Interview mit Tobias Niendieck

„Eine Chance für alle Vermittler“: Nachhaltigkeit & Kundenpräferenzen in der Beratung

Seit nun einem Jahr müssen Vermittler in der Beratung die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden mit abfragen. Was hat sich in den ersten 12 Monaten seit Inkrafttreten der Verordnung getan? Und wie hat sich die Beratung seitdem verändert? Wir haben mit Tobias Niendieck, Co-Founder und CEO von „Insurancy“, über die Entwicklung gesprochen.

09:09 Uhr | 07. September | 2023
Bild von Tobias Niendieck

Tobias Niendieck, Makler und Co-Founder von Insurancy, legt einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in seiner Beratung.

| Quelle: Insurancy

Tobias Niendieck gründete gemeinsam mit André Disselkamp 2021 das Beraterunternehmen für betriebliche Altersvorsorgen und Versicherungen „Insurancy“: Den beiden Maklern ist eine Beratung mit nachhaltigem Schwerpunkt und ökologischen Gesichtspunkten ein großes Anliegen. Daher ist die Unternehmensausrichtung klar: Die Versicherungsbranche nachhaltiger gestalten und so der Gesellschaft einen Teil zurückzugeben.  

procontra:

Herr Niendieck, was meinen Sie: Wie hat die EU-Taxonomie-Verordnung den Beratungsprozess für Versicherungen beeinflusst, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden?

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Tobias Niendieck:

Die Taxonomie-Verordnung bildet die Grundlage für den EU-Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum. Dieser Schritt war notwendig und sollte auch von allen Vermittlern als Chance aufgefasst werden. Dadurch, dass das Thema aktiv angesprochen werden muss, werden natürlich auch mehr Menschen angeregt, sich aktiv mit dem Thema zu befassen. Das ist eine gute Entwicklung und ich persönlich würde mir das Gleiche in Zukunft auch bei Sachversicherungen wünschen.  

procontra:

Berichten Sie uns doch einmal kurz, wie Sie die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden in der Beratung abfragen. Haben Sie dafür ein bestimmtes Vorgehen?

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Niendieck:

Wir gehen grundsätzlich so vor, dass wir die individuellen Werte und Prioritäten in unserem Meeting erfragen. Dabei ist uns die Einstellung zur Nachhaltigkeit wichtig und ob die Kundinnen und Kunden bereits alle Vorteile von nachhaltigen Anlagen kennen.  
Viele Beratungstools bieten mittlerweile ebenfalls eine Abfrage zu den Nachhaltigkeitspräferenzen.

procontra:

Haben Sie in Ihrem Unternehmen eine einheitliche Nachhaltigkeitsstrategie?

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Niendieck:

Wir haben eine nachhaltige Unternehmensausrichtung: Wir nutzen kein Papier mehr, alle Meetings finden online statt, wir bieten unseren eigenen Mitarbeitenden überdurchschnittlich viele Benefits an, es gibt kein festes Büro und 20 Prozent von unserem Gewinn spenden wir an soziale und nachhaltige Projekte. Unsere Kundinnen und Kunden haben bei Letzterem ebenfalls Einfluss auf die Projekte und können diesbezüglich Vorschläge machen.

procontra:

Hat sich dadurch Ihre Beratung in den letzten 12 Monaten verändert? 

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Niendieck:

Wir haben uns im Vorfeld bei der Gründung bereits Gedanken dazu gemacht und bieten auch an sich hauptsächlich nachhaltige, bzw. die nachhaltigsten Produkte an. In der Beratung hat sich dabei für uns nur die rechtliche Komponente geändert.

procontra:

Wie reagieren Ihre Kunden auf die Nachfrage nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen? 

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Niendieck:

Für einige Kunden ist dies etwas ganz Neues und man muss einmal kurz erklären, warum und weshalb das wichtig ist und was dies insbesondere am Ende mit der Produktentscheidung zu tun hat. Wo liegen die Chancen einer nachhaltigen Anlage usw.

procontra:

Wie würden Sie das Interesse an nachhaltigen Versicherungen bei Ihren Kunden einschätzen? 

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Niendieck:

Wir sehen ein sehr hohes Interesse, speziell von Arbeitgebern, die ihren Mitarbeitenden eine nachhaltige Lösung für die Vorsorge anbieten wollen. Das Interesse ist da extrem hoch und wir sehen auf der anderen Seite auch, dass die Mitarbeitenden unabhängig vom gezahlten Zuschuss, diese Lösungen besser annehmen als die klassischen Varianten. Im Bereich der Sachversicherungen steckt das Thema gerade bei Unternehmen noch in den Kinderschuhen und wird sich, denke ich, über das Angebot von nachhaltigen Lösungen im privaten Sach-Bereich tragen und entwickeln.

procontra:

Gibt es Kunden, die proaktiv auf Sie zukommen, mit dem konkreten Wunsch nach Nachhaltigkeits-Informationen

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Niendieck:

Die meisten Kunden kommen häufig schon sehr gut informiert zu uns und haben sich im Vorfeld bereits mit dem Thema auseinandergesetzt. Wir setzen bei unserem Online-Auftritt aber auch bereits auf Informationen zu dem Thema.

procontra:

Sehen Sie noch Handlungsbedarf in Bezug auf nachhaltige Beratung und Versicherungen?  

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Niendieck:

Die Beratung wird sich, denke ich, automatisch mit den neuen Generationen von Vermittlern in den digitalen Raum verlagern und das ist auch zeitgemäß. Die Zeiten, bei denen Vermittler noch abends persönlich am Küchentisch sitzen und dafür einige Kilometer mit dem Auto fahren, sind vorbei. Ansetzen würde ich als allererstes bei den Produkten selbst. Im Bereich Lebensversicherungen ist die Entwicklung dahingehend schon fortgeschritten und viele Menschen fragen auch aktiv nach „wo das Geld investiert wird“.

Anders sieht das aber bei den Sachversicherungen aus, bei denen eigentlich kein Kunde weiß, wie und wo sein Geld investiert wird und die Gesellschaften waren auch uns gegenüber häufig nicht bereit Einblicke zu gewähren. Die Versicherungswirtschaft ist in Deutschland, zusammen mit den Banken, der größte Geldanleger und hat damit nicht nur ein enormes Potenzial, um die privaten Investitionen in die richtige Richtung zu lenken, sondern auch eine besondere Verantwortung. Was am Ende nicht nur der Nachhaltigkeit helfen würde, sondern vor allem auch verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen würde, wäre echte Transparenz.

procontra:

Wie gehen Sie mit der Herausforderung um, sicherzustellen, dass die angebotenen Versicherungsprodukte tatsächlich nachhaltig sind und nicht nur als solche vermarktet werden? 

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Niendieck:

Wir schauen uns die Produkte im Detail genau an und fordern von den Gesellschaften auch Informationen zum Deckungskapital im Bereich Lebensversicherungen. Hier wird es oft schwierig mit der Nachhaltigkeit: Denn viele Versicherer haben hier noch „Altlasten“, also Deckungskapital, welches in nicht nachhaltige Anlagen geflossen ist. Aber auch das betrachten wir bei der Auswahl unserer Produkte. Da sich hier dann die Spreu vom Weizen trennt: Nachhaltige ETFs können schließlich viele Gesellschaften umsetzen. Wir wollen das Thema aber wirklich ganzheitlich zu betrachten, das ist uns hier wichtig.