keine Vorerkrankungen haben – einfach selbst den besten Anbieter für sich finden, indem sie einfach zeitgleich Anträge für die drei günstigsten Angebote aus dem Test stellten. „Einen größeren Fehler kann man eigentlich nicht machen“, so der Experte, für den der aktuelle PKV-Test einer der „schlechtesten Tests“ ist, den die Stiftung Warentest jemals erstellt hat. „Ich bin ziemlich erschrocken darüber, was hier abgeliefert wurde“, sagt er.
So reagiert der PKV-Verband
Und wie reagiert der PKV-Spitzenverband auf die Testergebnisse? Dort ärgert man sich vor allem darüber, dass die Stiftung Warentest bei der Bewertung der Beitragsstabilität den langfristigen Vergleich mit der Gesetzlichen Krankenversicherung unterschlagen habe. „Nur die PKV trifft mit ihren Beiträgen Vorsorge für die steigenden Kosten des demografischen Wandels. Die Warnungen vor stark steigenden Beitragssätzen in der GKV blenden die Tester völlig aus – diese Lücke müsste eine umfassende Verbraucherberatung schließen“, unterstreicht PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther gegenüber procontra.
Ansonsten sei ja gerade das, was die Stiftung Warentest als vermeintliche Schwäche ansehe, in Wahrheit die Stärke der PKV – nämlich die Möglichkeit, sich den Gesundheitsschutz nach persönlichen Bedürfnissen individuell zusammenzustellen: von der soliden Grundabsicherung bis zum Topschutz mit Chefarztbehandlung und bis zu 100 Prozent Erstattung beim Zahnersatz oder Heilpraktiker.
Reuther: „Die gewählten Leistungen bleiben den Privatversicherten garantiert und können weder durch Politik noch Versicherungen gekürzt werden. Dass dies von den Verbrauchern sehr geschätzt wird, belegt eine aktuelle Allenbach-Umfrage, wonach 95 Prozent der Privatversicherten mit den Leistungen ihrer Krankenversicherung zufrieden sind.“
>> Der ausführliche Test ist in der Zeitschrift Finanzen der Stiftung Warentest erschienen (3/2025). Infos im Internet dazu finden Sie hier.