Auch Aktuare fordern kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung
Die Anzahl jener, die auf eine Pflege angewiesen sein werden, wird dramatisch steigen. Die Versicherungsmathematiker der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) warnen, dass bis 2030 über 6 Millionen Menschen pflegebedürftig werden können. Für das Jahr 2070 prognostizieren sie 7,7 Millionen Pflegebedürftige. „Die Pflegequote wird steigen, auch weil ein Pflegegrad schneller erreicht ist“, sagt Herbert Schneidemann, Past-President der DAV. Ab einem Alter von etwa 80 Jahren steige demnach das Pflegerisiko signifikant an. Die Gesellschaft befinde sich aktuell erst am Anfang des Anstiegs, „die große Welle kommt erst noch“, warnt er.
Das Modell der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung nennt der Experte defizitär, zumal es auf Kosten der folgenden Generationen am Leben gehalten wird. „Eine kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung kann ihren Beitrag leisten, dem entgegenzutreten und mehr Nachhaltigkeit in der Finanzierung zu erwirken. Das kann in Form eines Obligatoriums geschehen, wie es aktuell diskutiert wird, oder über freiwillige, steuerlich geförderte Pflegezusatzversicherungen zum Beispiel zur Absicherung künftiger Dynamisierungen“, so Schneidemann.
Schneidemann würde eine Pflichtversicherung dem freiwilligen Abschluss ohne Gesundheitsprüfung aber mit Kontrahierungszwang vorziehen, weil andernfalls „besonders häufig Menschen eine solche Versicherung abschließen, deren Pflege-Risiko erhöht ist“. Dann müssten Versicherungsnehmer mit höheren Beiträgen rechnen. „Im Falle eines Obligatoriums, also einer Pflichtversicherung, bei der alle versichert werden, fallen solche Selektionseffekte weg.“
Auch Mitglieder des vom PKV-Verband ins Leben gerufenen Expertenrats Pflegefinanzen haben kürzlich die Abkehr von der umlagefinanzierten Pflegeversicherung gefordert. Sie schlagen ebenfalls eine verpflichtende kapitalgedeckte Versicherung vor – die sogenannte Pflege+-Versicherung. Sie soll 90 Prozent der stationären Pflegekosten abdecken, damit bliebe ein Selbstbehalt von zehn Prozent. Die Versicherungsgebühren würden nach Vorstellung der Experten nach Alter gestaffelt werden: Wer beim Eintritt jünger ist, zahlt geringere Beiträge, die der Arbeitgeber paritätisch mitfinanziert. Damit einher ginge ein Kontrahierungszwang, die Gesundheitsprüfung der Versicherungsnehmer wäre hinfällig. Angeboten werden soll diese Pflichtpolice sowohl von den privaten Krankenversicherern als auch von den gesetzlichen Krankenkassen. Vermittler würden in diesem Konstrukt leer ausgehen, weil ein Vertrieb nicht mehr notwendig wäre.
Pflegezusatzversicherungen gibt es viele auf dem Markt, allerdings haben nur sechs Prozent der Deutschen eine solche Police. Gerade jüngere unterschätzen das Risiko eher und verlassen sich auf die Leistungen des Staates. Das wiederum mindert den Anreiz, den Schutz abzuschließen.