„Moderne Behandlungsmethoden in der Kieferorthopädie sind immer Privatleistungen“
procontra:
Wie wird der kieferorthopädische Behandlungsbedarf festgestellt und wann zahlen gesetzliche Kassen dafür?
Dr. Katarina Hanitsch:
Seit dem 17. August 2001 gilt in der vertragszahnärztlichen Versorgung von Patienten bis zum 18. Lebensjahr das fünfstufige Indikationssystem KIG, mit dem der kieferorthopädische Behandlungsbedarf festgestellt wird. Gesetzliche Krankenversicherungen übernehmen bei einer KIG-Einstufung eines Behandlungsgrades von 3 bis 5 die Kosten für eine ausreichende, zweckmäßige und kassenwirtschaftliche Behandlung. Die Bewertung der Anomalien auf ihre kieferorthopäidsche Behandlungsnotwendigkeit erfolgt durch einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Die GKV überprüft diese stichprobenartig gutachterlich auf ihre Richtigkeit.
Hanitsch:
Ja, aber bei etwa 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen besteht ein sogenannter Leistungsausschluss, das heißt es besteht kein Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten durch die gesetzlichen Krankenversicherungen. Eine Behandlung kann dann nur als Privatleistung angeboten werden. Darüber hinaus sind kieferorthopädische Leistungen und Sachleistungen wie Röntgen oder Beratungen ab diesem Jahr wieder budgetiert.
Hanitsch:
Pro Multibandfall pro Quartal liegen die Grenzwerte der Leistung der Primärkassen (AOK, IKK, BKKen) bei 108 Euro, bei Ersatzkassen (TKK, HEK, DAK, GEK) bei 124 Euro. Pro Behandlungsfall mit herausnehmbarer KFO-Versorgung pro Quartal liegen die Grenzwerte bei 49 Euro für Primär- und bei 57 Euro für Ersatzkassen. Moderne Behandlungsmethoden und eine state-of-the-art-Kieferorthopädie sind daher immer Privatleistungen.
Hanitsch:
Dazu gehören zum Beispiel digitalisierte Planungs- und Behandlungssysteme, Alignerbehandlungen, linguale Bracketapparaturen, CMD-Diagnostik-und Therapie, linguale Kleberetainer, ossäre Verankerungsapparaturen (temporäre Minipins), Non-Compliance- Apparaturen und professionelle Zahnreinigungen. Oftmals haben unsere Patienten private Zahnzusatzversicherungen, die Kosten für Zusatzleistungen anteilig übernehmen. Daher ist die Eigenleistung bei jedem Patienten individuell und wird von uns vor Behandlungsbeginn spezifiziert. Durch Klärung der Kostenübernahme der Versicherungsträger vor Behandlungsbeginn besteht Klarheit über den Umfang der Eigenleistung.
procontra:
Mit welchen Kosten müssen Eltern von minderjährigen Kindern für eine mehrjährige feste Klammer rechnen?
Hanitsch:
Bei einem Leistungsausschluss zahlen Eltern die gesamte Behandlung selbst, bei einer KIG-Einstufung mit Grad 3 bis 5 leisten sie eine Zuzahlung, die vom Umfang der gewünschten Zusatzleistungen abhängt. Wenn der Qualitätsstandard einer Privatbehandlung erreicht werden soll, sind dies in der Regel zwischen 3.000 und 4.000 Euro.
procontra:
Welche privaten Zusatzleistungen im Rahmen einer KFO-Behandlung können denn sinnvoll sein?
Hanitsch:
Es gibt einige Leistungen, die für jeden Patienten sinnvoll sind, wie eine Dauerretention der Fronten und professionelle Zahnreinigungen während einer Multibandbehandlung. Andere Leistungen verbessern die Qualität des Behandlungsergebnisses und wieder andere erfüllen die ästhetischen Ansprüche des Patienten an eine Behandlung. Zum Beispiel Keramikbrackets, Lingualbrackets, Invisalign-Schienen und eine Minipinverankerung statt eines Headgears. Sie optimieren den Tragekomfort, reduzieren die Zeitdauer einer Behandlung oder verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, durch den funktionelle Probleme (CMD – Funktionsstörung des Kausystems) diagnostiziert und therapiert werden.
Hanitsch:
Etwa die Hälfte unserer KFO-Patienten sind Erwachsene. Häufig kommen Patienten mit Engständen in den Fronten, die sich nach einer kieferorthopädischen Behandlung im Jugendalter ohne eine Dauerretention der Fronten entwickelt haben. Wir behandeln auch viele CMD-Patienten, die mit Kiefergelenksbeschwerden zu uns kommen sowie Erwachsene mit schweren Dysgnathien, die eine kieferorthopädisch-kieferchirurgische Kombinationsbehandlung benötigen.
Hanitsch:
Immer und idealerweise bereits mehrere Jahre vor Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung.