Software-Anbieter Flexperto verabschiedet sich bis 2026 aus dem Markt
Auf der DKM stand die Entscheidung bereits fest. Als Aussteller auf der Leitmesse hat Flexperto sich bei Kunden und Geschäftspartnern verabschiedet – mit Merci-Schokolade und Taschentüchern. „Nach sorgfältiger Überlegung haben wir beschlossen, dass die Flexperto GmbH das Kapitel Onlineberatung schließen wird“, heißt es in einem Schreiben an die Kunden.
Bis April 2026 – das ist dem CEO Moritz Delbrück wichtig – werden alle Services, Support, Bug-Fixing und Sicherheits-Updates wie gewohnt weitergeführt. Das Team aus 40 Mitarbeitern wurde bereits auf 9 geschrumpft. Alle gekündigten Mitarbeiter seien aber bereits bei anderen Unternehmen untergekommen. Flexperto arbeitet laut Delbrück mit den Kunden gemeinsam in den nächsten Monaten an der Migration zu anderen Plattformen.
Wie CEO Moritz Delbrück auf Nachfrage von procontra ausführt, gibt es „hunderte von Einzelmaklern, die die Betreuung durch uns nicht verlieren wollen.“ Viele haben ihre Verträge deshalb trotz allem nochmal verlängert, bis dann im April 2026 wirklich die Lichter für die Plattform ausgehen.
Gründe für den Rückzug aus dem Markt
Flexperto gehörte zunächst zu einem der Gewinner der Corona-Lockdowns. Als einer der wenigen Anbieter war das 2010 gegründete Unternehmen in der Lage, bereits während der Pandemie eine Videoberatungstechnologie bereitzustellen, die den Compliance-Anforderungen von Versicherungsanbietern gerecht wurde. Allerdings hat die Pandemie eben auch dafür gesorgt, dass Software-Riesen wie Microsoft das Geschäftsfeld entdeckt haben. Laut Flexperto-CEO Moritz Delbrück hat sich die komfortable Ausgangssituation durch den Druck von Microsoft-Teams verändert, denn seit zwei Jahren verfügt auch Teams über die nötige Compliance. „Microsoft als De-Facto-Standard für Office Anwendungen im deutschen Geschäftsleben hat MS Teams als Videoberatungslösung in großen Organisationen sehr aggressiv in den Markt gedrückt: Teams wurde über Jahre hinweg als Bundle im Office-Paket vermarktet bis die EU-Kommission Microsoft gezwungen hat, MS Teams einzeln zu vermarkten“, heißt es in einem Schreiben an die Kunden. Obwohl Microsoft Kartellstrafen von der EU drohten, stehe einem kleinen deutschen Unternehmen wie Flexperto die finanzaufwendige Möglichkeit des Kampfes gegen Microsoft nicht offen. „Flexperto war vor über zehn Jahren der Pionier der Versicherungs- und Finanzbranche für Onlineberatung - bis diese zum Standard geworden ist. Nun ist es der Markt der großen US-Tech-Firmen geworden.“
Investoren hatten Weiterentwicklung geplant
Obwohl Flexperto bei großen Versicherungskonzernen wie der Huk-Coburg oder der DEVK im Einsatz ist, habe sich der Investor dazu gezwungen gesehen, von weiteren Investitionen abzusehen. Die Flexperto GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Novum-RGI Germany, die wiederum Teil des großen Private Equity Unternehmens CVC Capital Partners ist. Mit der Übernahme 2021 waren eigentlich Investitionen in die Weiterentwicklung der Technik geplant, die allerdings durch den Markteintritt von Microsoft vereitelt wurden. CEO Delbrück betont jedoch, dass keine Insolvenz angemeldet würde, da keine Liquiditätsengpässe bestünden.
Wie procontra im vergangenen Jahr berichtet hatte, hatte Flexperto zusätzlich begonnen, KI-Anwendungen für die Videoberatung zu entwickeln. Jedoch musste sich das Unternehmen auch bei diesen Projekten fragen, ob die immensen Investitionen, die aufgrund der Konkurrenz in der KI-Entwicklung nötig wären, wirtschaftlich sinnvoll wären. Laut Moritz Delbrück hat man sich dagegen entschieden.